Zuger sind in Entrümpelungslaune

Die Brockis platzen aus allen Nähten – wegen einer Netflix-Serie?

Seit Ende Dezember flimmert sie über viele  Schweizer Bildschirme: Die japanische Profi-Aufräumerin Marie Kondo.

(Bild: Montage: Screenshot Netflix/ wia)

Eigentlich ist der Januar in den Brockenhäusern ein ruhiger Monat. Nicht so dieses Jahr. Beim Brocki der Zuger Frauenzentrale läuft es derzeit wie verrückt. Grund dafür dürfte eine winzige Japanerin sein, die mittels Netflix-Serie offensichtlich auch die hiesigen Kleiderschränke «zunderobsi» macht.

Und plötzlich wird Aufräumen zum Hobby. Zum Zen-Moment. Zum Familienspass. Seit der Netflix-Sendung «Aufräumen mit Marie Kondo» ist auch in den Zuger Schlafzimmern nichts mehr, wie es vorher war. Dreckige Socken den Boden zierend, Halbschmutziges lieblos auf dem Stuhl verteilt, das behelfsmässig zusammengewurstelte Fixleintuch sieht aus wie ein vom Hund zerfleischtes Wienerli? Alles passé, seit wir gesehen haben, wie Marie Kondo in amerikanische Haushalte tritt und jeden noch so grossen Messie zum Aufräumkönig umerzieht.

Die Menschheit faltet also, was das Zeug hält. Ob T-Shirt, Hose oder Unterhose, alles wird geschätzt 32 Mal geknickt, so klein gemacht, dass alle Pullis zusammen in eine Streichholzschachtel passen. Zu Marie Kondos Philosophie gehört jedoch noch viel mehr. Unser Leben soll entrümpelt werden, weg mit allem, das uns unfroh macht, ab in die Kleidersammlung damit, weg, ins Brocki.

Tatsächlich habe man im Zuger Brocki in den letzten Monaten eine Veränderung gespürt, bestätigt Christine Langhans, die Leiterin des Brockenhauses. «Normalerweise ist es bei uns im Januar sehr ruhig. Doch haben mir meine Mitarbeiterinnen bestätigt, dass derzeit bedeutend mehr Ware abgegeben wird als sonst Anfang Jahr», so Langhans. «Die Leute sind am Entrümpeln wie wahnsinnig.»

Nicht nur Kleider, auch Haushaltssachen werden vermehrt abgegeben

Das betreffe nicht nur Kleider. Auch Haushaltssachen würden aktuell mehr abgegeben. Und dies, obwohl kürzlich Ferienzeit war und dazu noch sonniges Wetter. «Generell sind wir froh, dass vieles bei uns abgegeben wird und dies ein Beitrag zum Umweltschutz ist.» Mit der grossen Menge an Sachen umzugehen, sei aber nicht immer einfach. «Unsere Räumlichkeiten im Brockenhaus sind beschränkt. Entsprechend müssen wir relativ stark selektionieren, welche Artikel wir behalten», sagt Langhans.

«Ich kann mir gut vorstellen, dass die Sendung einen Einfluss auf die Leute hat.»

Christine Langhans, Leiterin Brocki Zug

Und sie führt aus: «Wenn nun an einem stark frequentierten Samstag säckeweise Textilien angeliefert werden, können wir unmöglich alles genau durchschauen, und unsere Mitarbeiterinnen müssen auch den einen oder anderen TexAid-Sack füllen.»

Häufig geben Zuger neuwertige Markenkleider ab

Das Brocki in Zug habe ein grosses Privileg: «Häufig sind die Kleider von sehr guter Qualität und die Leute geben auch oft ihre neuwertigen Markenkleider bei uns ab.» Christine Langhans kennt zwar selber die Netflix-Serie «Aufräumen mit Marie Kondo» nicht. Dennoch sagt sie: «Ich kann mir gut vorstellen, dass die Sendung einen Einfluss auf die Leute hat.» Und sie fährt fort: «Die ZDF-Sendung ‹Bares für Rares› etwa hat wohl einige Leute dazu animiert, ins Brockenhaus zu gehen.»

Ob im Januar grössere Kleidermengen als gewöhnlich abgegeben wurden, kann man bei Texaid nicht bestätigen. Monatliche Sammelmengen kommuniziere man nicht, da sich diese oft auch etwas verschieben könnten, so lautet die Antwort auf unsere Anfrage. Falle ein Herbst besonders warm aus, würden etwa Sommerkleider später aussortiert als in kühleren Jahren.

Andere Brockis spüren gar nichts

Jedoch nicht alle Zuger Brockenhäuser werden derzeit von Entrümpelungswütigen überrannt. Beim Brockenhaus Helvetia in Baar etwa ist von Hektik keine Spur. «Der Jahresanfang war bei uns so ruhig wie noch nie», betont der Geschäftsleiter Bruno Durrer gar.

Ein Grund könnte sein, dass das Brockenhaus Helvetia seit dem Umzug von Steinhausen nach Baar vor bald drei Jahren keine Kleider mehr im Sortiment führt. «Wir haben heute nur noch einen Drittel des vorherigen Platzes. Ausserdem wurden Kleider früher fast mehr geklaut als gekauft, darum lassen wir es bleiben», sagt Durrer. So habe er am neuen Standort auch kaum mehr mit Ladendieben zu tun.

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