Babel-Verein und Bewohner über ihre Wünsche fürs Quartier

«Ich sage allen: Hände weg von der Eiche im Dammgärtli!»

Der Stadtrat hat grosse Pläne für die Quartiere Grenzhof und Reussinsel entlang der Bern- respektive Baselstrasse. Die Bevölkerung kann sich nun zu den Vorschlägen der Stadt äussern. Es zeigt sich: Die Quartierbewohnerinnen wünschen sich vor allem eines: mehr Freiraum.

Es ist garstig an diesem Novembermorgen. Dicker Nebel hängt über der Stadt, das Thermometer zeigt eine Temperatur von ein paar wenigen Grad an. Trotzdem haben sich Urs Häner und Guerino Riva von der Quartierentwicklung Babel Zeit genommen, um mit uns das Gebiet rund um das Dammgärtli und das Schulhaus Grenzhof zu besichtigen. Ihr Engagement und ihre Äusserungen zeigen, wie fest sie sich mit den Quartieren verbunden fühlen und wie wichtig ihnen eine nachhaltige Entwicklung dieser Räume ist.

Eine Entwicklung dieser Quartiere sieht auch die Stadt Luzern vor. Sie hat in zwei Planstudien Ideen erarbeitet, wie das Quartier Grenzhof und die Region rund um die St.-Karli-Brücke, die sogenannten Brückenköpfe, in den nächsten Jahren städtebaulich entwickelt werden sollen (zentralplus berichtete). Je nach Variante will die Stadt 150 bis zu 200 neue gemeinnützige Wohnungen bauen, das Verkehrsnetz für den Velo- und Fussverkehr ausbauen sowie neuen Grünraum schaffen.

Bevor die Projekte weiter konkretisiert werden, wollte sich der Stadtrat die Meinung und Fragen der Quartierbewohnerinnen anhören. Dazu hat er zwei Veranstaltungen in den Quartieren organisiert, wo sich die Bevölkerung in die Planung einbringen und untereinander über die Projekte austauschen konnte. Diese Gelegenheit wurde rege genutzt, wie Urs Häner und Guerino Riva berichten. Beide sind im Vorstand des Vereins Babel, dessen Name sich aus den Anfangsbuchstaben der Basel- und Bernstrasse zusammensetzt. In dieser Funktion haben sie an den beiden Mitwirkungsverfahren teilgenommen und nun eine konsolidierte Meinung im Namen der verschiedenen Vereine des Babel-Quartiers zu den Varianten der Stadt Luzern gefasst.

Fussabdruck der Grenzhof-Schule soll erhalten bleiben

Die Haltung des Vereins Babel zeigt auf: Die Quartierbewohner wünschen sich mehr Freiraum. So spricht sich der Verein sowohl am Grenzhof als auch beim südlichen Brückenkopf für die Variante aus, welche am meisten öffentlichen Freiraum schafft – und am wenigsten neue Wohnungen.

Beim Grenzhof ist das die zweite von der Stadt erarbeitete Projektvariante. Diese sieht im Gegenzug zur ersten Variante vor, die Hangkante unterhalb des Gütschwalds unverbaut zu lassen, um dort einen grossen Grünraum zu schaffen. Zudem bleiben in dieser Variante die Fussabdrücke der ehemaligen Schulanlage Grenzhof erhalten, was für Guerino Riva besonders wichtig ist: «Am liebsten hätten wir die Schulanlage ganz erhalten, weil sie so schön in die Umgebung eingebaut ist.»

Bei der zweiten Variante wird die Hangkante nicht bebaut. Stattdessen soll dort ein grosser Grünraum entstehen. (Bild: Stadt Luzern)

Allerdings ist dies in der Planung der Stadt aufgrund der Schadstoffbelastung der Bauten nicht vorgesehen. In der zweiten Variante bliebe aber immerhin die Struktur dieser Umgebung erhalten. Für Riva ist dies entscheidend, da die Schulanlage ein wichtiger Quartiertreffpunkt ist, den er gerne auch «Landsgemeindeplatz» nennt. Mit der zweiten Variante kann sich der Verein Babel darum gut anfreunden. Riva sagt: «Für uns stimmt die Richtung. Die Platzverhältnisse zwischen Gütschwald und Bernstrasse sind sonst schon eng, da braucht es nicht so viele neue Wohnungen.»

Neuer Grünraum entlang der Reuss

Ähnlich sieht der Verein Babel die Quartierentwicklung beim Dammgärtli und der Reussinsel. Hier hat die Stadt drei Varianten erarbeitet. Urs Häner hat einen klaren Favoriten: Variante drei, bei der das Dammgärtli mitsamt der markanten Eiche erhalten bleibt. Zudem sieht diese Variante einen grossen Grünraum auf dem heutigen Gebiet der Wohnbaugenossenschaft Reussinsel vor. Die zwölf gemeinnützigen Wohnungen, die dem neuen Park zum Opfer fallen würden, würden in einem Neubau neben dem Dammgärtli ersetzt werden.

