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Unermüdliche Kämpferin für das Frauenstimmrecht

Margrit Liniger-Imfeld: Ikone der Luzerner Frauenbewegung

Margrit Liniger Imfeld (rechts) kämpfte für das Frauenstimmrecht. Auf dem Bild von 1979 sind ausserdem die Rechtsanwältin Margrit Meyer-Baumgartner und Walter Horcher, damaliger Rektor der Primarschulen Stadt Luzern zu sehen. (Bild: Stadtarchiv Luzern, F2a/PORTRÄTS/EINZEL/731:01)

Über fünf Jahrzehnte setzte sich Margrit Liniger-Imfeld für die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern ein. Dies machte sie zu einer unersetzbaren Person der Luzerner Frauenbewegung. So gründete die überzeugende Rednerin die noch heute existierende Frauenzentrale mit.

Früh erlitt Margrit Liniger-Imfeld ihren ersten Schicksalsschlag: Noch vor ihrem 16. Lebensjahr starb ihr Vater. Sie besuchte zu dieser Zeit noch das Gymnasium in Luzern. Plötzlich fehlten die finanziellen Mittel und die bisher vermögende Familie musste schon bald ihr Haus verkaufen. Die finanziellen Probleme ermöglichten es Liniger-Imfeld nicht, ihren Traum vom Medizinstudium zu verwirklichen. Deshalb verliess sie das Gymnasium und besuchte stattdessen die Städtische Töchterhandelsschule.

Vom Dienstmädchen zur rechten Hand ihres Mannes

Nach dem Abschluss der Handelsschule folgte sie in ihren jungen Zwanzigern vor allem ihrem Herzen. Wegen eines Liebhabers reiste sie für einen Sommer nach Rimini und lebte für einige Monate bei dessen Familie. Weil sie sich aber vielmehr als «billiges Dienstmädchen» denn als willkommene Besucherin fühlte, verliess sie ihren Liebhaber und seine Familie schon bald wieder und machte sich unabhängig. Sie arbeitete noch einige Monate als Hotelsekretärin in Italien und Lugano, bevor der Herbst anbrach und sie nach Luzern zurückkehrte. Wieder zu Hause, arbeitete sie für zwei Jahre in einem Reisebüro, bis der Zweite Weltkrieg ausbrach und sie entlassen wurde.

Während dieser Jahre lernte sie Richard Liniger kennen, zu welchem sie schon bald eine innige Beziehung aufbaute. 1940 heiratete sie Liniger, der zu dieser Zeit Leiter des Kriegswirtschaftsamtes war. Ein Jahr nach der Heirat brachte sie ihr erstes und drei Jahre später ihr zweites Kind auf die Welt. Neben der Erziehung der Kinder und der Organisation des Haushalts war sie während vieler Jahre die rechte Hand ihres Mannes. Als Sekretärin schrieb sie alle Briefe für ihn und führte in seinem Namen die Korrespondenzen.

Der politische Startschuss für Margrit Liniger-Imfeld

Neben seiner Tätigkeit beim Bund war ihr Mann auch politisch tätig. Als Mitglied der FDP sprach er mit Margrit Liniger-Imfeld immer wieder über politische Themen. Sie begann schliesslich selbst an Parteiversammlungen teilzunehmen, wo sie schon früh aktiv mitdiskutierte und ihre emanzipatorischen Gedanken einbrachte. 1947 schloss sie sich der Liberalen Frauengruppe an und machte sich in der Politik schnell einen Namen.

1956 wurde sie zur Präsidentin der Gruppe gewählt. Sieben Jahre leitete sie die Gruppe und setzte sich für das Frauenstimmrecht und die Gleichberechtigung ein. Während dieser frühen Phase ihrer politischen Karriere lernte sie viel Neues und merkte, dass sie mit ihrer Überzeugung und ihren Kompetenzen einiges erreichen konnte. 1958 gründete sie, zusammen mit 13 weiteren Frauenorganisationen, den «Arbeitskreis für die politischen Rechte der Frau» und die «Kantonale Vereinigung Liberaler Luzernerinnen».

