Luzerner Sparpolitik bringt Prämienzahler in Not

Prämienverbilligung: Concordia weist alleinerziehende Mutter ab

Hauptsitz des Krankenversicherers Concordia am Bundesplatz in Luzern.

(Bild: zvg)

Für die Übernahme von wegfallenden Prämienverbilligungen für Familien erntete der Krankenversicherer Concordia viel Sympathie. 2’100 Familien müssen die Prämienverbilligung dadurch nicht zurückzahlen. Doch nicht alle Hoffnungen haben sich erfüllt, wie der Fall einer alleinerziehenden Mutter zeigt.

Renate Huber (Name geändert) ist verzweifelt. Wie rund 8’000 andere Luzernerinnen und Luzerner erhielt sie diesen Monat schlechte Neuigkeiten von ihrem Krankenversicherer. Gut 3’100 Franken beträgt die Rechnung, die sie aus dem Couvert zog. Ein Schock für die alleinerziehende Mutter eines 8-jährigen Knaben.

Die Concordia, bei welcher Frau Huber versichert ist, verlangt von ihr einen Teil der Prämienverbilligung für das laufende Jahr zurück. Dies, weil der Kanton Luzern auch 2017 erneut bei der individuellen Prämienverbilligung spart. Rund 15 Millionen Franken weniger gibt er dafür aus.

«Ich habe keine Ahnung, wie ich die Rechnung bezahlen soll. Die einzige Möglichkeit bleibt momentan wohl eine Verschuldung.»

 Alleinerziehende Mutter

«Ich verstehe die Welt nicht mehr», sagt Renate Huber. «Ich dachte, dass die Concordia für alle Familien, deren Haushaltseinkommen weniger als 54’000 Franken pro Jahr beträgt, die wegfallende Prämienverbilligung übernimmt.»

Sie nimmt Bezug auf eine Medienmitteilung der Concordia von Ende September. Hier wurde die Übernahme der vom Kanton Luzern geforderten Rückzahlungen der individuellen Prämienverbilligung durch eine hauseigene Stiftung angekündigt. Die Stiftung wendet dafür gut 2 Millionen Franken auf (zentralplus berichtete).

Grosse Enttäuschung nach Absage

Als Renate Huber bei der Concordia nachfragt, die Rechtmässigkeit der Rechnung bestreitet und einen Verzicht der Forderung wie bei den anderen betroffenen Familien verlangt, wird sie vom Versicherer abgewiesen. Ihrem Antrag könne nicht nachgekommen werden, teilt ihr die Concordia mit. Sie erfülle die Kriterien nicht, um vom speziellen Angebot der Stiftung zu profitieren.

Die 48-Jährige ist wütend und sehr enttäuscht. «Ich bin seit Jahrzehnten bei der Concordia versichert», sagt sie. «Zu meinem eigenen grossen Glück und dem der Krankenkasse bin ich seit jeher bei guter Gesundheit und habe sehr selten medizinische Hilfe oder Leistungen der Krankenkasse bezogen», führt sie aus. «Ich habe keine Ahnung, wie ich die Rechnung bezahlen soll. Die einzige Möglichkeit bleibt momentan wohl eine Verschuldung», sagt Renate Huber.

Schuld liegt nicht bei der Krankenkasse

Der Concordia macht sie happige Vorwürfe: «Als alleinerziehende Mutter fühle ich mich von der Versicherung diskriminiert», sagt sie. «Kann es sein, dass die Versicherung ein antiquiertes Familienbild hat und die Kosten nur für die Familien übernimmt, in denen Vater und Mutter zusammenleben?», fragt sie sich.

«Wir bedauern die Situation von Frau Huber sehr.»

Astrid Brändlin, Sprecherin Concordia

Diesen Vorwurf weist die Versicherung zurück. «Selbstverständlich gilt unser Angebot für alle Familien. Der Lebensentwurf von Versicherten hat überhaupt keinen Einfluss auf unsere Entscheidung», sagt die Medienverantwortliche bei Concordia, Astrid Brändlin. «Da Frau Hubers Einkommen unter der vom Kanton herabgesetzten Einkommensgrenze von 54’000 Franken liegt, bekommt sie weiterhin die volle Prämienverbilligung für ihren Sohn.»

Somit fällt sie auch nicht in die Kategorie von Familien, welche schon erhaltene Prämienverbilligungen für ihre Kinder zurückzahlen müssen. Frau Hubers persönliche Prämienverbilligung wurde vom Kanton gekürzt, weil sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse gemäss der neuen Steuerveranlagung um 24’000 Franken verbessert haben. «Wir bedauern die Situation von Frau Huber sehr», sagt Brändlin. Helfen können man ihr indes nur bedingt.

