Neue Bauordnung soll Buebetrickli verhindern

Weniger bauen als bisher? Unterägerer kritisiert Anpassung

In Unterägeri ändern sich die Regeln für Neubauten. Neu gibt es etwa keinen Attikabonus mehr, von dem Grundeigentümer bisher profitiert haben. (Bild: Andreas Busslinger)

In Unterägeri wird die Ortsplanung angepasst. Damit einher gehen Veränderungen bei der Ausnützungsziffer. Was für Liegenschaftsbesitzer auf dem Papier positiv aussieht, kann für einige zum Nachteil werden. Denn es gibt die ausgebaute Attika nicht mehr «gratis». Das sorgt für Kritik.

In den Zuger Gemeinden wird derzeit festgelegt, wie die bauliche Entwicklung der kommenden Jahrzehnte aussehen soll. Auch die Gemeinde Unterägeri steckt mitten im Prozess einer solchen Ortsplanungsrevision.

Der Schwerpunkt, den die Gemeinde laut ihrer Homepage setzt: «Von besonderer Bedeutung ist bei dieser Revision die bauliche Entwicklung nach Innen, damit die Landschaft nicht weiter verbaut wird.»

Das klingt– und sieht bei Betrachtung der neuen Zahlen – zunächst nach Verdichtung aus. In der W2a-Zone beispielsweise, in der maximal zwei Vollgeschosse gebaut werden dürfen, soll die Ausnützungsziffer von 0,22 auf 0,31 angehoben werden. In der Zone W2b von 0,32 auf 0,45. Für Liegenschaftsbesitzer dieser Gebiete klingt das zunächst, als könnte damit künftig dichter gebaut werden.

Künftig kann, je nach dem, gar weniger gebaut werden

Doch der Schein trüge. Da ist sich Albert Iten sicher. Der Unterägerer ist überzeugt: «Tatsächlich könnte ich künftig de facto weniger bauen als bisher möglich war. Ausserdem verleitet die neue Bauordnung dazu, mehr Grünfläche zu verbauen.» Als Bewohner einer W2a-Zone ist er selbst betroffen von den Veränderungen.

Iten macht die Rechnung: «Sagen wir, ich besitze ein Grundstück über 1000 Quadratmeter. Gemäss aktueller Regelung kann ich auf 220 Quadratmetern bauen, Gebäude dürfen über maximal zwei Vollgeschosse verfügen. Aber: Wenn ich nur ein Vollgeschoss errichte, ist es dank des Attikabonus möglich, von den 220 Quadratmetern, die das Erdgeschoss misst, die Hälfte obendrauf zu setzen.» Damit dürfte Iten zusätzlich 110 Quadratmeter und insgesamt 330 Quadratmeter Wohnfläche realisieren. Demnach gelte heute bereits inoffiziell eine Ausnützung von 0,33, auch wenn diese auf dem Blatt bei 0,22 liege, rechnet Iten vor.

Die Veränderungen lassen sich anhand eines einfachen Rechenbeispiels veranschaulichen. (Bild: wia)

Attikabonus gehört bald der Vergangenheit an

Das ist möglich dank einer Regelung, die dem kantonalen Bau- und Planungsgesetz unterliegt und nach welcher Dach- respektive Attikageschosse grundsätzlich nicht zur Ausnützung gezählt werden müssen. Dies, sofern der Kniestock, also die Höhe, wo eine Aussenwand in die Dachschräge übergeht, nicht höher als 50 Zentimeter ist.

«Meines Erachtens widerspricht das der Idee von Verdichtung.»

Albert Iten, Bewohner Unterägeris

Nur: Diese Regelung soll nun jedoch aufgehoben werden. Das Dach- beziehungsweise das Attikageschoss wird künftig zur Ausnützungsziffer dazugerechnet. Mit dieser Anpassung will die Gemeinde dem angepassten kantonalen Planungs- und Baugesetz gerecht werden. «Diese Änderung resultiert darin, dass ich künftig, wenn ich nur eine Volletage bauen will, weniger Geschossfläche realisieren kann als bisher. Meines Erachtens widerspricht das der Idee von Verdichtung.»

In der Gegend, in der der Unterägerer lebe, gebe es viele Häuser, die in diesem Stil, also mit nur einem Vollgeschoss plus Attika oder Kniestockdach gebaut seien. Selbst wenn Iten beschliessen sollte, in Zukunft ein Haus mit zwei Volletagen zu realisieren, würden diese effektiv eine tiefere Ausnützung, nämlich 310 Quadratmeter (2 x 155 qm) aufweisen, weniger als im oben genannten heutigen Beispiel.

Wäre eine leicht höhere Ausnützungsziffer angebracht?

Iten plädiert nicht dafür, dass der Attikabonus bestehen bleiben soll: «Vielmehr wünsche ich mir, dass die künftige Ausnützungsziffer in der Zone W2a 0,33 statt 0,31 beträgt. So könnte man wenigstens im gleichen Umfang bauen wie bisher und der Besitzstand wäre gewährt.»

