Gäste durften ohne Zertifikat Torte essen

Wegen Covid-Verstoss: Café-Betreiber Brändle schuldig gesprochen

Am Zuger Strafgericht wurde am Dienstag ein Fall verhandelt, der seinen Lauf in mehrerlei Hinsicht in einer besonderen Zeit nahm. (Bild: mbe.)

Ein Beizer aus Unterägeri ignorierte während drei Monaten die Zertifikatspflicht seiner Gäste. Obwohl er vom Strafgericht am Dienstag schuldig gesprochen wurde, ist ihm die Unterstützung vieler Verbündeter gewiss.

Vor zwei Jahren fällte Thomas Brändle eine Entscheidung. Er beschloss, die Covid-Zertifikate seiner Gäste nicht zu kontrollieren. Was heute keinerlei Bedeutung mehr hat, war in jener Zeit ein Verstoss gegen die Covid-19-Verordnung, die in der damaligen «besonderen Lage» galt. Brändle – er darf von zentralplus explizit mit Namen genannt werden – erhielt daraufhin zwei Bussen.

Weil sich der Gastronom weigerte, die Bussen zu bezahlen, hatte er sich vor dem Zuger Strafgericht zu verantworten. Respektive: An der Verhandlung, die am Dienstag stattfand, hätte Brändle nicht physisch erscheinen müssen. Der Assistenzstaatsanwalt, der mit dem Fall betraut war, blieb der Verhandlung jedenfalls fern. Nicht so Brändle, der sich selbst vertrat. Allein war er dennoch nicht. Über 20 Unterstützerinnen stärkten dem Restaurantbetreiber vor Gericht den Rücken, darunter waren auch einige prominente Gesichter.

Zertifikate wurden nicht kontrolliert

Eine kurze Rückblende in den Herbst 2021: Gemäss der damals geltenden Covid-19-Verordnung waren Gastrounternehmen ab dem 13. September desselben Jahres verpflichtet, sicherzustellen, dass deren über 16-jährigen Gäste entweder genesen, geimpft oder getestet sind.

Thomas Brändle, ein bis dahin unbescholtener Bürger und Geschäftsführer des gleichnamigen Cafés in Unterägeri, unterliess es jedoch bis mindestens am 21. Dezember 2021, also während rund dreier Monate, entsprechende Kontrollen durchzuführen. Wer im Café Brändle Zuger Kirschtorte essen wollte, konnte das auch ohne Zertifikat.

Dadurch habe sich Thomas Brändle der (eventual-)vorsätzlichen, eventualiter fahrlässigen Widerhandlung gegen die Covid-19-Verordnung schuldig gemacht. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Busse von 4000 Franken. Bei Nichtbezahlung sei eine Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Tagen zu erfüllen.

«Ich bin froh, dass der Tag nun hier ist. Ich fühle mich im Recht, egal, was heute passiert.»

Thomas Brändle, Restaurantbetreiber aus Unterägeri

Kurz vor Prozessbeginn äusserte sich Brändle gegenüber zentralplus wie folgt: «Ich bin froh, dass der Tag nun hier ist. Ich fühle mich im Recht, egal, was heute passiert.»

Brändle vermisst die rechtliche Grundlage für eine Kontrollpflicht

Der Beizer bestritt den ihm vorgeworfenen Sachverhalt nicht, wonach er die Zertifikate der Gäste nicht kontrolliert habe. «Mein Unternehmen liegt in einer Stadt, in der mündige Leute leben, die abstimmen und Zeitung lesen. Sie wussten zu diesem Zeitpunkt, dass sie nicht ins Restaurant können, wenn sie kein Zertifikat haben.» Brändle betonte, dass er niemanden hätte anstellen können, der extra die Zertifikate kontrolliert. Ausserdem habe ihm die gesetzliche Grundlage für eine Zertifikatskontrollpflicht gefehlt. Diese sei nicht explizit Teil der Covid-19-Verordnung gewesen, war der Beizer überzeugt.

Weiter führte er aus: «Ich hatte mich an ein Schutzkonzept zu halten, während draussen alle 15 Minuten der volle Bus durchfuhr, in dem die Leute dreissig Minuten lang dicht an dicht sassen. Das sind Widersprüche, die ich so nicht verstehen kann.»