Sohn erhält die komplette Prämienverbilligung

«Da Frau Huber ein Einkommen von weniger als 54’000 Franken hat, ist die Police des Sohnes von den kantonalen Sparmassnahmen und folglich den Kürzungen der Prämienverbilligungen gar nicht betroffen. Frau Huber muss für ihren Sohn also auch gar keine Prämienverbilligungen zurückzahlen. Deshalb kann er nicht von unserem speziellen Angebot profitieren», führt Brändlin aus (siehe Box).

Tatsächlich basiert die Verfügung der Ausgleichskasse für die Prämienverbilligung von Frau Huber auf einem Einkommen von knapp 24’000 Franken. Ihr Anspruch auf eine individuelle Prämienverbilligung ist deshalb unbestritten, hat sich aber drastisch verkleinert.

Die Rückzahlung der individuellen Prämienverbilligung wurde deshalb notwendig, da sich die Einkommensverhältnisse von Frau Huber zwischen der provisorischen Berechnung der Ausgleichskasse im Februar und dem definitiven Entscheid vom September um 24’000 Franken verbessert haben.

Prämienverbilligung nur provisorisch ausgezahlt

Der Kanton hatte wegen des fehlenden Budgets zu Beginn dieses Jahres entschieden, die Prämienverbilligungen vorerst nur provisorisch und bis September auszuzahlen. Nach der Verabschiedung des definitiven Budgets im September wurden alle Ansprüche auf Prämienverbilligung neu berechnet.

2’200 Franken Prämienverbilligung muss Renate Huber nun für die ersten neun Monate des laufenden Jahres an den Kanton zurückzahlen. Hinzu kommen die Prämien für die Monate Oktober bis Dezember – macht insgesamt über 3’100 Franken.

Astrid Brändlin von der Concordia schiebt den schwarzen Peter an den Kanton weiter, der durch seine Sparpolitik die Situation überhaupt erst geschaffen habe. Die Concordia ist bereit, mit der Betroffenen gemeinsam die Modalitäten einer Rückzahlung zu verhandeln. Dies hatte die Versicherung ihren Kunden bereits im August in einem Brief angeboten, wie Astrid Brändlin sagt.

So kamen die Rückzahlungsforderungen zustande

Der Luzerner Kantonsrat hat im Zuge der Budgetdebatte vom September dieses Jahres verfügt, die massgebende Einkommensgrenze für die individuelle Prämienverbilligung von Familien rückwirkend von 75’000 auf 54’000 Franken zu reduzieren. Diese Familien bekommen nun nicht nur keine individuelle Prämienverbilligung für den Rest des Jahres, sondern müssen auch noch die schon erhaltene Prämienverbilligung dem Kanton zurückzahlen.

«Das finden wir unrecht und für diese Familien schwierig. Aus diesem Grund sind wir hier freiwillig in die Bresche gesprungen und übernehmen die Rückzahlungen für diese Familien», sagt Astrid Brändlin von der Luzerner Krankenversicherung Concordia.

Keine Familienpolicen

Im ganzen Kanton Luzern gibt es aktuell gut 8’000 Einzelpersonen die – wie Renate Huber – aufgrund veränderter Einkommensverhältnisse bereits ausbezahlte Prämienverbilligungen zurückzahlen müssen.

Familienpolicen gibt es nicht. Alle Familienmitglieder sind individuell versichert. Prämienverbilligungen werden deshalb für jedes Familienmitglied separat berechnet. Basierend auf dem massgebenden Einkommen von nun 54’000 Franken erhalten Kinder und Jugendliche in Ausbildung von Familien, welche oberhalb dieser Grenze liegen, seit dem Entscheid des Kantonsrats keine Vergünstigungen mehr. Ob Eltern wie Renate Huber als Einzelpersonen von Prämienrabatten profitieren können, muss in jedem Fall einzeln geprüft werden.

 

 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Marcel Budmiger
    Marcel Budmiger, 30.10.2017, 16:53 Uhr

    Der schwarze Peter gehört nicht der Concordia zugeschoben, sondern der Luzerner regierung. Damit sich so etwas nicht mehr wiederholt, jetzt die SP-Initiative für sichere Prämienverbilligung unterschreiben: http://bit.ly/2gUA1MX

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