Neubad: Der Stadtrat wird mutiger – und das ist gut so
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Der Luzerner Stadtrat prüft, ob das ehemalige Hallenbad erhalten bleiben und weiterentwickelt werden soll. Der Entscheid zeigt, dass die Stadt die Zeichen der Zeit erkannt hat. Ein Kommentar.
Auf den ersten Blick mag das Luzerner Neubad wie ein hässlicher Betonklotz erscheinen – für einige wohl auch auf den zweiten und dritten Blick. Ein typischer Hallenbad-Bau aus den 1960er-Jahren, der vor langer Zeit mal eine Funktion erfüllte, nun aber möglichst bald abgebrochen werden soll, um Platz für Neues und Schöneres zu schaffen.
Diese Haltung war in der Stadt Luzern weit verbreitet – und ist es vielleicht bis heute noch. Auch im Stadthaus schien man sich lange keine Gedanken über einen möglichen Erhalt des brutalistischen Baus zu machen.
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Eine vom Stadtrat im Jahr 2013 in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie zur weiteren Entwicklung des Areals unterstreicht das. Die Studie setzte sich gar nicht erst mit dem Erhalt des Bestands auseinander. Sie fokussierte sich einzig darauf, wie auf dem Areal des ehemaligen Hallenbads und der Feuerwehrwache möglichst viele gemeinnützige Wohnungen gebaut werden können.
Stadtrat prüft nun doch den Erhalt des Gebäudes
Doch seit 2013 haben sich die Rahmenbedingungen für die Entwicklung dieses Areals massgeblich verändert. Aus dem Hallenbad – das zu seinem Ende hin einen heruntergekommenen Eindruck hinterliess – ist die blühende Neubad-Zwischennutzung geworden. Diese hat sich den Betonklotz auf vielfältige Art und Weise angeeignet und ist damit erfolgreicher, als sich das wohl nicht einmal die kühnsten Optimisten zu Beginn der Zwischennutzung hätten vorstellen können.
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Doch trotz des Erfolgs schwebte über dem Neubad stets das Damoklesschwert. Die Nutzungsvereinbarung mit der Stadt galt jeweils nur für ein paar Jahre. Die Zukunft war ungewiss, dem Gebäude und somit auch dem Neubad drohte sozusagen jederzeit das Ende. Erst seit kurzem ist bekannt, dass der in rund vier Monaten auslaufende Nutzungsvertrag erneut verlängert wird.
Gleichzeitig findet im Stadthaus ein Umdenken statt. Denn der Erhalt des Hallenbads ist plötzlich ein realistisches Szenario geworden. So lässt der Stadtrat in einem aufwändigen Verfahren prüfen, was die Vor- und Nachteile eines Erhalts respektive eines Abrisses des Gebäudes wären (zentralplus berichtete).
Abreissen ist einfacher als sanieren
Der Entscheid des Stadtrats ist überraschend. Denn der Erhalt bestehender Bausubstanz war auf der politischen Agenda bisher nicht vorhanden. Die Entscheide, das Grenzhof-Schulhaus, die Genossenschaftshäuser auf der Reussinsel oder den EWL-Hauptsitz abzureissen, unterstreichen das beispielhaft.
Aus politischer Sicht ist die bisherige Haltung zwar nachvollziehbar. Abreissen und Neubauen ist normalerweise mit weniger Risiken verbunden als Sanierungen, die unter Umständen böse Überraschungen – auch finanzielle – mit sich bringen können. Auch ist es einfacher, ein Gebäude von Grund auf neu zu bauen als ein bestehendes zu sanieren. Zuletzt lässt sich ein neues, strahlendes Gebäude politisch immer noch besser vermarkten als eine aufwändige Innensanierung, die von aussen kaum erkennbar ist.
Doch im Fall des Neubads hat der Stadtrat die Zeichen der Zeit erkannt. Die Empörung über einen verfrühten Abbruch des Hallenbads wäre weit über Kulturkreise hinaus gross gewesen.
Nicht am eigenen Mut erschrecken
Denn gute Architektur und Stadtplanung definieren sich letztlich auch über Identität. Was verbinden die Menschen mit einem Gebäude? Fühlen sie sich wohl darin? Im alten Hallenbad lernten unzählige Personen schwimmen und tauchen und schlugen sich nach den Schwimmlektionen den Bauch mit «Schläckzüüg» vom Kiosk voll. Wiederum unzählige Personen haben seit Beginn der Zwischennutzung im Neubad gelacht, getanzt oder sich am Flohmarkt mit neuen Kleidern eingedeckt. Der Platz vor dem Neubad ist ein fast rund um die Uhr belebter Treffpunkt geworden. Dieser identitätsstiftenden Wirkung des alten Hallenbads ist sich der Stadtrat unterdessen bewusst geworden.
Der Weg, den die Stadt nun einschlägt, ist zwar aufwändig, zeitintensiv und kostet mit über einer halben Million Franken relativ viel Geld. Dafür wird das gewählte Verfahren offen für Interessierte und Betroffene sein – demokratischer kann man ein Areal fast nicht entwickeln. Dennoch ist der Entscheid des Stadtrats mutig. Jetzt ist ihm zu wünschen, dass er in den nächsten Jahren und in neuer Zusammensetzung nicht plötzlich am eigenen Mut erschrickt.
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