Luzerner Wohnungen werden zu Touristenunterkünften

Airbnb-Gäste als Nachbarn? Überhaupt nicht lustig, sagt ein Betroffener

Gleich neben einer Airbnb-Wohnung zu leben, heisst nichts anderes, als alle paar Tage neue Nachbarn zu haben. Das ist nicht nur lustig. (Bild: zvg)

Der Luzerner Stadtrat hat angekündigt, die kommerzielle Vermarktung von Wohnungen einzuschränken. Zu welchen Problemen die entsprechenden Plattformen führen können, zeigt ein Beispiel aus der Stadt eindrücklich.

Airbnb, eine tolle Sache, wenn man selber unterwegs ist und unkompliziert eine Unterkunft buchen will, die weniger steril ist als ein Hotel und dabei auch Privatsphäre verspricht.

Für Einheimische, die zahlbaren Wohnraum brauchen,  ist Airbnb hingegen weniger toll. Weil das Anbieten einer Airbnb-Wohnung sehr viel lukrativer ist als das unbefristete Vermieten einer Wohnung, gibt es immer mehr Immobilienbesitzer, die ihre Wohnungen als Touristenunterkunft anbieten, dies jedenfalls behauptet die Luzerner SP. Und auch der Stadtrat hat eine mögliche Problematik erkannt (zentralplus berichtete). Er wolle verhindern, dass es künftig «uneingeschränkt möglich» sei, dass Wohnungen dauerhaft als Touristenunterkünfte genutzt werden. Ein aktuelles Beispiel zeigt eindrücklich, was solche Sharing-Economy-Angebote für die Bevölkerung bedeuten können.

Plötzlich setzte die Vermieterin Druck auf

J.H. möchte lieber anonym bleiben. Er will nicht, dass der Konflikt, in den er während Monaten involviert war, wieder zu schwelen beginnt. Der Luzerner lebte mehrere Jahre mit seiner Familie in einem Mehrfamilienhaus in der Stadt. Die Beziehung zur Vermieterin bezeichnet er als gut, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, als J.H. und seine Frau beschlossen, eine grössere Wohnung zu suchen. Dies teilten sie der Vermieterin auch mit. «Das war im vergangenen Frühling. Daraufhin hat die Vermieterin angefangen, Druck aufzusetzen», sagt der Luzerner im Gespräch mit zentralplus.

«Einmal sagte mir die Vermieterin direkt, dass sie mit Airbnb viel besser verdienen würde als mit uns.»

J.H., ein Luzerner Mieter

«Immer wieder kam es zu kleineren Konflikten. Einmal sagte uns die Vermieterin direkt, dass sie mit Airbnb viel besser verdienen würde als mit uns.» J.H. schätzt, dass die Vermieterin damit locker doppelt so viel Geld machen könnte.

Dies dürfte sogar untertrieben sein. Einer Berechnung der UBS zufolge dürften die Nettoeinnahmen für Luzerner Vermieter mit Airbnb viermal höher sein als mit ständigen Mietern.

Nachbarwohnung wird zu Airbnb-Unterkunft

Auch habe die Hauseigentümerin damit gedroht, dass die Familie ausziehen müsse, wenn sie weiterhin so laut sei. «Tatsächlich ist das Haus sehr schlecht schallisoliert. Mit Kleinkindern ist es daher unvermeidlich, dass es hin und wieder etwas lauter wird.»

Das sagt der Hauseigentümerverband dazu

Armin Hartmann, Präsident des Hauseigentümerverbands Luzern ist zwar der Ansicht, dass man Angebote wie Airbnb nicht aus ideologischen Gründen einschränken sollte. Vielmehr handle es sich um eine Möglichkeit, um ein Tourismusangebot zu bewirtschaften. «Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt», ergänzt er. «Es ist klar, dass sich die Gäste an die Hausordnung halten müssen. Auch ist wichtig, dass sich die Nachbarn weiterhin sicher fühlen und nicht mitten in der Nacht gestört werden.» Solche Emissionen seien ein Problem, welches man genauer anschauen müsse, so Hartmann. Dass die Verbreitung von Airbnb-Angeboten jedoch dazu führe, dass dadurch der Wohnraum verknappt werde, glaubt er nicht. «Wir haben in Luzern keine akute Wohnungsnot. Im Gegenteil. Seit Jahren war der Leerwohnungsbestand nicht mehr so hoch wie jetzt.»

Nachdem der Nachbar in der Etage unter J.H. ausgezogen war, wurde dessen Wohnung im Herbst zu einem Airbnb umgewandelt. Damit begann für die Familie eine ziemlich nervenaufreibende Zeit. «Erst freute ich mich darauf. Ich schätze den Kontakt mit Menschen und hoffte, dass sich interessante Begegnungen entwickeln könnten.» Kontakt gab es zwar hie und da, dies jedoch auf eher unangenehme Weise.

