Knödel und Mochi vom Bauernhof

Zugerin deckt die Schweiz mit japanischen Knödeln ein

Sushi, Ramen, Teriyaki. Kennen wir alles. Ganz bewusst hat sich die Zugerin Michie Matsugane mit der Produktion gedämpfter Knödel deshalb eine Nische in der japanischen Küche gesucht. Mit Erfolg.

Ein rumpliger Feldweg führt zu einem Bauernhof. Einer wie Dutzende andere, die das Säuliämtler Dorf Obfelden umgeben. Hühner gackern aufgeregt, der Hahn kräht drohend, als wir neben der Scheune parkieren. Es nützt nichts. Wir steigen trotzdem aus. Denn wir sind auf der Suche nach Exotik. Und finden diese zwischen Bauernhaus und Kuhstallungen.

Hier liegt die Kona-Küche, wo mehrmals in der Woche japanische Spezialitäten hergestellt werden. Durchs Fenster erhaschen wir einen Blick auf  vier konzentriert arbeitende Japanerinnen. Die Frau, die sich später als Michie Matsugane vorstellt, erblickt uns, und winkt uns freundlich hinein in die Back- oder viel eher Dämpfstube.

Hier werden Mochis, also kleine, süsse Reismehlbällchen produziert. Und gefüllte Hefeklösse, die nicht gebacken, sondern nach japanischer Manier gedämpft werden.

Die Spezialitäten werden an verschiedene Restaurants und japanische Läden in der ganzen Schweiz vertrieben, unter anderem ans Zuger Hotel Guggital, das «Maple Coffeehouse» in Unterägeri sowie den Daruma Japan Shop in Luzern.

Yuzu-Mochi in ihrer vollen Pracht. (Bild: wia)

Weil es keine Backkurse gab, wurde sie Bäckerin

Der Grund, warum Michie Matsugane in der Schweiz landete, ist die Liebe. «Ich habe meinen deutschen Mann kennengelernt, als er in den 90ern in Japan studierte.» Das Paar zog später gemeinsam nach Berlin, wo Matsugane eine Ausbildung zur Bäckermeisterin machte. «Davor hatte ich beruflich gar nichts mit Backen zu tun, sondern arbeitete im Büro. Doch fand ich das deutsche Brot sehr fein, weshalb ich das Backen erlernen wollte.»

Das Problem: Einen normalen Backkurs gab es in Berlin nicht. Das hat Matsugane aber erst gemerkt, als sie im Sekretariat des örtlichen Bäckerverbands stand und man ihr sagte, dass sie eine Lehre machen müsse, um backen zu lernen. «Das habe ich dann getan.» Matsugane schloss als Jahrgangsbeste ab und legte später die Meisterprüfung ab.

Mit einem Kunden gestartet

Nach Zug kam das Paar, als Matsuganes Mann hier 2002 eine Firma gründete. Seither lebt die mittlerweile vierköpfige Familie in der Kolinstadt. «Als meine Kinder jünger waren, hatte ich nur einen einzigen Kunden. Doch hatte ich damals sowieso nicht die Zeit, mehr zu arbeiten. Später kamen mehr und mehr Kunden dazu», sagt die Japanerin, während sie Teig für die einzelnen Hefebuns abwägt.

Es ist ein Trend, der nicht abzureissen zu scheint. Im Gegenteil. Die Spezialitäten aus der Kona-Küche sind so beliebt, dass die Produktion immer wieder ausgeweitet werden muss.

Michie Matsugane zeigt stolz die hausgemachte Misopaste. Der Fermentierungsprozess des Sojaprodukts dauert mindestens ein halbes Jahr. (Bild: wia)

Dass Matsugane gerade auf diesem Bauernhof in Obfelden landete, ist ebenfalls dem Zufall oder Schicksal geschuldet. «Weil ich gerne mit regionalen Produkte arbeite, war ich auf der Suche nach Shiitake-Pilzen aus der Gegend. Hier, bei Bio-Landwirt Fabian Schneebeli wurde ich fündig.»

Dass sich die Zugerin nicht wie viele andere auf bekannte japanischen Gerichte wie Sushi oder Ramen fokussiert, hat einen einfachen Grund: «Als ich in der Küche gearbeitet habe, habe ich gemerkt, dass die Köche nicht besonders gut mit Hefeteig umgehen können. Ich kann kochen und als Bäckermeisterin auch gut mit Hefeteig umgehen. Das ist eine Nische.» Ausserdem könne man Knödel mit Füllung gut einfrieren und als Tiefkühlprodukt verkaufen, was wiederum praktisch ist für die Kundschaft.

