Nachwuchsproblem in der Branche

Diese jungen Luzerner bleiben der Gastronomie treu

Die Gastronomie hat ein Nachwuchsproblem. Ein Problem, das die Pandemie noch verstärkt hat. Woran liegt das? Und was hält junge Servicefachkräfte derzeit noch im Beruf? Wir haben in Luzern nachgefragt.

Die Corona-Pandemie hat die Luzerner Gastronomie sinnbildlich bei den Schultern gepackt und mit aller Kraft durchgeschüttelt. Und vielleicht noch ein paar saftige Ohrfeigen verteilt. Das Resultat: eine Branche, in der einige Unsicherheit herrscht – und die Probleme hat mit dem Nachwuchs.

Mit Personalmangel kämpft die Branche schon seit längerem (zentralplus berichtete). Das hat Branchenverbände dazu veranlasst, Gratis-Kurse für Quereinsteiger anzubieten (zentralplus berichtete). Was motiviert junge Leute heutzutage, sich für einen Job in der Gastronomie zu bewerben? Haben sie Existenzängste oder bereuen sie gar ihren Entscheid? Wir haben uns in Luzern umgehört und mit drei Serviceangestellten gesprochen.

Luzerner Gastronomie braucht Nachwuchs

Unser erstes Gespräch führt uns ins Restaurant Bolero am Bundesplatz. Hier treffen wir auf Linda Sadiki (20) und Gian Matter (18). Während Sadiki die Ausbildung als Hotelfachfrau bereits abgeschlossen hat, befindet sich Matter noch im dritten Lehrjahr zum Restaurantfachmann. Beide arbeiten derzeit im Service, sind dafür zuständig, die Gäste sowohl im Restaurant als auch an der Bar zu bedienen und für Ordnung auf den Tischen zu sorgen.

«Ein Lehrer hat mir empfohlen, mich für eine Stelle in der Gastro zu bewerben.»

Linda Sadiki, Serviceangestellte im Restaurant Bolero

Sowohl Gian Matter als auch Linda Sadiki sind über die Schule in die Gastronomie gekommen. «Ich wusste nicht so recht, was ich machen sollte», erinnert sich Sadiki. «Ein Lehrer hat mir dann empfohlen, mich für eine Stelle in der Gastro zu bewerben.» Seit Sommer 2017 arbeitet sie im «Bolero» und ist der Branche treu geblieben. Und will das auch weiterhin bleiben. Trotz Corona.

Gian Matter hat während der Schulzeit diverse Schnupperpraktika absolviert und blieb ebenfalls bei der Luzerner Gastronomie hängen. Aus zwei Gründen. «In meiner Freizeit spiele ich gerne Handball. Ich bin jemand, der viel Bewegung braucht – und die kriege ich hier definitiv. Ausserdem war mir wichtig, einen Job zu haben, bei dem ich viel Kontakt mit Menschen habe.»

Die Krux mit der Arbeitszeit

Aber wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten. Sonst wäre das Nachwuchsproblem wohl nicht existent. Die beiden «Bolero»-Youngsters nennen uns den grossen Knackpunkt: die Arbeitszeiten. Uns interessiert, ob in anderen Betrieben eine ähnliche Antwort kommt. Dazu besuchen wir das Hotel Schweizerhof Luzern auf der gegenüberliegenden Stadtseite, wo uns Alexander Widmer (21) empfängt. Wie Gian Matter ist auch er im dritten Lehrjahr und wird voraussichtlich diesen Sommer abschliessen. Wir stellen ihm dieselbe Frage.

«Man muss sich bewusst sein, dass man nicht jedes Wochenende mit seinen Freunden auf eine Party kann.»

Gian Matter, Lehrling im Restaurant Bolero

Die Antwort ist exakt dieselbe wie bei seinen Kollegen vom anderen Reussufer. «Für viele sind wohl die unregelmässigen Arbeitszeiten ein Problem.» Oft arbeite man bis elf Uhr nachts. Oder noch später. An anderen Tagen gibt es eine mehrstündige Pause am Nachmittag, die sogenannte Zimmerstunde. Zwar könne man die verschieden nutzen, beispielsweise mit einem Kinobesuch oder einer Schwimmeinlage im See. Aber so wirklich Feierabend ist das trotzdem nicht.

Gian Matter vom «Bolero» hat sich erst an die Arbeitszeiten gewöhnen müssen. «Ich hatte anfangs Mühe damit, weil ich in einem Alter bin, in dem man gerne in den Ausgang gehen möchte.» Letztlich sei es aber reine Gewöhnungssache. «Man muss sich bewusst sein, dass man nicht jedes Wochenende mit seinen Freunden auf eine Party kann.» Linda Sadiki ergänzt: «Das gehört zu unserem Beruf schlicht dazu.» Alexander Widmer sieht darin nicht nur einen Nachteil: «Mir persönlich gefällt es, abends an der Bar zu stehen, wenn so richtig was läuft.»

Corona bremst den Nachwuchs in der Luzerner Gastronomie

In den vergangenen beiden Pandemiejahren lief aber vielerorts nicht mehr viel. Die erste Vollbremsung erfolgte im Frühjahr 2020, als der Lockdown ausgerufen wurde. Da gingen den drei Service-Angestellten durchaus verschiedene Fragen durch den Kopf. Gian Matter beispielsweise sorgte sich, wegen dem geschlossenen Betrieb zu wenig Erfahrung für die Abschlussprüfungen zu sammeln. Heute ist er sich aber sicher: «Wir konnten den Stoff gut aufholen.»

