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Deshalb brauchen wir sie so dringend

Grosseltern: der meist unterschätzte Hütedienst

Der grosselterliche Hütedienst ist alles andere als selbstverständlich, insbesondere der unbezahlte. (Bild: pexels/Nicole Michalou)

Kinder zu zeugen, ist relativ einfach – sie grosszuziehen hingegen wesentlich schwieriger. Ein afrikanisches Sprichwort besagt, dass es dazu ein ganzes Dorf braucht. Und dieses Dorf beginne bereits bei den Grosseltern, findet Elternbloggerin Marjana Ensmenger.

Jedes dritte Kind im Alter zwischen 0 und 12 Jahren wird regelmässig von den Grosseltern betreut, hat das Bundesamt für Statistik ermittelt. Es lohnt sich, wenn diese Zahl etwas genauer angeschaut wird.

Gemäss einer von der Sotomo durchgeführten Generationenumfrage wurden dafür verschiedene Gründe genannt. Von finanziellen Gründen der Eltern, die sich keine andere Betreuung leisten können, und dem Wunsch, eine Beziehung mit den Enkelkindern aufzubauen, bis hin zu der Ansicht der Grosseltern, die Betreuung sollte nach wie vor eine private Angelegenheit bleiben.

Kinder – Human Resources für die Zukunft

Frappant und mehr als verständlich finde ich die Ansicht, dass eine grosse Mehrheit des befragten Generationen-Barometers (65 Prozent!) der Meinung ist, der Staat sollte das Enkelhüten vergüten. So wie es beispielsweise in skandinavischen Ländern längst Usus ist. Nach wie vor hinken wir in dieser Thematik hinsichtlich Schweizer Familienpolitik jedoch hinterher.

Richtiger wären Betreuungsgutschriften für die AHV oder Steuererleichterungen. Fakt ist nämlich, dass das Heranziehen der nächsten Generation gesamtgesellschaftlich von Nutzen ist. Schliesslich bilden wir die nächste Generation an Human Resources – menschlichen Ressourcen – aus. Ja, das klingt tatsächlich völlig abgedroschen, entspricht aber der Wahrheit.

Denn Tatsache ist, dass jedes Kind, das eine geeignete Betreuung von seinem Umfeld erfährt, später auch einen wesentlichen wirtschaftlichen Nutzen für die Gesellschaft bietet – insofern es nicht auf dem Sozialamt landet. Klingt unromantisch, ist es auch.

Ein wertvoller Beitrag

Und hier kommen die grosselterlichen Hütedienste ins Spiel. Grosseltern leisten einen wertvollen Beitrag dazu, damit beide Elternteile arbeiten gehen können. Obwohl die Studie aufzeigt, dass ein Drittel der Befragten – darunter waren vor allem ältere Befragte – keine Entschädigung für die Enkelbetreuung in Erwägung zieht. Es seien vor allem ältere Eltern, die eine Gratisbetreuung von den Grosseltern erwarten, wenn es um die eigenen Kinder geht. Hier würde es mich allerdings interessieren, ab wann Grosseltern und Eltern als «älter» gelten.

Auch in meinem Umfeld bin ich dieser Diskussion mehrfach begegnet. Und ich muss zugeben, meine Meinung diesbezüglich ist geteilt. Ich habe mich gefragt, welche gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen dazu führen könnten, wonach vor allem ältere Eltern der Ansicht sind, ein Hütedienst der Kinder sollte nichts kosten. Hier müsste man vielleicht wirklich tiefer graben – und mitberücksichtigen, dass es möglicherweise im Selbstverständnis der Schweizer Historie selbst liegt, den Individualismus derart zu fördern, dass kaum Kollektivismus Platz darin hat.

Deshalb betreuen meine Eltern unsere Tochter

Ich bin selbständig, das heisst, ich kann mir die Zeit mit meiner Tochter relativ gut selbst einteilen. Hie und da muss aber auch meine Mutter als Betreuerin einspringen, damit ich Interviewtermine wahrnehmen kann. Auch wenn das nur wenige Stunden sind, bin ich trotzdem froh, dass ich meine Tochter dafür nicht extra in eine Kita bringen muss. Denn Kitas haben – davon können junge Eltern ein Lied singen – den Ruf, als Krankheitsschleudern zu gelten.

