Livia Naef färbt ihre Kleider mit Essensresten

Diese Luzernerin macht aus weggeworfenen Avocados Mode

Livia Naef in ihrem Atelier im Luzerner Bruchquartier. Das Kleid in ihrer Hand wurde mit Avocado-Schalen und -Steinen gefärbt. (Bild: ida)

Fashiondesignerin Livia Naef hat während der Corona-Pandemie ihr eigenes Modelabel aufgebaut. Die Luzernerin schafft aus alten Dingen Neues. So greift sie auf über 100-jährige Leinenstoffe zurück – und färbt ihre Kleider mit abgelaufenen Avocados.

Da, wo sie lebt, arbeitet sie auch: die Luzerner Fashiondesignerin Livia Naef. Wir besuchen sie an einem sonnigen Mai-Morgen in ihrem Atelier im Bruchquartier.

Naef öffnet uns die Tür – gekleidet in einem asymmetrischen, dunkelblauen und Kimono-artigen Wickelkleid. Es ist aus Bio-Baumwolle und Hanf. Und natürlich ist es ein Kleid, das Naef selbst entworfen hat. «Es ist eines meiner Lieblingsteile», sagt die 36-Jährige, als wir es uns in ihrem Atelier gemütlich machen. Sie trägt das Stück als Kleid – es funktioniert aber auch als Mantel. Es ist minimalistisch und schlicht. «Und doch trägt es meine Handschrift, meine Linienführung.»

Naef spricht gerne von «Wohlfühlkleidern». Mit Sneakern passen die Kleider zu einem Abstecher auf den Kinderspielplatz, mit schicken Schuhen zu einem eleganteren Anlass. Letztens habe eine Frau bei ihr sogar ein Kleid gekauft, dass sie für ihre Hochzeit tragen will.

Selber Mode zu schaffen, das war ihr Kindheitstraum

Naef hat sich erst vor kurzem als Modedesignerin selbständig gemacht. Zuvor arbeitete sie 15 Jahre lang im Büro, in der PR- und Kommunikationsbranche.

«Die Kleider, die ich in meinem Kopf selber entworfen habe, habe ich immer vor mir hängen sehen.»

«Aber die Kleider, die ich in meinem Kopf selber entworfen habe, habe ich immer vor mir hängen sehen», sagt Naef. Selber Kleider zu entwerfen, davon träumte sie schon als Mädchen. Doch erst mit 29 Jahren liess sie sich zur Fashion Assistant weiterbilden. Bis sie dann berufsbegleitend Mode Design in Zürich studiere.

Modelabel hat Naef mitten in der Pandemie gegründet

Immer wieder hat sie mit ihrem Lebenspartner über ihren Traum gesprochen, sich endlich ihrem eigenen Modelabel zu widmen. «Ich spürte immer mehr eine innere Unruhe. Dass ich es nicht mehr länger unterdrücken kann, einen Teil von mir, meine Kreativität, auszuleben.»

Im Februar 2020 entschied sich Naef dazu, sich ihren langersehnten Traum zu erfüllen: Sie gründete ihr eigenes Modelabel.

Zweifel hatte sie viele. Schliesslich hat sie mit ihrem Lebenspartner Herbert Zimmermann – der als Fotograf selbständig ist – einen kleinen Sohn. Der Schritt in die Selbständigkeit ist mit Risiken und Ängsten verbunden. Ängsten, die Existenz nicht decken zu können.

Nachhaltige Stoffe finden: eine Herkules-Aufgabe

Aber noch etwas ganz Anderes bereitete der jungen Luzernerin Kopfzerbrechen: Geht das überhaupt, nachhaltige Mode zu entwerfen? Und braucht's noch mehr Kleidung? «Jedes Mal, wenn ich ein neues Kleidungsstück entwerfe, komme ich wieder an denselben Punkt: Ich bin überfordert mit der Stoffauswahl», sagt Naef.

