Fertig rausgetischt: Take-away muss Boulevardfläche räumen
Während der Pandemie durften Luzerner Beizen und Bars zusätzliche Aussenflächen wie Trottoirs und Parkplätze nutzen. Auch für dieses Jahr wollte die Stadt den Beizen die Möglichkeit gewähren. Jetzt muss ein Luzerner Take-away-Betreiber das Feld räumen – und ist bitter enttäuscht. Die Stadt sagt: 100 Betriebe können weiterhin raustischen – für neun Betriebe ist Schluss.
Statt Parkplätze und tristem Beton gabs Primitivo und Pizza: Weil in den Bars und Beizen Schutzmassnahmen und Abstandsregeln eingehalten werden mussten, durfte die Gastrobranche im Zuge der Corona-Pandemie Aussenflächen befristet umnutzen (zentralplus berichtete).
Die temporäre Nutzung von Boulevardflächen stiess auf Anklang. Deswegen wollte die Stadt das Angebot auch im neuen Jahr fortführen. Und das bis Ende Oktober (zentralplus berichtete). Das verkündete die Stadt jedenfalls im letzten Dezember.
Ganz anders klingt es jetzt – denn offenbar hat die Stadt ihre Meinung geändert. Wie die Schwester von Janosch Marini, der gemeinsam mit seiner Mutter das «Aurum» an der Bruchstrasse in Luzern betreibt, auf Facebook verkündet: Die Stadt Luzern vergibt den Verpflegungsständen – und dazu gehören auch kleine Cafés und Restaurants, die nicht grösser als 25 Quadratmeter sind – keine Bewilligung mehr für die Vergrösserung der Aussenfläche.
Corona-Massnahmen sind gefallen – Aussenflächen nicht mehr nötig?
Dazu postet sie das Schreiben, das bei Janosch Marini am Samstag ins Haus flatterte. Darin schreibt die Stadt, dass sie die Aussenboulevardflächen in Zeiten des gebeutelten Gastgewerbes während der Corona-Pandemie unbürokratisch bewilligte. Da der Bundesrat nun an seiner Sitzung vom Februar die Massnahmen grösstenteils aufgehoben hat, hätten die Beizen nun keine grösseren Einschränkungen mehr.
Gemäss der kantonalen Rechtsgrundlagen dürfen Verpflegungsstände – und dazu gehört auch das «Aurum» an der Bruchstrasse – maximal eine Gesamtfläche (innen und aussen) von 25 Quadratmeter bewirtschaften. Die Stadt schreibt weiter: «Wie uns die kantonale Gastgewerbe- und Gewerbepolizei des Kantons Luzern in den letzten Tagen mitteilte, können die befristeten Bewilligungen für Verpflegungsstände, welche die 25 Quadratmeter überschreiten, nicht mehr verlängert werden.» Was genau die Gründe sind, bleibt unklar.
Die Stadt kann jedenfalls die Boulevardflächenerweiterung nicht verlängern. Und sie bittet Marini, die Flächen bis am 21. März zu räumen.
Luzerner zeigt sich bitter enttäuscht
Janosch Marini zeigt sich auch am Sonntag noch bitter enttäuscht über das Schreiben, das er tags zuvor gelesen hat. Es ist dieser Richtungswechsel der Stadt, den er nicht nachvollziehen kann, wie er uns am Telefon sagt. «Vor drei Monaten hat die Stadt uns noch versprochen, dass wir die Aussenflächen weiterhin bewirtschaften dürfen», sagt Marini. «Wir haben uns gefreut und waren zuversichtlich, dass wir einen guten Sommer haben werden. Und dass wir dadurch, dass wir mehr Platz haben, die Verluste der letzten zwei Corona-Jahre vielleicht ein wenig kompensieren können.»
«Jeder Tisch mehr, den man rausstellen kann, ist Gold wert. Um nicht zu sagen: überlebenswichtig. Die Enttäuschung, jetzt von der Stadt zurückgescheut zu werden, ist gross.»
Janosch Marini
Daraus wird wohl nichts mehr. Für Marini ist das unverständlich: «Nur weil die meisten Restriktionen gefallen sind, bedeutet das nicht, dass alle Gastrobetriebe so wie vor Corona laufen. Viele Gastronomen werden sich noch längere Zeit von dem Rückschlag der letzten beiden Jahre erholen müssen.»
Stadt ordnet ein: 100 Gastrobetriebe dürfen weiterhin raustischen – für 9 Take-aways ist Schluss
Wie Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen, am späten Sonntagabend auf Anfrage schreibt, habe er Verständnis für die Enttäuschung des Take-away-Betreibers. «Um allfällige Missverständnisse auszuräumen, halten wir fest, dass die Stadt angesichts der angespannten Lage in der Gastronomie sehr wohl die Möglichkeit bietet, auch dieses Jahr erweiterte Aussenflächen zu nutzen», so Lütolf.
«Tatsächlich bleibt diese Möglichkeit nun aber neun als Verkaufsstand beziehungsweise Take-away klassierten Betrieben vorenthalten.»
Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen
Gemäss seinen Angaben können rund 100 Gastronomiebetriebe davon Gebrauch machen. Sie können sich für eine befristete Verlängerung bis Ende Oktober entscheiden oder eine dauerhaft angelegte Erweiterung prüfen lassen. «Tatsächlich bleibt diese Möglichkeit nun aber neun als Verkaufsstand beziehungsweise Take-away klassierten Betrieben vorenthalten», so Lütolf. Und eine davon ist eben das «Aurum». «Diese dürfen auf Basis der kantonalen Betriebsbewilligung und der Vorgabe der Gastgewerbe- und Gewerbepolizei wieder maximal nur 25 Quadratmeter bewirtschaften, was es uns nicht erlaubt, zusätzliche Aussenflächen – wie Parkplätze – zur Verfügung zu stellen.»
Gerade für Kleinbetriebe war die zusätzliche Fläche wichtig
Für Marini war die erweiterte Aussenfläche in den harzigen Zeiten «unglaublich» wichtig, wie er sagt. Zum einen aus wirtschaftlichen Gründen. «Ohne die Aussenfläche würde es das ‹Aurum› vermutlich nicht mehr geben.» Eine Fläche von 25 Quadratmetern sei doch relativ knapp. Umso knapper natürlich, wenn Marini in Zeiten von Corona noch weniger Gästen ein Getränk über die Theke reichen durfte.
«Dementsprechend ist jeder Tisch mehr, den man rausstellen kann, Gold wert. Um nicht zu sagen: überlebenswichtig. Die Enttäuschung, jetzt von der Stadt zurückgescheut zu werden, ist gross.»
Kämpferisch und doch müde
Marini hat schon viele Reaktionen gekriegt auf das Schreiben der Stadt. Auch von Gastronomen. Andere werden vermutlich erst morgen das Schreiben lesen.
Auch wenn Marini den Kopf nicht in den Sand stecken will: sich dagegen aufzulehnen kostet Energie. «Wir haben vor eineinhalb Jahren schon eine Initiative lanciert, dass Gastrobetriebe in der Stadt auch nach Corona Aussenflächen saisonal nutzen dürfen», so Marini. Was daraus wurde? «Vermutlich irgendwo versandet.»
Hinweis: Die Stellungnahme der Stadt wurde nach Publikation ergänzt. Zudem wurde die Zahl der Kleinbetriebe auf neun korrigiert. Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen, hat sich montags noch einmal mit aktuelleren Zahlen gemeldet.
- Facebook-Post
- Schreiben der Stadt Luzern
- Telefonat mit Janosch Marini
- Schriftlicher Austausch mit Mario Lütolf