Eine neue Art von Arztpraxis kommt nach Zug. Die Notfall- und Hausarzt-Gruppenpraxis neben dem Bahnhof Zug wird täglich offen haben und empfängt Patienten von 7 Uhr bis in den Abend hinein – auch ohne Anmeldung. In der Stadt Aarau sorgte das Modell teilweise für Kritik. Wie ist das in Zug?
Im Januar 2018 wird neben dem Bahnhof Zug das erste «Arzthaus» der Zentralschweiz aufmachen. Die Hausarzt-Gruppenpraxis ist an 365 Tagen offen und hat lange Öffnungszeiten – werktags von 7 bis 20 Uhr, am Wochenende bis 18 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht nötig, deshalb nennt man das Modell auch «Walk-in-Praxis».
Die Praxis befindet sich in den inzwischen umgebauten Räumlichkeiten der früheren Post an der Alpenstrasse 15. «Wir sind am Einrichten, es wird sehr schön», sagt Jennie Olsson auf Anfrage. Die gebürtige Schwedin und ihr Mann sind Besitzer dieser und vier weiterer solcher Praxen in der Deutschschweiz (siehe Box ganz unten). Die fünfte wird jetzt in Zug realisiert.
Ideale Lage im Zentrum
Der Grund, dass «Arzthaus.ch» zuerst in Zug und nicht etwa im grösseren Luzern eine Praxis eröffnet, ist laut Olsson die Lokalität. «Die Lage beim Bahnhof ist genial, die Praxis ist gut zugänglich für Patienten.»
Modern ist das 365-Tage-Notfallkonzept des neuen Arzthauses Zug. Versorgt werden allerdings nur kleinere medizinische Probleme wie Wundversorgung, hiess es. Die Praxis wird auch ein Röntgengerät haben. Ansonsten verweist man ans Kantonsspital. Die Wahl der Nummer 144 ist bei lebensbedrohlichen Situationen angezeigt. Die Zuger Ärztegesellschaft empfiehlt für andere Notfälle auf ihrer Website, den eigenen Hausarzt oder Kinderarzt anzurufen. Wenn dieser oder sein Stellvertreter nicht erreichbar ist, wird als letzte – und teure – Option eine 0900-Nummer angegeben: Sie kostet stolze 3.23 Franken pro Minute.
Das Wohn- und Geschäftshaus gehört der Post. Den hinteren Teil der ehemaligen Post-Fläche hat das Radiologiezentrum Zug gemietet, das sich bereits im Gebäude befindet. Es plant dort eine Erweiterung.
Zielpublikum: Leute ohne Hausarzt
Im vorderen Teil zieht «Arztpraxis.ch» ein. Zielpublikum der neuen Gruppenpraxis mit 365-Tage-Notfalldienst für kleinere medizinische Probleme sind laut Olsson zum Beispiel Personen, die keinen Hausarzt haben. «Man kann aber seinen Hausarzt natürlich auch bei uns nehmen.»
Ebenfalls angesprochen sind Berufstätige, Pendler und jeder, der unkompliziert einen Arzt aufsuchen will. «Man kam zu uns ohne Voranmeldung kommen», erklärt die Inhaberin. Natürlich sei ein Telefon erwünscht, es müsse aber nicht sein. Berufstätige könnten rasch vor der Arbeit oder aber danach noch kommen, also in den Randzeiten.
Vier Ärzte vor Ort
Im Arzthaus werden drei Allgemeinmediziner, ein Dermatologe und an vorerst zwei Tagen pro Woche auch ein Psychiater vor Ort sein. Die Namen wollte die Besitzerin noch nicht kommunizieren. Der Leitende Arzt heisst jedoch Hong Phuc Pahn und ist Deutscher mit vietnamesischen Wurzeln.
Das Amt für Gesundheit hat kürzlich die Betriebsbewilligung für den ärztlichen Betrieb im Kanton Zug erteilt, wie im Amtsblatt des Kantons Zugs zu lesen war, Phan obliege die operative und fachliche Leitung.
Ein weiterer Arzt arbeitete bisher am Luzerner Kantonsspital. Das Arzthaus Zug wird Allgemeine und Innere Medizin als hausärztliche Grundversorgung anbieten. Ergänzt durch Spezialsprechstunden in Dermatologie, Psychiatrie und Psychotherapie.