Liniger-Imfelds Einsatz für die Emanzipation der Luzerner Frauen

Als Mitgründerin leitete sie beide Organisationen als Präsidentin. Neben diesen politischen Ämtern war sie auch Mitglied der Stiftung für Stipendien. Nach nur kurzer Zeit wählte man sie ebenfalls zu deren Präsidentin. Während 12 Jahren präsidierte sie die Stiftung und sorgte dafür, dass den Frauen Gelder zugesprochen werden konnten, die es ihnen ermöglichten, Bildungsangebote wahrzunehmen. Dies war für Frauen eine hervorragende Möglichkeit, unabhängiger zu werden und sich zu emanzipieren.

Ihre gute Freundin Käthi Limacher schrieb, dass Liniger-Imfeld diese Arbeit als äusserst schwierig, aber auch als sehr befriedigend angesehen hatte. Mit vollem Einsatz tat sie alles, um die Stiftung zu sichern. Denn immer wieder stand diese vor grossen finanziellen Schwierigkeiten. Doch jedes Mal konnte Liniger-Imfeld verhindern, dass sie in Liquidation musste.

Missgunst und schamlose Diffamierungen waren an der Tagesordnung

Ihr Schaffen, der riesige Mehrwert, der ihre Arbeit erzeugte, und ihre überzeugenden politischen Reden machten sie zu einer unersetzbaren Figur Luzerns. Ihre Arbeit, ihre Vorträge und ihre Gedanken stiessen aber auch auf Missgunst. Ihre politische Tätigkeit liess sie spüren, dass die patriarchalische Schweizer Gesellschaft noch weit davon entfernt war, den Frauen politische Rechte einzuräumen. Weil sie sich stark für das Frauenstimmrecht und die Gleichberechtigung einsetzte, war sie Diffamierungen schonungslos ausgesetzt.

Sie wurde als schlechte Mutter dargestellt und als «böse Suffragette» abgestempelt. Aussagen wie «eine gute Mutter hat mehr Macht, als eine eifrige Stimmenrechtlerin» oder «wir lehnen das Frauenstimmrecht ab, weil die wahre Frauenpolitik in der Familie passiert und nicht in der Parteiversammlung» hörte sie immer wieder. Begründungen wie die Weiblichkeit würde durch das Frauenstimmrecht geschädigt werden und die Frau würde von Natur aus nicht in die Politik gehören, sondern in den Familienalltag waren ihr tägliches Brot.

Auch Frauen waren gegen das Frauenstimmrecht

«Sicherlich hätten berufstätige Mütter keine Zeit für die wichtigste Aufgabe des Mutterberufes», hörte auch ihr Mann immer wieder, der den Anfeindungen ebenfalls ausgesetzt war. Liniger-Imfeld beschrieb, dass ihr nicht nur die Männer, sondern vor allem die Frauen arg zusetzten. Neben den persönlichen Angriffen waren die Frauen auch politisch stark engagiert, das Frauenstimmrecht abzulehnen. 1958 hatte ein Frauenkomitee dem Regierungsrat eine Berufung gegen den Entwurf für die Einführung des Frauenstimmrechts in Luzern aufgegeben, die von über 8'000 Frauen unterstützt wurde.

Das grobe Klima und die Diffamierungen beschrieb Liniger-Imfeld als äusserst verletzend. Doch trotz allem war ihr der Kampf für die Gleichberechtigung wichtiger. Sie fokussierte sich darauf, was sie verändern und verbessern konnte. Deshalb war sie überall tätig, wo sie sich für die Frauen einsetzen konnte. Im folgenden Jahrzehnt entwickelte sie sich zu einer Frau, die massgeblich daran beteiligt war, die Grundlage für die Emanzipation der Frauen in den 1950er-Jahren zu schaffen.