Ein rund zehnminütiges Plädoyer

Im Rahmen des Beweisverfahrens liess Brändle drei Videos abspielen. Unter anderem eines, das den Schweizer Strafrechtsprofessors Marcel Niggli zeigt, der die Zertifikatspflicht respektive das damit einhergehende Ausweisen der eigenen Person, für verfassungswidrig hält.

Thomas Brändle liess jedoch nicht nur andere Menschen per Video für sich reden. In seinem rund zehnminütigen Schlussplädoyer äusserte sich der Hobbyschriftsteller ausführlich, eloquent und etwas ausschweifend gegenüber dem Einzelrichter und den restlichen Anwesenden.

«Ich gehe […] davon aus, dass dieses Gericht im Sinne des Menschen rechtsstaatlich urteilt und nicht politisch, den Staatsapparat schützend oder anderweitig willkürlich, ideologisch oder medial beeinflusst ist», las Brändle vor. Und weiter: «Gesetze müssen logisch, gerecht und für jeden Laien verständlich formuliert sein.» Es sei ihm grundsätzlich nicht bekannt, dass man nachweisen müsse, «dass man ‹gesund› ist, um Grund- und Menschenrechte zu haben.»

Antrag auf Freispruch wurde nicht gehört

Brändle beantragte Freispruch von allen Vorwürfen und den Erlass des geforderten Bussgeldes, fand jedoch beim Einzelrichter Philipp Frank wenig Gehör. Er sprach den Angeklagten nach gut einstündiger Bedenkzeit für schuldig und verhängte eine Strafe von 3000 Franken oder alternativ eine Freiheitsstrafe von 30 Tagen. Der Einzelrichter begründete dies damit, dass die besondere gesetzliche Grundlage zu diesem Zeitpunkt klar gewesen sein dürfte. Es sei darin impliziert gewesen, dass eine Kontrolle der Covid-Zertifikate durchgeführt werden müsse.

Die Aussagen im Video von Marcel Niggli beeinflussten die Entscheidung des Richters nicht. Dies gemäss Frank darum, weil der gezeigte Rechtsprofessor darin insbesondere Gäste anspreche und nicht Gastronomen. So rede Niggli davon, dass die Besucher eines Restaurants nicht verpflichtet werden könnten, ihren Ausweis zu zeigen. Ob das der Wahrheit entspreche, liess der Einzelrichter offen. Der Anklagesachverhalt betreffe jedoch den Gastronomen.

Bei der Frage, ob der Bundesrat in besagter Phase das Recht gehabt hatte, Zertifikatsprüfungen zu veranlassen, habe sich das Gericht an einem Bundesgerichtsurteil orientiert, gemäss dem es während der besonderen Lage rechtens gewesen sei, dass der Bundesrat Restaurantschliessungen angeordnet hat. Mildere Massnahmen wie eine Zertifikatspflicht seien demnach ebenfalls in Ordnung gewesen.

Ob er das Verfahren weiterzieht, weiss Brändle noch nicht

Als strafmildernd befand der Einzelrichter einzig den Umstand, dass sich der Beschuldigte nicht vollends über die Schutzmassnahmen hinweggesetzt habe, sondern etwa beim Eingang des Lokals einen Flyer aufgehängt sowie Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt habe.

Bei der Frage, ob Brändle Berufung gegen das Urteil einlegen möchte, zögerte er. Auch wenn aus dem Publikum deutlich zu hören war, dass ihm die Rückendeckung seiner Unterstützer weiterhin gewiss ist, egal, wie sich der Beizer entscheidet. Dieser beschloss, sich eine Bedenkzeit zu nehmen. Ihm sei es bewusst, dass ein Weiterzug kostspielig und zeitintensiv werde. Dennoch ist ihm Folgendes mindestens genauso wichtig: «Dass es keinem Schuldbekenntnis gleichkommt, wenn ich die Busse zahle.» Denn wie anfänglich versprochen, sieht sich Brändle auch nach der Verhandlung im Recht.

Das Urteil des Zuger Strafgericht ist noch nicht rechtskräftig.

Verwendete Quellen
  • Besuch Gerichtsverhandlung
  • Gespräche mit Thomas Brändle und Unterstützern
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