Eine besondere Herausforderung ist es, nachhaltige Stoffe zu finden. «Als Modedesignerin muss ich darauf vertrauen können, dass die Angaben der Produzenten stimmen.» Oftmals sei es ein Abwägen, ob nun beispielsweise eine als faire und umweltfreundlich produzierte Bio-Baumwolle nachhaltiger ist – oder ein Leinenstoff. Denn Leine sei per se nachhaltig, weil es viel weniger Wasser zur Produktion benötigt als eben Baumwolle.

Erst kommt der Stoff, dann das Design

Für ihre Kleider nutzt Naef ausschliesslich natürliche Materialien. Wie Leinen, Tencel, Bio-Baumwolle, Bio-Wolle und Hanf. Alle Stoffe sind biologisch abbaubar.

«Bevor ich also ein Kleid designe, schaue ich zuerst, was überhaupt da ist an Stoff.»

Für die Modedesignerin ist der Stoff wichtiger als das Modell. Beziehungsweise richtet sich Schnitt und Modell nach dem Stoff – und nicht etwa umgekehrt. «Bevor ich also ein Kleid designe, schaue ich zuerst, was überhaupt da ist an Stoff», sagt Naef. So brachte ihr eine ehemalige Studiumskollegin einen Wagen voll mit Leinen-Stoffen. Diesen haben sie beim Ausmisten im Estrich gefunden – ein Vorfahre war Stoffhändler. Die Schweizer Leinen-Stoffe sind über 100 Jahre alt.

Kleider werden mit Food Waste gefärbt

Aus alten Dingen Neues machen, darauf setzt Naef auch beim Färben ihrer Leinenkleider. Um die weissen Leinenstoffe farbiger zu machen setzt Naef nämlich auf Essensabfälle.

Avocados, Spinat, Heidelbeeren, Granatäpfel, Zwiebelschalen, Randen und Kurkuma: Naef experimentierte mit vielem. Avocadosteine färben die weissen Stoffe altrosa, Spinat zartgelbgrün, Kurkuma gelb.

«Es fasziniert mich zu sehen, wie den alten traditionsreichen Leinenstoffen neues Leben eingehaucht wird. Kleider zu kreieren, die eine Geschichte erzählen», sagt Naef.

Die Kleider werden in Kleinserien im Tessin genäht. Meistens in ein bis zwei Grössen. Naef legt die Schnitte so fest, dass sie unterschiedlichen Grössen passen – beim einen Körper sitzt das Kleid dann oversized, beim anderen ein wenig enger.

Teure aber natürliche Mode: Das braucht Aufklärungsarbeit

Nachhaltige Mode ist nicht billig. Für ein Kleid von Livia Naef muss man mit 460 Franken aufwärts rechnen. Die selbstgefärbten Kleider kosten um die 1500 Franken. «Das braucht jeweils viel Aufklärungsarbeit, warum das Kleid so viel kostet», so Naef. «Ich will Kleider entwerfen, die wertgeschätzt werden – und bei denen das Gegenüber versteht, warum es seinen Preis hat, wenn ich als Designerin nachhaltig produzieren und auch davon leben möchte.»

Mittlerweile gehören zu ihren Kundinnen 24-Jährige genauso wie 89-Jährige. Das freut Naef enorm. «Es ist cool zu wissen, dass dasselbe Kleid einer 24-Jährigen genauso gefällt wie einer 89-Jährigen. Dass ein Kleid das Potenzial hat, von einer Frau ihr ganzes Leben lang getragen zu werden – und vielleicht sogar noch weitergegeben wird.»

Wir brechen auf – denn Naef will noch Lebensmittel abholen. Heute steht wieder eine Färberei in der Vitznauer Hütte an. Mal schauen, welche Früchte und welches Gemüse Naef heute kriegt – und was daraus für eine Farbe entsteht.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Livia Naef
  • Website von Livia Naef
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