Ist «Arzthaus.ch» dasselbe Modell wie die «Permanence» in gewissen Bahnhöfen – einfach mit anderen Besitzern? Laut Jennie Olsson liegt der Unterschied darin, dass man sich bei der Permanence nicht anmelden kann. «Es handelt sich um die klassische Form der Walk-in-Praxis. Inzwischen gibt es jedoch weitere Modelle wie unseres.»
Kritik von der Ärztegesellschaft
In Aarau, wo ebenfalls ein Arzthaus eröffnet wurde, übte indes die Präsidentin der Ärztegesellschaft Bezirk Aarau in der Regionalzeitung Kritik. «Mich stört, wenn solche Praxen von Betriebswirtschaftern nach ihren Kriterien geführt werden», sagte Barbara Weilenmann der «AZ».
Sie befürchtete ausserdem ein Überangebot von Hausärzten in der Stadt, weil gleichzeitig das dortige Kantonsspital eine Notfallpraxis im Bahnhof eröffnete. Patienten ohne Hausarzt seien überdies teurer für das Gesundheitswesen.
Was sagt Zuger Kantonsarzt?
Und was sagen die Zuger Ärzte? Der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri antwortet zentralplus auf die Frage, ob das neue Konzept gut oder schlecht für Zug ist, diplomatisch, Gemeinschaftspraxen nähmen seit einigen Jahren zu. «Diese Entwicklung geht einher mit den allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen. Sie ist weder gut noch schlecht, sondern entspricht dem Zeitgeist.» Zum Notfallangebot meint Hauri, alle Hausärzte seien gesetzlich verpflichtet, Notfälle zu versorgen.
Die Berufsausübungsbewilligung sei vergleichbar mit dem Führerausweis, sagt der Kantonsarzt. «Sind die formellen Voraussetzungen erfüllt, wozu die Berufsdiplome zählen, so besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Bewilligung.» Über die Qualität der Dienstleistungen sage das nichts aus. «Wie beim Führerausweis kann also von einer Qualitätsgarantie keine Rede sein», sagt Rudolf Hauri.
Kein Überangebot an Allgemeinmedizinern
Laut Geschäftsfrau Jennie Olsson haben diejenigen Zuger Ärzte, mit denen sie Kontakt hatte, kein Problem mit dem neuen Konkurrenten. «Sie sind ganz froh, dass noch weitere Allgemeinmediziner nach Zug kommen, weil der Bedarf gross ist.» Wenn wieder eine Hausarztpraxis schliesse, weil der Inhaber zum Beispiel pensioniert wird, bekämen die anderen Ärzte viele Anfragen von Patienten.
Keine Permanence
Der Bahnhof Zug hat zwar keine «Permanence» wie Luzern oder Zürich, im Bahnhofsgebäude befindet sich aber seit Jahren eine Zahnarztpraxis, die ebenfalls 365 Tage im Jahr offen hat. Der letzte Inhaber verlor allerdings wegen vieler Fehlbehandlungen und Klagen seine Bewilligungen zur Berufsausübung als Zahnarzt und auch Arzt (zentralplus berichtete).
Wer hinter «Arzthaus.ch» steht |
Jennie und Martin Olsson, die Besitzer und Geschäftsführer von «Arzthaus.ch», sind selber keine Ärzte. Sie haben aber ein Modell einer Hausarztpraxis umgesetzt, das offensichtlich funktioniert. Jennie Olsson arbeitete vor dem Start der Arzthaus-Kette 2011 in internationalen Firmen der Medizintechnik und als Unternehmensberaterin. Ihr Mann war als Manager und Berater im Finanz- und Immobiliensektor tätig. Innert fünf Jahren hat das schwedische Ehepaar, das seit 17 Jahren in der Schweiz (in Zürich) lebt und laut Olsson inzwischen den Schweizer Pass besitzt, bereits vier Praxen aufgebaut: eine in Aarau, eine in St. Gallen und zwei in Zürich. «Wir haben in dieser Zeit rund 75’000 Patienten betreut», sagt Ollson zu zentralplus. Die fünfte wird nun in Zug aufmachen. Weitere Praxen in der Zentralschweiz sind momentan keine geplant. Aber das könnte noch kommen. Vorbild sind die über 30 Zahnarztzentren («Zahnarztpraxis.ch») von Sara und Christoph Hürlimann, die auch an der Firma der Olssons beteiligt sind. Sara Hürlimann stammt ursprünglich ebenfalls aus Schweden. Hürlimanns betreiben auch die Kette Kinderarzt.ch. |