Die Vögel pfeifen, der Teig geht auf

Eine der Mitarbeiterinnen beginnt, den leicht flachgedrückten Hefeteig für sogenannte Anman mit einer braunen Paste zu füllen. Sie tut es ohne Eile und sehr geschickt. Im Hintergrund pfeifen exotische Vögel aus einem portablen Lautsprecher. Die Mitarbeiterin legt eine beeindruckende Mischung aus Ruhe und Flinkheit an den Tag. Wie wir später im Selbstversuch lernen sollten, ist beides keine Selbstverständlichkeit.

Die braunrote Paste besteht aus Adzukibohnen, erklärt uns Matsugane. Diese kleinen, rötlichen Bohnen werden gekocht, mit Zucker gesüsst und eingedickt. «Solche Knödel sind sehr typisch für Japan.»

Bis vor kurzem musste sie die Bohnen immer von weither kommen lassen. «Wir haben unsere Bio-Adzukibohnen vorher aus China bestellt, wo sie in grossen Mengen angebaut werden. Letztes Jahr hat Fabian Schneebeli, der Bauer dieses Hofes, angeboten, die Bohnen versuchsweise selber anzubauen.» So kommt es, dass in Obfelden dank der Kona-Küche das erste Adzukibohnen-Feld der Schweiz steht. Und erst noch in Bioqualität.

Adzukibohnen, frisch geerntet. (Bild: wia)

Ob sich der eigene Anbau lohnt? «Ja! Die Bohnen sind viel zarter als die importierten, die Schale ist weniger dick, weshalb sie weniger lange gekocht werden müssen, ausserdem ist der Geschmack wirklich gut.» War es letztes Jahr noch ein kleinerer Versuch, so baute der Landwirt heuer bereits ein ganzes Feld an.

«Noch ist das Jäten mit viel Handarbeit verbunden», erklärt Fabian Schneebeli, den wir auf dem Weg ins Bauernhaus abfangen. «Die Herausforderung ist, dass ich niemanden fragen kann, wie der Anbau genau funktioniert. Auch weiss ich noch nicht genau, wie ich die Erntemaschine einstellen muss, damit nicht zu viele Bohnen kaputtgehen.»

Die Adzukibohne gedeiht auf Schneebelis Land. (Bild: zvg)

Darum musste Matsugane anfangs bei Bekannten nachfragen, die in Japan Adzukibohnen anbauen. «Denn wir wussten ja nicht einmal, ob wir schon im Sommer oder erst im Herbst ernten müssen», sagt sie lachend, während sie uns das gefüllte Fass mit Bohnen, die vor wenigen Wochen geerntet wurden, zeigt.

Gar nicht so einfach, diese Knödelproduktion

Ebendiese superlokalen Bohnen also stecken in der Paste, die nun aufs Gramm genau abgewogen in die Knödel gefüllt wird. Eine der Mitarbeiterinnen fordert uns auf, es ihr gleichzutun. Tatsächlich ist es eine schöne Arbeit. Der Hefeteig fühlt sich auf der Haut gut an, das Einarbeiten der Bohnenpaste in den Teig verlangt einiges an Fingerspitzengefühl. Alternativ zu den süssen Knödeln produzieren die vier Japanerinnen auch solche mit Schweinefleisch-, Gemüse- oder Curryfüllung.

Die vier Stück, die wir selber erschaffen haben, kommen daraufhin in den abgeschalteten Steamer, wo sie eine Weile aufgehen, bevor sie dort 15 Minuten gedämpft werden und sich zur vollen Pracht entfalten. Irgendwie abenteuerlich.

Nicht weniger ulkig geht es in der Mochi-Ecke der Küche zu. Die Mitarbeiterinnen arbeiten behände, füllen den klebrigen, gesüssten Reismehlteig gerade von Hand mit einem Yuzu-Mousse. Es handelt sich dabei um eine sehr aromatische, in Europa noch wenig bekannte Zitrusfrucht.

Doch auch westlichere Geschmacksrichtungen werden heute produziert. So etwa eine Weihnachtsvariante mit Adzukibohne, Baumnuss und Zimt. Gerade probieren die beiden Japanerinnen die neue Geschmacksrichtung Sesam aus und kichern dabei hinter ihrer Maske. Noch ist die Kreation offenbar nicht ganz marktreif.

Mittlerweile sind unsere Adzukibohnen-Knödel gar. Liebevoll werden sie von Michie Matsugane in eine Kartonbox gepackt. Wir dürfen sie nach Hause nehmen. Zum Glück. Die etwas aus der Form geratenen Buns können nicht mit den perfekten Klössen mithalten, die später in den Verkauf gelangen. Keine Stunde später sind sie dennoch weg.

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