Mit dem Schieber kannst du die Variante «Reusspark» und «Reusspark mit Dammgärtli» miteinander vergleichen:

Brisant ist, dass die vom Verein Babel bevorzugte dritte Variante ursprünglich gar nicht vorgesehen war. Erst auf Initiative des Stadtrats hat das Planungsteam diese Option erarbeitet. Sehr zum Gefallen von Urs Häner, der den anderen beiden Vorschlägen wenig abgewinnen kann. Vor allem zur zweiten Variante «Reusspark» hat er eine dezidierte Meinung: «Der Reusspark ist für mich ein No-go. Das Dammgärtli und die Eiche dürfen nicht proaktiv zerstört werden.»

«Das Quartier ist dicht genug. Wir müssen diese Wachstumsdynamik brechen.»

Urs Häner, Vorstand Verein Babel

Gerade die Eiche hat es ihm besonders angetan. Diese sei rund 150 Jahre alt und einer der ältesten Bäume in der Stadt Luzern. Nahe der dicht besiedelten Baselstrasse, wo es in der näheren Umgebung «keine zehn Bäume» habe, sie die Eiche von besonderer Bedeutung. «Man muss alles daran setzen, dass diese Eiche ungefährdet an die nächste Generation übergeben werden kann», sagt Häner schliesslich. Er ist darum froh, dass der Stadtrat ein Projekt erarbeitet hat, in dem sowohl das Dammgärtli und die Eiche erhalten bleiben und gleichzeitig zusätzlicher Grünraum entlang der Reuss entsteht.

Verkehr ist eines der Hauptprobleme

Im Gespräch mit den beiden Quartierkennern wird klar: Aus Sicht der Bevölkerung sind die beiden Hauptprobleme im Babel-Quartier die engen Platzverhältnisse sowie das grosse Verkehrsaufkommen. So sagt Guerino Riva: «Die Belastung durch den Verkehr, den Lärm und den Gestank ist enorm. Das mindert die Lebensqualität in unserem Quartier.»

Für sie und den Verein Babel steht deshalb fest, dass es ausgerechnet hier nicht noch mehr neue Wohnungen brauche. Urs Häner fasst zusammen: «Das Quartier ist dicht genug. Wir müssen diese Wachstumsdynamik brechen. Immer mehr Wohnungen führen zu immer mehr Verkehr und umgekehrt. Das geht irgendwann nicht mehr auf.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Melchior Hoffmann
    Melchior Hoffmann, 12.11.2021, 08:48 Uhr

    Ich finde es sehr ärgerlich, der Bevölkerung gegenüber eigentlich ein Affront, dass bei beiden Planungsvarianten für den Grenzhof die drei Wohnblocks westlich des Fussballplatzes durch Neubauten ersetzt werden sollen. Die Stadtbevölkerung hat einer Initiative namens «Für zahlbaren Wohnraum» zugestimmt, aber genau den will man hier – ganz ungezwungenerweise – zerstören. Diese drei Wohnblocks an der Luzernerstrasse 45 bis 53, zwei davon im Besitz der Baugenossenschaft WGL, bieten heute echt günstigen Wohnraum an. In Neubauten wird er x-fach teurer sein. Die Stadt betreibt hier aktiv Gentrifizierung. Es ist schön, wenn durch cleveres Setzen der Neubauten die Lärmsituation für die künftigen Bewohner beruhigt werden kann. Aber das ist ein Feelgood-Thema für den städtischen Mittelstand. Die heutigen Bewohner nämlich werden davon nicht profitieren, da sie sich den neuen Wohnraum ja gar nicht mehr leisten können. Sie werden schlicht aus dem Quartier entfernt. Ist es nicht peinlich, ja höhnisch vor diesem Hintergrund, sich hinzustellen und damit zu brüsten, man habe gemeinnützigen Wohnraum geschaffen?

    Es ist übrigens nicht nur unsozial, ohne Not alte Bauten durch neue zu ersetzen, sondern genauso unökologisch: Neubauten zu erstellen verzehrt massiv mehr Ressourcen, als bestehende Gebäude, falls nötig, zu renovieren. Liebe Stadt, bitte, geht diesbezüglich über die Bücher. Mit schicken Vorzeige-Siedlungen ist nur wenigen gedient, für zahlbaren Wohnraum hat aber die gesamte Stadtbevölkerung gestimmt!

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  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 12.11.2021, 08:24 Uhr

    Der Herr soll mal im Wesemlin nachfragen, was mit solchen Bäumen passiert. Da nützt auch das Demonstrieren und Plakatieren nichts. Und die Wäsmeli-Eiche war um einige Jahre jünger. Gepflanzt 1978 musste sie der römisch-katholischen Kirche weichen. Da kannst du im achtzehn Eck hin und her springen. Daraus kann man schöne «Plauderbänkli» machen und man hat eine weitere Begegnungszone, wo sich Velofahrer und Fussgänger gute Nacht sagen können. So geht das.

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