Der Luzerner Kantonsrat Urban Frye gehört nicht mehr der Grüne-Fraktion an. Nach den Vorwürfen Fryes spricht nun der Co-Präsident der Kantonalpartei – und wirft ihm Respektlosigkeit vor.
Urban Frye ist per sofort nicht mehr Mitglied der Luzerner Grünen. Der Kantonsrat, der seit 2017 für die Partei im Kantonsrat politisiert, gab in einem Interview mit der «Luzerner Zeitung» am vergangenen Samstag seinen sofortigen Austritt bekannt (zentralplus berichtete). Dabei sparte er nicht mit Kritik.
Vor allem wirft er den Grünen – sowohl der nationalen als auch kantonalen Partei – vor, die Bedeutung des Ukraine-Kriegs nicht erkannt zu haben. Frye engagiert sich seit dem Ausbruch des Kriegs stark für ukrainische Flüchtlinge und begab sich auch selber ins Land. Frye findet, die Grünen sprächen der Ukraine faktisch das Recht zur Selbstverteidigung ab, indem sie Waffenexporte verweigerten.
Co-Präsident ist wütend
Fryes Austritt und das Interview dazu erwischten die Luzerner Grünen augenscheinlich auf dem falschen Fuss. Die Partei meldete sich am Samstagabend mittels Medienmitteilung. Darin gibt sie ihr Bedauern bekannt. Nun präzisiert Hannes Koch, Co-Präsident der Kantonalpartei, auf Anfrage von zentralplus: «Wir waren überrascht von seinem unangemeldeten Austritt.»
Koch habe durch das Interview vom Austritt erfahren. Dieses Vorgehen Fryes verstehe er nicht. «Ich bin konsterniert, enttäuscht und auch wütend, dass Urban Frye sich nicht zuerst mit uns in Verbindung setzte. Ich finde sein Vorgehen unangemessen und respektlos uns gegenüber. Die Fraktionsmitglieder empfinden genauso.»
«Er hat seither nicht einmal mit uns gesprochen, so nimmt er beispielsweise meine Anrufe nicht entgegen.»
Hannes Koch, Co-Präsident der Grünen Kanton Luzern
Hannes Koch, der selber seit 2018 im Kantonsrat politisiert, ergänzt: «Dass er austritt, ist sein gutes Recht.» Doch hätte er erwartet, dass Urban Frye vor einem allfälligen Austritt nochmals mit seinen Fraktionskollegen oder der Parteileitung das Gespräch suchen würde. «Das hat er aber nicht. Und nun stellt er uns via Medien vor vollendete Tatsachen. Das macht man nicht. Er hat seither nicht einmal mit uns gesprochen, so nimmt er beispielsweise meine Anrufe nicht entgegen.»
Unzufriedenheit sei klar gewesen
Koch erklärt, der Austritt selber sei nicht ganz überraschend gewesen. Bereits an der konstituierenden Fraktionssitzung nach den Kantonsratswahlen im April habe Frye gesagt, er könne wegen seines Engagements für ukrainische Flüchtlinge keine Fraktionsarbeit mehr übernehmen. Das habe die Fraktion soweit unterstützt und die Arbeit auf die anderen Mitglieder verteilt. Zudem sei seine Unzufriedenheit mit den Standpunkten der Grünen zum Ukraine-Krieg klar gewesen. «Wir haben mit ihm mehrmals darüber diskutiert.»
Der Co-Präsident der Grünen sagt, Frye hätte die Möglichkeit gehabt, mit ein paar wenigen weiteren Parteimitgliedern eine Mitgliederversammlung einzuberufen, um die Standpunkte der Grünen zu diskutieren. «Auch das hat er nicht gemacht.»
Zu den weiteren Vorwürfen Urban Fryes, beispielsweise, dass Links-Grün «blindlings Feindbilder befeuert» oder ihr zuweilen der Sinn für die Realität fehle, will Koch keine Stellung nehmen. Auf die Frage, ob die Partei rückblickend etwas falsch gemacht habe oder man heute im Umgang mit Frye etwas anders machen würde, sagt Koch, wenn jemand ohne Vorankündigung austrete, bleibe das eine theoretische Frage.
Grünliberale wollen mit Frye über Beitritt diskutieren
Urban Frye erwähnte im Interview mit der «LZ», sein mittelfristiges Ziel sei es, sich einer Kantonsratsfraktion anzuschliessen. Die GLP oder die Mitte seien Optionen.
Claudia Huser, Fraktionspräsidentin der Grünliberalen, sagt auf Anfrage, Urban Frye habe am Sonntag Kontakt mit ihr aufgenommen und um ein entsprechendes Gespräch gebeten, was nun geplant werde. «Die Fraktion wird dann über einen Beitritt entscheiden.» Zentral sei, dass Frye bei den für die GLP wichtigsten Themen Ökologie und Wirtschaftspolitik dieselbe Meinung vertrete.
«Ich bin eher skeptisch, ob wir einen gemeinsamen Nenner für die politische Zusammenarbeit finden würden.»
Adrian Nussbaum, Fraktionspräsident Mitte Kanton Luzern
Mitte-Fraktionspräsident Adrian Nussbaum sagt, die Partei sei «offen für ein Gespräch». Grundsätzlich freue er sich, dass die Mitte attraktiv sei für Personen, denen der Einsatz gegen Fussballchaoten oder ständig steigende Krankenkassenprämien wichtig sei. Man habe Gemeinsamkeiten im Einsatz für erneuerbare Energien oder in der Solidarität mit Flüchtlingen aus der Ukraine. «In anderen wichtigen Punkten, wie zum Beispiel der kantonalen Steuer- und Finanzpolitik, haben wir aber auch erhebliche Differenzen. Ich bin eher skeptisch, ob wir einen gemeinsamen Nenner für die politische Zusammenarbeit finden würden.»
Urban Frye antwortete auf eine Kontaktaufnahme von zentralplus nicht.
- Telefonat mit Hannes Koch, Co-Präsident der Grünen Kanton Luzern
- Schriftlicher Austausch mit Claudia Huser, Fraktionspräsidentin GLP Kanton Luzern
- Schriftlicher Austausch mit Adrian Nussbaum, Fraktionspräsident Mitte Kanton Luzern
- Schriftliche Anfrage an Urban Frye
- Interview in der «Luzerner Zeitung»