Die Gründung der Frauenzentrale

Eine ihrer wohl grössten Leistungen war die Gründung der Frauenzentrale Luzerns 1961. Die Frauenzentrale war eine Dachorganisation mit dem Ziel, ein Frauennetz aufzubauen. Dieses sollte die Frauen in sozialen, öffentlichen und beruflichen Belangen unterstützen. Bescheiden erledigten die Mitarbeiterinnen ihre Arbeit von ihren eigenen Wohnungen aus. Über das Telefon berieten sie über Jahre Hunderte Frauen. Schnell realisierte Liniger-Imfeld, dass die Nachfrage nach ihrem Angebot riesig war.

Deshalb dauerte es nicht lange, bis sie die «Zentrale der Rechtsauskunftsstelle des Vereines für Frauenbestrebungen» übernehmen konnte. So konnte 1972 das erste Sekretariat der Frauenzentrale an der Pilatusstrasse eröffnet werden. Die Anfragen verfünffachten sich innert kürzester Zeit. Pro Jahr nahmen über 1'000 Frauen die Hilfe vor Ort und weitere 1'000 über das Telefon, den Dienst und die Beratung in Anspruch.

Als Gründungspräsidentin war Margrit Liniger-Imfeld auch selbst in den Beratungen aktiv und gab den Frauen Hilfestellungen in sozialen, ehelichen oder erblichen Belangen. Das grosse Wachstum der Zentrale brachte Liniger-Imfeld dazu, die Elternschule zu gründen, die es Frauen ermöglichte, Bildungsangebote in Anspruch zu nehmen. Durch die langjährige Arbeit für die Stiftung für Stipendien war ihr bewusst geworden, wie wichtig die Bildungsmöglichkeit für die Frauen war.

«Das Frauenstimmrecht ist erst der Beginn»

Liniger-Imfeld war 53 Jahre alt, als schliesslich das passierte, wofür sie und Tausende von Schweizerinnen – und auch Schweizern – über Jahrzehnte gekämpft hatten. Das Frauenstimmrecht wurde von den Männern in Luzern 1970 und einige Monate später, 1971, auch bundesweit angenommen. Ein riesiger Erfolg, der für Liniger-Imfeld allerdings sehr spät kam. Ihr war bewusst, dass dieser Schritt ein grosser, aber auch nur der erste von vielen weiteren war. Es war der Beginn eines langen Weges, der noch zu gehen war. Sie träumte von der vollständigen Gleichberechtigung und fand, dass nun die nächste Generation am Zug sei, diese zu verwirklichen.

Ein Vierteljahrhundert hat Margrit-Liniger Imfeld die Frauenbewegung geprägt; gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und ihren politischen Mitstreiterinnen ist ihr Grosses gelungen. Nach 33 Jahren wurde sie 76-jährig von einem Schlaganfall gezwungen, als Präsidentin der Frauenzentrale und von ihren weiteren Ämtern zurückzutreten.

Margit Liniger-Imfeld hinterliess ein Vermächtnis, so vielschichtig wie wertvoll. Die starke Frau hatte unermüdlich für die politische Gleichstellung gekämpft. Mit dem Titel «Abenteuer Leben, Erinnerungen» wollte sie an ihrem Lebensabend ihr Leben als Biografie herausbringen. Das Buch ist im Gosteli-Archiv einsehbar. Sie konnte dieses noch vollenden, bevor sie 2010 im Alter von 91 Jahren starb.

Verwendete Quellen
  • Käthi Limacher, Erinnerungen an Margrit Liniger-Imfeld, in: Jahresbericht 2010, Frauenzentrale Luzern, Kompetenzzentrum für Frau, Familie und Partnerschaft, S. 15–16.  
  • Sylvia Egli von Matt, Ein Leben für die Gleichstellung, in: Niederer, Ch. et al., Der Rede Wert. 15 Autorinnen aus Luzern porträtieren 15 Zeitzeuginnen des 20. Jahrhunderts, Zürich, 2002, S. 25–37.
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