«Öfters kamen die Touristen mit dem Schlüsselkästchen nicht zurecht. Einmal schlichen sie um Mitternacht mit der Taschenlampe ums Haus, weil sie den Eingang nicht fanden.» Auch das Waschen sei mühsam gewesen, weil viele der Touristen mit dem Waschplan nicht vertraut waren.

«Das Hauptproblem sehe ich darin, dass die Vermieterin nicht im Haus wohnt. Alle Probleme, welche sie hätte abfangen müssen, gelangten an uns», sagt J.H. Und während er mehrmals Airbnb-Gäste darauf hinweisen musste, dass sie in der Nacht nicht direkt unter ihrem Schlafzimmer rauchen sollen, reklamierten andere, dass J.H.s Familie zu laut sei.

Eine negative Online-Bewertung: Die Lage spitzte sich zu

Eine der Lärmkritiken schaffte es denn auch in eine Airbnb-Bewertungen, was wiederum die Vermieterin auf den Plan rief, wie J.H. erzählt.

«Sie war richtig aufgebracht und hat völlig überreagiert ob einer einzigen Negativ-Bewertung», sagt der Luzerner. «Das war wirklich unter der Gürtellinie und raubte mir eine Zeit lang den Schlaf.»

«Wir gehen davon aus, dass auch aus dieser Wohnung ein Airbnb gemacht wurde.»

Nun ist der Spuk vorbei. «Wir haben zum Glück eine tolle Wohnung an ruhiger Lage gefunden», sagt er. Obwohl J.H. seine Wohnung ausserhalb des offiziellen Zügeltermins kündigte, habe die Familie keinen Nachmieter stellen müssen.

Die alte Wohnung dürfte jetzt ein Airbnb sein

«Wir gehen davon aus, dass auch aus dieser Wohnung ein Airbnb gemacht wird.» Ein weiteres Indiz dafür: Die Mieterin begann, vor den Augen der Mieter – Mobiliar anzusammeln. Ein Wink mit dem Zaunpfahl. «Ziemlich sicher Möbel, welche sie nun in unserer ehemaligen Wohnung verwendet.»

Frustrierend sei ebenfalls gewesen, dass die Vermieterin zwar «Rappen spaltete» bezüglich der Behebung bestehender Mängel an J.H.s Wohnung. «Gleichzeitig hat sie die Wohnung unter uns innert zwei Wochen mit grossem Aufwand saniert.» Der Luzerner überlegt kurz und ergänzt: «Unsere Vermieterin war keine böse Person. Doch schien es, als habe sie nur noch das Geld gesehen, sobald sie gemerkt hatte, dass Airbnb für sie viel lukrativer ist als die übliche Vermietung von Wohnungen.»

Regelmässig suchen betroffene Mieter Rat

Cyrill Studer Korevaar vom Mieterverband Luzern sagt zum Fall: «Etwas finde ich an dieser Geschichte wahnsinnig stossend. Da hat man als Mieter ein professionell geführtes Airbnb in der Nachbarwohnung. Kaum gibt es eine negative Bewertung, weil etwa das eigene Kind in der Nacht geweint hat, setzt der Vermieter Druck auf.» Studer betont: «Dieses Beispiel bringt es auf den Punkt.»

Die Rechtssprechung in diesem Fall sei sehr klar. «Lärm gehört bei Kindern dazu. Im üblichen Rahmen muss die Nachbarschaft damit leben», sagt Studer.

Studer warnt vor einer Verschlechterung der Situation

Geschichten wie jene von J.H. gebe es in letzter Zeit vermehrt, erklärt Cyrill Studer vom Mieterverband. «Zwar haben wir nicht wöchentlich mit solchen Themen zu tun. Doch kommt es schon regelmässig vor, dass Leute zu uns in die Beratung kommen oder uns per Mail oder Telefon aus ähnlichen Gründen kontaktieren.»

Last but not least gibt Studer zu bedenken: «Luzern ist eine Top-Feriendestination. Professionelle Airbnb-Angebote sind relativ neu, entwickeln sich aber rasant. Alles Voraussetzungen, dass die Situation für Mieter schlimmer wird: Weil bisheriger Wohnraum verschwindet. Und weil solche Beispiele zunehmen.»

*Name der Redaktion bekannt

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Landberner
    Landberner, 17.02.2020, 07:12 Uhr

    Das touristische Vermietungsgewerbe nimmt in Wohnzonen überhand, wo kein Gewerbe erlaubt ist. Man kann/muss es also ganz einfach verbieten. Weshalb geschieht das nicht?

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