Einen Corona-Stillstand gab es bei Alexander Widmer im Luzerner Schweizerhof hingegen nicht. «Wir haben den Lockdown genutzt, um verschiedene Betriebe anzuschauen und Einblicke in andere Bereiche unserer Branche zu bekommen.» So hat er beispielsweise das Weingut Sigrist in Meggen und die Kaffeerösterei Hochstrasser in Littau besucht.

Der Gedanke eines Branchenwechsels war da

Die Branche zu wechseln, haben sich die drei zwar überlegt, jedoch nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. «Ich habe mir schon die Frage gestellt, wie die Branche in Zukunft aussehen wird», sagt Linda Sadiki. «Aber ich werde in der Gastronomie bleiben, solange es Jobs gibt.» Widmer findet: «Wenn ich mich zwischen einem Büro-Job und der Gastronomie entscheiden müsste, würde ich wieder die Gastronomie wählen», sagt der 21-Jährige, der seine Lehre als Hochbauzeichner zugunsten der Restaurant-Branche wechselte.

Trotzdem sind sich die drei Lernenden bewusst, dass die Gastronomie bisweilen auch einen eher negativen Ruf hat. «Das Problem ist, dass bei unserer Branche oft eher die Schattenseiten des Berufs hervorgehoben werden», vermutet Gian Matter. Dabei gebe es viel Schönes. «Man hat immer mit neuen Menschen zu tun. Daraus entwickeln sich spannende Gespräche und Bekanntschaften.»

«Man sollte nicht nur des Geldes wegen arbeiten.»

Alexander Widmer, Lehrling Hotel Schweizerhof Luzern

Ähnlich klingt es bei Alexander Widmer: «Die Arbeit mit den Gästen macht sehr viel Spass. Kein Tag ist wie der andere. Und Langeweile kommt nie auf.» Manchmal nehmen auch Begegnungen mit eher schwierigen Gästen ein schönes Ende. Und gutes Gästefeedback motiviere zusätzlich. Besonders jetzt, in dieser nicht ganz einfachen Zeit.

Eine weitere Sonnenseite ist gemäss Linda Sadiki das familiäre Verhältnis im Team. «Gian kenne ich jetzt seit drei Jahren. Er ist wie ein Bruder für mich. Wir kennen unsere guten und unsere schlechten Seiten und können uns auch gegenseitig motivieren, wenn einer einen schlechten Tag haben sollte.»

Die Gastronomie ist keine Frage des Geldes

Nebst der Arbeitszeit wird auch häufig die Entlöhnung kritisiert. Gemäss Salarium, dem Lohnrechner vom Bundesamt für Statistik, verdient eine Servicekraft im Vollzeitpensum im Schnitt rund 3'900 Franken pro Monat (für 13 Monatslöhne). «Man sollte nicht nur des Geldes wegen arbeiten», findet Alexander Widmer. «Im Service kriegt man ausserdem noch Trinkgeld und falls es doch eng werden sollte, hat man auch viele Möglichkeiten für eine Zusatzausbildung.»

Wenn es nicht wegen des Geldes oder den Arbeitszeiten ist, warum hat die Branche denn ein Nachwuchsproblem? Linda Sadiki: «Ich kann mir vorstellen, dass Junge sich heute zweimal überlegen, ob sie in die Branche einsteigen wollen. Die Situation ist ja nach wie vor eher unsicher.» Das Interesse sei trotzdem vorhanden. «Wir haben viele Schnupperlehrlinge hier, aber ob sie die Stelle dann später auch annehmen werden, ist eine andere Frage.»

Alexander Widmer hofft darauf, dass die Branche bei den Jungen wieder beliebter wird. «Für Leute, die sich gerne mit Essen, Trinken und Menschen befassen, ist es etwas vom Besten, was man tun kann.» Abschliessend sagt er: «Ich finde, die Gastronomie ist ideal für junge Leute.» Er selbst wird ihr jedenfalls treu bleiben. In naher Zukunft sieht er sich mit einer abgeschlossenen Lehre «irgendwo auf der Welt». Wahrscheinlich in einem schönen, grossen Hotel.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Gian Matter und Linda Sadiki, Service-Angestellte Restaurant Bolero
  • Interview mit Alexander Widmer, Service-Angestellter Hotel Schweizerhof
  • Mail-Verkehr mit Ursina Ponti, Leiterin Gastronomie Hotel Schweizerhof
  • Mail-Verkehr mit Olga Stalder, Direktionsassistentin Restaurant Bolero
  • Lohnrechner vom Bundesamt für Statistik
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Remo
    Remo, 02.02.2022, 22:07 Uhr

    3900 Fr. für eine Vollzeitanstellung im Service? Ernsthaft? Und nein das Trinkgeld ist seit 1974 inbegriffen. Eigentlich. Nur haben das alle vergessen.

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  • Profilfoto von Remo
    Remo, 02.02.2022, 22:05 Uhr

    Nun ja. Was erwartet die Gastronomie denn? Unattraktive Arbeitszeiten und lausiger Lohn machen das Gastgewerbe nicht attraktiv. Wer will schon nur noch fürs Geschäft leben?

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