Bei mir gibt es aber noch einen weiteren Grund, weshalb ich es vorziehe, den Hütedienst meiner Eltern zu nutzen. Ich weiss, dass meine Tochter dort am besten aufgehoben ist. Allein mit Wertschätzung ist es aber nicht getan – das ist zumindest meine Meinung. Doch dazu später mehr. Mediensprecher der Pro Senectute, der Fachorganisation für das Alter, ist da etwas anderer Meinung.

Die Resultate des oben erwähnten Generationen-Barometers decken sich mit den Beobachtungen von Pro Senectute. Er sei erstaunt darüber gewesen, dass eine derart hohe Anzahl eine Vergütung für die Betreuung der Enkelkinder möchte. Es ginge doch um Wertschätzung, und diese könne man nicht mit Finanzierung verwechseln. Als ich diesen Satz gelesen habe, wühlte mich das innerlich auf – aus mehreren Gründen.

Monetäre Zustüpfe sind dringend nötig

Es ist relativ einfach zu behaupten, Wertschätzung werde mit Finanzierung verwechselt. Meiner Meinung nach müssen die Fälle hier zwingend individuell betrachtet werden. Wir leben in einer Zeit, in welcher das Leben teurer wird. Krankenkassenprämien steigen, Lebensmittel werden teurer, finanzielle Anreize gibt es im Alter wenige. Das merken die älteren Generationen.

Deshalb finde ich es vollkommen normal, wenn sie für die Betreuung ebenfalls etwas verlangen. Und das hat übrigens überhaupt nichts damit zu tun, dass die Grosseltern die Betreuung nicht gerne machen würden. Sie sind aber eben auch auf einen finanziellen Zustupf im Alter angewiesen. So antworten übrigens ebenso zahlreiche Studienteilnehmende.

Wie sich Wertschätzung zeigen kann

Auch wenn wir meine Eltern finanziell (vorerst) nicht mit einem Geldbetrag unterstützen, so versuchen wir wenigstens, sie immer mal wieder zu einem Kaffee, einem Abendessen oder anderen Aktivitäten einzuladen. Das ist nämlich das Mindeste an finanzieller Unterstützung, das wir leisten können!

Unterstützung kann auch andere Formen annehmen. Aber diese Formen existieren in der Regel nur in Familien und nicht im Sozialstaat. Von staatlicher Seite sind monetäre Zustüpfe wertvoller – in welcher Form auch immer.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hans-Jörg Thormann
    Hans-Jörg Thormann, 08.01.2024, 12:22 Uhr

    Finde ihren Beitrag gut, habe bisher das Thema Entlohnung für Betreuung noch nie in Betracht gezogen und lehne es von Grund auf ab, da es für mich eine Selbstverständlichkeit ist zu helfen, die Enkel betreuen zu dürfen, starker Vertrauensbeweis, und nicht nur zur Verfügung zu stehen, wenn man gebraucht wird sondern man erfährt häufig eine Belohnung direkt von den Enkeln durch unverfälschte Zuneigung und Anerkennung. Ich bin mehrfach ehrenamtlich mit anderen Themen beschäftigt, die mir auch sehr viel bedeuten noch im Alter von 81 Jahren gebraucht zu werden, aber die Enkelbetreuung im allgemeinen 1x die Woche ist auch noch einmal «jung zu sein». Es tut mir gut und eine Bezahlung empfinden ich fast unanständig und als Entwertung des Vertrauens. Nein, niemals mit mir.

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  • Profilfoto von Libero
    Libero, 07.01.2024, 16:16 Uhr

    Ein guter Bericht!
    Es ist ein Geben
    – Zeit für die Familie einsetzen, die Enkel begleiten und kennenlernen dürfen – und nehmen
    – am Aufwachsen und Leben der Grosskinder aktiv teilnehmen –
    Das Entgelten hängt von
    – den jeweiligen finanziellen Verhältnissen und dem Weg der Grosseltern zum Wohnort der Kinder ab;
    – auch der Wertschätzung der jungen Eltern, die davon profitieren.
    Das wichtigste ist, dass Enkel und Grosseltern die gemeinsame Zeit mit Freude erleben.

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