Flächendeckend Tempo 30

Neuheim: Furcht vor fehlenden Fussgängerstreifen

Der SVP-Kantonsrat Emil Schweizer möchte in Neuheim keine flächendeckende Tempo-30-Zone sehen. (Bild: zvg)

Neuheim will als erste Zuger Gemeinde flächendeckend Tempo 30 einführen. Doch die lokale SVP und FDP machen Stimmung dagegen. Ebenfalls umstritten: Der Gemeinderat will die Fussgängerstreifen entfernen. Ist das wirklich sicherer?

Im März stimmen die Neuheimerinnen über die flächendeckende Einführung von Tempo 30 im ganzen Dorfgebiet ab. Derzeit gilt im Dorfzentrum und in den meisten Wohnquartieren eine Höchstgeschwindigkeit von 50 Kilometer pro Stunde. Folgen die Einwohnerinnen der Empfehlung des Gemeinderats und stimmen für die Änderung, wird Neuheim die erste Zuger Gemeinde, die eine flächendeckende Tempo-30-Zone einführt.

«Dass Neuheim als kleinste Gemeinde und ohne viele Unfälle jetzt eine Vorreiterrolle spielen muss, sehe ich nicht ein», sagt der Neuheimer Kantonsrat Emil Schweizer (SVP) auf Anfrage von zentralplus. Erst neulich hat er sich in einem Leserbrief in der «Zuger Zeitung» dezidiert gegen die Pläne ausgesprochen, ebenso wie Alt-Kantonsrat Thomas Lötscher (FDP). Auch die Ortsparteien haben sich in der Vernehmlassung kritisch geäussert.

SVP und FDP sind dagegen

Die örtliche SVP und FDP sind vom Vorschlag des Gemeinderats nicht überzeugt. Die SVP betont, dass die eigentlichen Gefahrenstellen durch Tempo 30 nicht sicherer werden. Sie empfiehlt die Vorlage daher zur Ablehnung. Die FDP kritisiert Bevormundung und zunehmende Bürokratisierung und erteilt für die Vorlage «Stimmfreigabe».

«Da wo kein Problem ist, machen wir riesige Verbauungen. Und da wo es Probleme gibt, machen wir nichts.»

Emil Schweizer, Kantonsrat (SVP)

Emil Schweizer erklärt, warum die SVP die Tempo-30-Zone ablehnt: «In Neuheim gibt es keinen Durchgangsverkehr, hier fahren nur Leute, die das Dorf kennen.» Zudem seien die Massnahmen am falschen Ort geplant. Es gäbe einige Gefahrenstellen im Dorf, diese würden durch die geplante Zone aber nicht sicherer. «Da, wo kein Problem ist, machen wir riesige Verbauungen. Und da, wo es Probleme gibt, machen wir nichts.»

Machen fehlende Fussgängerstreifen das Überqueren sicherer?

Neben der reduzierten Höchstgeschwindigkeit im Dorf werden auch die Fussgängerstreifen entfernt. Denn in einer Tempo-30-Zone gibt es diese nicht. Die Gemeinde will stattdessen Vertikalversätze anbringen. Ein Vertikalversatz ist eine Erhöhung der Fahrbahn an einer Stelle, die Autos dazu bringt, die Geschwindigkeit zu reduzieren.

Die Gemeinde Neuheim will flächendeckend Tempo 30 einführen.

Macht das Entfernen der Fussgängerstreifen die Überquerung der Strasse nicht gefährlicher? Nein, findet der Gemeinderat. Dadurch, dass Fussgänger kein Vortrittsrecht haben, sind sie zu Vorsicht verpflichtet, so lautet das Argument in den Abstimmungsunterlagen. Gleichzeitig würden die Autos aufgrund des Vertikalversatzes ihre Geschwindigkeit reduzieren.

«Für die Sicherheit bringt das Entfernen der Fussgängerstreifen nichts.»

Emil Schweizer

Für Emil Schweizer ist das Humbug. Wenn die Streifen verschwinden, könnten die Menschen die Strasse irgendwo überqueren und müssten ständig auf den Verkehr achten. Und dies nicht unter Bedingungen wie in einer Tempo-20-Zone, wo Fussgänger generell Vortritt haben. «Für die Sicherheit bringt das Entfernen der Fussgängerstreifen nichts.»

Nur acht Unfälle in fünf Jahren

Umstritten ist auch, ob es angesichts der Unfallstatistik von Neuheim wirklich solche Massnahmen benötigt. In einer Studie, welche die Gemeinde in Auftrag gegeben hat, werden acht Unfälle in den letzten fünf Jahren aufgelistet. Es waren Parkschäden, ein Zusammenstoss beim Wenden, zwei Selbstunfälle und ein Unfall, bei dem ein Fussgänger beteiligt war.

«Es gibt im Dorf aus verkehrstechnischer Sicht unbestritten einige Gefahrenstellen.»

Andreas Bächtold, Gemeinderat (SVP) Neuheim

Das knapp 40-seitige Gutachten ist die Grundlage für die geplante Verkehrsberuhigung im Dorfkern. Für Gemeinderat Andreas Bächtold (SVP) ist die Sache klar: «Es gibt im Dorf aus verkehrstechnischer Sicht unbestritten einige Gefahrenstellen», schreibt der Vorsteher Sicherheit, Infrastruktur und Verkehr auf Anfrage von zentralplus.

Schon zweimal abgelehnt

Da das Projekt 210'000 Franken kosten würde, darf jetzt das Volk entscheiden. Gemäss Neuheimer Finanzrichtlinien gilt für Projekte über 100'000 Franken Bausumme die Pflicht zur Abstimmung. Ob die Neuheimer dem ambitionierten Projekt zustimmen werden, ist mehr als ungewiss.

Einzig die Mitte hat sich in der Vernehmlassung nicht negativ dazu geäussert. Ausserdem ist die flächendeckende Einführung von Tempo 30 bereits zweimal an der Gemeindeversammlung abgelehnt worden.

Auch die rechtlichen Angelegenheiten sind noch nicht abschliessend geklärt. Denn die geplanten Änderungen auf der Dorfstrasse liegen auch auf einer Kantonsstrasse. «Eine allfällige Umsetzung der Tempo-30-Zone, insbesondere bauliche Massnahmen, auf diesem Strassenstück muss mit kantonalen Behörden abgesprochen werden», bestätigt Gemeinderat Andreas Bächtold.

Verwendete Quellen
  • Abstimmungsunterlagen der Gemeinde Neuheim
  • Schriftlicher Austausch mit Andreas Bächtold, Mitte-Gemeinderat Neuheim
  • Telefonat mit Emil Schweizer, SVP-Kantonsrat aus Neuheim
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1 Kommentar
  • Profilfoto von D.K.
    D.K., 04.03.2023, 06:58 Uhr

    Keine Fussgängerstreifen? Man sieht am Beispiel Horw bestens, wie fatal dies ist. Verkehrserzieherisch, sicherheitstechnisch und aus Gründen des gesunden Menschenverstands völliger Blödsinn!

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