Kreative Lösungen sind gefragt

Kein Lehrermangel in Zug – es hapert aber trotzdem

Noch mangle es in Zug nicht an Lehrern, so die Präsidentin des Zuger Lehrervereins Barbara Kurth. Doch bei kurzfristigen Absenzen kämpfe auch Zug. (Bild: mik/zvg)

Während der Kanton Luzern bereits Lehrerinnen aus dem nahen Ausland anwirbt, kann der Kanton Zug seine leeren Stellen gut besetzen. Doch nicht in allen Bereichen.

Um ihre unbesetzten Stellen an Schulen zu füllen, müssen Kantone wie Luzern immer kreativer werden: Flyeraktionen an der PH, Werbung in Österreich und Süddeutschland, Youtube-Videos, und sogar Pensionäre werden zurückgebeten (zentralplus berichtete). Aus Sorge hat die Fraktion Alternative – die Grünen (ALG) die Regierung gefragt, wie die Situation für den Kanton Zug aussieht.

Nun liegt die Antwort vor. Die Regierung kann die ALG dabei beruhigen: «Was die gemeindlichen Schulen betrifft, konnten grundsätzlich alle Stellen per Schuljahr 2022/23 besetzt werden.» Auch der Blick in eine der Antwort angehängten Tabelle zeigt: Auf jede zu besetzende Stelle haben sich mindestens doppelt so viele Bewerber gemeldet.

Zug profitiert von langen Kündigungsfristen

Dabei profitiere der Kanton Zug massgeblich von «guten Rahmenbedingungen und der guten geografischen Lage», wie Bildungsdirektor Stephan Schleiss (SVP) auf Anfrage schreibt. Dies bestätigt auch Barbara Kurth, Präsidentin des Lehrerinnen- und Lehrervereins Kanton Zug (LVZ): «Attraktiv ist sicher die gute Infrastruktur und die verlässliche Lohnentwicklung.»

Denn auch wenn Zuger Lehrer im kantonalen Vergleich nicht immer die höchsten Einstiegslöhne haben, so entwickeln sie mit der Zeit die höchsten Durchschnittslöhne, wie eine aktuelle Auswertung der Bildungs-Regionalkonferenzen zeigt. Zudem werden bald die Anstellungsbedingungen für Lehrerinnen verbessert, die vor allem in anderen Kantonen Erfahrungen gesammelt haben.

Weiter profitiert der Kanton Zug von der vergleichsweise langen Kündigungsfrist von sechs Monaten. «Dadurch können die Gemeinden ihre Stellen oftmals früher ausschreiben als die Gemeinden in anderen Kantonen», führt Stephan Schleiss aus. Und auch die eigene pädagogische Hochschule komme dem Kanton gelegen, da durch die Praktika in den Gemeinden bereits erste Kontakte geknüpft würden.

Kurzfristige Absenzen sind schwer zu besetzen

Trotzdem sieht es auch beim Kanton Zug nicht nur rosig aus. So sagt Barbara Kurth: «Es ist aber sehr schwierig, Stellvertretungen zu finden, da diese Stellen meist während des laufenden Schuljahrs ausgeschrieben werden.» Dies bestätigt auch die Regierung in ihrer Interpellationsantwort.

Was tun schulische Heilpädagogen?

Gemäss Romain Lanners, Direktor des Schweizer Zentrums für Heil- und Sonderpädagogik (SZH), können die Aufgaben von Heilpädagogen sehr heterogen sein. Im schulischen Rahmen beinhaltet dies vor allem, Schülern mit Lernschwierigkeiten oder kognitiven Beeinträchtigungen bei der Verarbeitung des Lernstoffs zu helfen. Dies können angepasste Aufgaben oder Lehrmittel sein oder dass die Heilpädagogin den Stoff nochmals anders erklärt. Die Arbeit von Heilpädagogen beinhaltet jedoch auch, verhaltensauffälligen Kindern zu erklären, wie sie mit schwierigen Situationen umgehen, etwa bei Frust. Zudem unterstützen und beraten sie die Klassenlehrerin.

Noch schwieriger ist aber die Rekrutierung von Heilpädagoginnen. Die Regierung schreibt hier gar von einem «ausgetrockneten Stellenmarkt». Zwar haben sich auf die ausgeschriebenen Stellen in diesem Bereich gut dreimal so viele Personen beworben, wie nötig wären. Schleiss warnt jedoch vor einem Trugschluss: «Die Qualität der Bewerbungen wird nicht erfasst. Wir können nicht sagen, wer von diesen knapp über 90 Bewerberinnen den Ansprüchen genügte.» Sehr viele Zuger Heilpädagogen hätten auch nur eine befristete Lehrbewilligung, 22 befinden sich noch in Ausbildung.

Für Romain Lanners, Direktor des Schweizer Zentrums für Heil- und Sonderpädagogik, sind die Zuger Rekrutierungsschwierigkeiten keine Überraschung: «Wenn Heilpädagogen wie vorgesehen eine Ein-zu-eins-Betreuung für die Schüler machen, ist dies personalaufwendig und teuer.» Diese Art der Betreuung sei durch das Sonderpädagogik-Konkordat so gefördert worden. Was jedoch in der Praxis auch zu Problemen führen könne. Eben wenn die Heilpädagoginnen fehlten. Oder es in einer Klasse zwei Schüler mit Bedarf an Unterstützung gebe.