Dasselbe gelte für die Zone W2b: «Ich glaube, dass viele Leute, die in diesen Zonen leben, das nicht realisiert haben. Sie haben nur die neue Ausnützungsziffer gesehen und glauben, dass sie dadurch künftig mehr bauen können.»

Iten gibt ausserdem zu bedenken: «Die Leute haben aufgrund des Wegfalls des Attikabonus keinen Beweggrund, höher zu bauen. Viel eher verleitet die Neuregelung dazu, dass die Ausnützung auf nur einer einzigen Etage erfolgt.» Und weiter: «Gerade im Hinblick auf den demografischen Wandel dürften es einige Unterägerer in Erwägung ziehen, nur auf einer Etage zu bauen. Fürs Alter ist das praktischer.»

Kritiker fürchtet, dass bald mehr Grünfläche verbaut wird

Dank der revidierten Bauordnung in der Zone W2b sei es künftig möglich, knapp einen Drittel des Grundstücks zu verbauen. Eine Obergrenze gebe es nicht. «Heute, mit der maximalen Ausnützung von 0,22, darf nur rund ein Fünftel des Landes verbaut werden.» Dadurch könnte künftig mehr Grünfläche verloren gehen, befürchtet Iten. «Ein Effekt, der so sicher nicht erwünscht ist. Mit einer Beschränkung könnte man dem entgegenwirken.»

Iten ist nicht einer, der die Faust im Sack macht. «Ich bin bereits vor zwei Jahren an die Gemeinde gelangt, habe jedoch keine Antwort erhalten.» Auch diesen Sommer hat er es noch einmal versucht. «Das Verständnis für mein Anliegen scheint jedoch klein zu sein.» Im Rahmen der Vernehmlassung zur Ortsplanungsrevision, die am 25. September abgelaufen ist, hat Iten zudem eine Einwendung zum Thema gemacht.

Wie die Gemeinde Unterägeri auf Anfrage verlauten lässt, sei eine Verdichtung in den Wohnzonen 2a und 2b tatsächlich gar nicht erwünscht. Dies aus städtebaulichen Überlegungen, wie Markus Iten, der Bereichsleiter Baurecht der Gemeinde, zu verstehen gibt.

Die Gemeinde will unerwünschten Kniff unterbinden

«Deshalb wird mit der neuen Bauordnung auch die unerwünschte Praxis unterbunden, dass in der W2 nur ein Vollgeschoss anstatt zwei Vollgeschosse realisiert wird, nur um damit den Attikabonus zu maximieren respektive zu verdoppeln», so Markus Iten.

Dass also – wir bleiben beim Beispiel mit dem 1000-Quadratmeter-Grundstück – künftig, egal, ob ein oder zwei Vollgeschosse, in jedem Fall maximal 310 Quadratmeter anrechenbare Wohnfläche gebaut werden können, sei durchaus erwünscht. Damit widerfahre den Eigentümerschaften Rechtsgleichheit, ist Markus Iten überzeugt.

Weniger Grünfläche? Gemeinde dementiert

Stimmt also auch Albert Itens Vermutung, dass durch die Neuregelung mehr Grünfläche verschwinden könnte? «Die Vermutung ist falsch. Die Entscheidung hinsichtlich einer optimalen, ortsbaulich und  architektonisch richtigen Lösung sowie Volumetrie und Geschossigkeit hat unter Berücksichtigung der Lage, Aussicht, Topografie, Besonnung, Erschliessung sowie der Nutzerbedürfnisse zu erfolgen.» Nur über diesen Weg könne die – in der Bauordnung ebenfalls geforderte – gute Gestaltung und Einordnung nachgewiesen werden.

«Deshalb wird mit der neuen Bauordnung auch die unerwünschte Praxis unterbunden, dass nicht ortsbauliche und gestalterische Qualitäten, sondern ein Bonus bei der Planung im Vordergrund steht», sagt der Verantwortliche. «Wie erwähnt, ist neu ungeachtet der Bauform und Geschossigkeit die anrechenbare Geschossfläche exakt gleich hoch und somit rechtsgleich verteilt.»

«Eine Verringerung der Grünfläche kann beispielsweise gut mit begrünten Flachdächern kompensiert werden.»

Markus Iten, Bereichsleiter Baurecht, Gemeinde Unterägeri

Das Bauvolumen sei exakt gleich hoch, egal, ob ein-, zwei- oder zweigeschossig plus Attika- oder Satteldachgeschoss. «Eine dabei mögliche Verringerung der Frei- respektive Grünfläche kann beispielsweise gut mit begrünten Flachdächern kompensiert werden», erklärt Markus Iten.

Zu den konkreten Gedanken seines Nachnamensvetters nimmt Markus Iten keine Stellung. «Grundsätzlich kann man festhalten, dass der Gemeinderat alle Einwendungen im Rahmen der öffentlichen Auflage sorgfältig prüfen wird und dann eine Entscheidung fällt.»

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Albert Iten
  • Planungs- und Baugesetz des Kantons Zug
  • Schriftlicher Austausch mit dem Baudepartement Unterägeri
  • Unterlagen zur Ortsplanungsrevision
  • Zonenplan Unterägeri
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