Nach einem halben Jahr bereits mehrere Rücktritte – was soll das?
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Die Luzerner Bevölkerung wählte ihren Kantonsrat im April dieses Jahres neu. Ein halbes Jahr später sind bereits vier Kantonsrätinnen nicht mehr im Amt, ein anderer hat die Partei gewechselt. So verlieren Wähler das Vertrauen in die Demokratie. Ein Kommentar.
Am 2. April fanden die Luzerner Kantonsratswahlen statt. 120 Politiker freuten sich, dass sie den Kanton künftig im Parlament mitgestalten können. Doch jetzt, ein halbes Jahr später, sind vier dieser 120 Kantonsratsmitglieder bereits nicht mehr im Amt. Es begann mit der Mitte-Politikerin Andrea Hocher, die am 2. April neu gewählt wurde. Die Horwerin trat ihr Amt gar nicht erst an, sie verzichtete kurz nach den Wahlen aus beruflichen Gründen, wie die Partei mitteilte (zentralplus berichtete).
Vor etwas mehr als einem Monat gab die SP-Fraktion des Luzerner Kantonsrats bekannt, dass zwei ihrer wiedergewählten Kantonsrätinnen zurücktreten. Stephanie Sager zog sich aus familiären, Meta Lehmann aus beruflichen Gründen zurück (zentralplus berichtete). Letztere war im September 2020 nachgerückt, Sager im Mai 2021. Eine lange Kantonsratskarriere sieht anders aus.
Ein schlechter Scherz
Und nun tritt die nächste Kantonsrätin zurück. Dieses Mal handelt es sich um Grüne-Politikerin Bärbel Horat aus Kriens. «Sie will sich auf ihre Arbeit als Hebamme fokussieren», teilt die Partei in einem am Montag verschickten Schreiben mit. Horat rückte im Juni 2022 als Nachfolgerin von Maurus Frey in den Kantonsrat nach. Ihre Nachfolgerin wird Sabine Heselhaus aus Adligenswil.
Die vier Frauen leisten der Demokratie einen Bärendienst. Für einen abtretenden Kantonsrat ins Parlament nachrücken und später zurücktreten ist das eine. Es kann ja sein, dass sich die persönliche Situation einige Jahre nach den letzten Kantonsratswahlen verändert hat. Aber sich erneut aufstellen lassen, wiedergewählt werden und so kurz danach zurücktreten – wir sprechen wie gesagt von einem halben Jahr –, ist ein schlechter Scherz.
Man sollte sich der Tragweite bewusst sein
Hinzu kommt, dass auch die Luzerner Einwohnerräte mit Rücktritten zu kämpfen haben, wie zentralplus berichtete. In den Parlamenten von Emmen und Kriens sind in der laufenden Legislatur bereits mehr oder ähnlich viele Personen zurückgetreten wie in den beendeten Legislaturen zuvor.
Natürlich kann es mal vorkommen, dass unvorhergesehene Veränderungen im privaten oder beruflichen Umfeld einen solchen Schritt nötig machen. Aber diese Häufungen in den vergangenen Monaten sind zu viel. Wenn man sich für ein Amt zur Verfügung stellt, sollte man sich der Tragweite bewusst sein und den Wählerauftrag nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Rücktritt aus der Partei ist kaum besser
Nicht viel besser ist hier übrigens das Verhalten von Urban Frye, der als Grüne-Kantonsrat wiedergewählt wurde, aber wenige Monate später entschied, aus der Partei auszutreten, weil sie ihm nicht mehr passte (zentralplus berichtete). Ein ähnlicher Fall ereignete sich im Februar nach den Zürcher Kantonsratswahlen. Die wiedergewählte GLP-Kantonsrätin Isabel Garcia verkündete keine zwei Wochen nach den Wahlen ihren Wechsel zur FDP. Der Freisinn gewann so gratis einen Sitz. Die «Klimaallianz» mit SP, GLP, Grünen, EVP und AL verlor ihre hauchdünne Mehrheit.
Dass sich manch ein Wähler ob solchem Verhalten hinters Licht geführt fühlt, ist verständlich. Zu beachten gilt für die zurücktretenden und wechsellustigen Kantonsrätinnen zudem, dass mit jedem Wechsel auch ein Verlust von Fachwissen einhergeht. Neue Parlamentarier müssen sich einlesen und einarbeiten, was Zeit erfordert. Sie können nicht von Beginn weg dossiersicher sein.
Ebenso ist der Wähleranteil in unseren Gefilden nicht gerade hoch. Solche Aktionen stärken den Glauben an die Demokratie keineswegs. Ein verstärktes Schulterzucken in der Bevölkerung, wenn sie wieder an die Urne gebeten wird, kann daher kaum verwundern. Darum muss für Kandidaten gelten: Überlegt es euch gut, ob ihr das Amt übernehmen möchtet und könnt, falls ihr denn gewählt werden solltet. Bei Bedenken lässt man es lieber von Anfang an sein. Das wäre ehrlicher.
- Medienmitteilung der Grünen
- Medienarchiv zentralplus
- Artikel in der «NZZ»