Heilpädagogen haben längere Ausbildung

Eine fundierte Antwort, ob der Stellenmarkt tatsächlich so ausgetrocknet sei, könne er nicht liefern, da er keine Statistiken dazu kenne. Lanners vermutet jedoch einen Zusammenhang mit dem Fehlen der «regulären Lehrpersonen». «Wenn es sowieso zu wenig Lehrer gibt, möchte man frisch ausgebildete Lehrer nicht noch zwei Jahre in eine Weiterbildung schicken.»

Gemäss Romain Lanners, Direktor des Schweizer Zentrums für Heil- und Sonderpädagogik, sind kreative Lösungen gefragt, um den Engpass zu überbrücken.
Gemäss Romain Lanners, Direktor des Schweizer Zentrums für Heil- und Sonderpädagogik, sind kreative Lösungen gefragt, um den Engpass zu überbrücken. (Bild: zvg)

Genaueres weiss Claudia Ziehbrunner, die Leiterin Institut für Lernen unter erschwerten Bedingungen an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik (HFH). Zwar liegen beim Bundesamt für Statistik keine Daten spezifisch für schulische Heilpädagoginnen vor. Doch die Zahlen belegen einen generellen Fachkräftemangel in Schulen. Und vergleiche man die Zahl der schulischen Fachpersonen mit der Anzahl Schüler, zeichne sich ein deutliches Bild ab, so Ziehbrunner.

Über mögliche Gründe für den Heilpädagogenmangel liesse sich jedoch nur spekulieren. Sie nennt unter anderem die wachsende Bevölkerung, die Pensionierung der Babyboomer-Jahrgänge und der Trend zu mehr Teilzeitarbeit. Also Themen, die auch andere Berufe beschäftigen. Für zusätzliche Brisanz in der schulischen Heilpädagogik sorgt jedoch deren Ausbildungsweg. Denn zum Lehrdiplom auf der jeweiligen Stufe kommt noch ein Master hinzu.

«Abstriche bei der Qualität im Sinne von ‹Heilpädagoginnen light› sind für den Kanton Zug keine Option.»

Stephan Schleiss (SVP), Zuger Bildungsdirektor

«Zusätzliche Ausbildungszeit, minime Lohndifferenz und schwierige Arbeitsbedingungen mit oft unrealistischen Erwartungshaltungen verringern die Attraktivität dieses spannenden Berufes», schreibt LVZ-Präsidentin Barbara Kurth. Hinzu komme, dass die Ausbildungsplätze an der interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik bis vor Kurzem beschränkt wären, so Ziehbrunner. Dies sei jedoch mittlerweile aufgehoben.

Mit «Light»-Zertifikaten den Engpass überbrücken

Um den Engpass zu überbrücken, sei Kreativität gefragt, so Romain Lanners. Beispielsweise statt der Ein-zu-eins-Betreuung eher auf kleinere Gruppen zu setzen. Bei einem dringenden Engpass könnte Lanners sich auch vorstellen, dass Hochschulen, wie in der Vergangenheit, verkürzte Weiterbildungen anbieten.

Gemäss Ziehbrunner ist dies bereits in einigen Kantonen der Fall. Personen, die noch ohne entsprechende Qualifikation als Heilpädagogen arbeiten, können ausgewählte Module buchen oder kantonale Zertifikate in Weiterbildungen erlangen. Auch investiert die HFH seit rund zwei Jahren in ein «Laufbahnmodell». Damit können Studenten bereits vor ihrem Masterstudium Module des Heilpädagogenstudiums buchen. Ziehbrunner betont jedoch: «Dass die qualifizierten Abschlüsse auf Masterniveau eine Notwendigkeit bleiben, ist unbestritten.»

Kanton Zug bildet nun wieder eigene Heilpädagogen aus

Dies betont auch der Zuger Bildungsdirektor Stephan Schleiss. «Abstriche bei der Qualität im Sinne von ‹Heilpädagoginnen light› sind für den Kanton Zug keine Option.» Stattdessen schraubt der Kanton an den Rahmenbedingungen. So will der Kanton Zug im Rahmen einer Schulgesetzrevision die Gemeinden verpflichten, für Schüler mit Problemverhalten wieder «separative Gefässe» wie Schulinseln anzubieten. Weiter will er die Löhne für Kindergärtner und ausserkantonale Lehrerinnen verbessern. Seit Kurzem bietet die PH Zug auch eine eigene Weiterbildung zur schulischen Heilpädagogin an.

Für weitere Massnahmen hat die Bildungsdirektion eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich aktiv mit dem Thema Lehrermangel befasst. Was wohl auch nötig wird. Denn Barbara Kurth ist sich sicher: «Der Lehrpersonenmangel kommt bestimmt auch nach Zug!»

Verwendete Quellen
  • Interpellation der ALG
  • Antwort der Regierung auf die Interpellation
  • Schriftlicher Austausch mit Barbara Kurth, Präsidentin des Lehrerinnen- und Lehrervereins Kanton Zug
  • Schriftlicher Austausch mit Stephan Schleiss, Zuger Bildungsdirektor
  • Lohndatenerhebung 2022 der Lehrer der Bildungs-Regionalkonferenzen
  • Telefonat mit Romain Lanners, Direktor des Schweizer Zentrums für Heil- und Sonderpädagogik
  • Schriftlicher Austausch mit Claudia Ziehbrunner, Leiterin Institut für Lernen unter erschwerten Bedingungen an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik
  • Medienmitteilung der Zuger Bildungsdirektion zum neuen Masterstudiengang Sonderpädagogik an der PH Zug
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