Gegen Willen des Gemeinderats

Auch Oberägeri hofft jetzt auf einen Umfahrungstunnel

Der idyllische Dorfkern von Oberägeri soll vom Verkehr befreit werden. Ob ein Umfahrungstunnel dabei hilft, bezweifelt Gemeindepräsident Marcel Güntert. (Bild: Andreas Busslinger / FDP)

Obwohl Tunnelprojekte im Kanton Zug gerade Hochkonjunktur haben, will der Gemeinderat von Oberägeri keinen Umfahrungstunnel. Die Bevölkerung aber schon.

Nicht kleckern, sondern klotzen. Das hat sich wohl jüngst die Zuger Regierung gedacht: Kürzlich teilte sie mit, in der Stadt Zug und in Unterägeri je einen neuen Tunnel bauen zu wollen (zentralplus berichtete). Kostenpunkt: Lächerliche 1'000 Millionen Franken – also eine Milliarde.

Dem im Jahr 2016 abgelehnten Stadttunnel zum Trotz, haben Tunnelprojekte im Kanton Zug Hochkonjunktur (zentralplus berichtete). Die vom Verkehr geplagten Gemeinden werden mit Freude zur Kenntnis nehmen, dass die Zuger Regierung offensichtlich keine Kosten scheut, um den Verkehr unter dem Boden zu verstecken. Und – so die Hoffnung – die Aufenthaltsqualität der Zentren zu vergrössern.

Auch Oberägeri will einen Umfahrungstunnel

Die Grosszügigkeit des Kantons ist auch der Gemeinde Oberägeri nicht entgangen. So hat die lokale FDP eine Motion eingereicht, mit der Forderung, dass sich der Gemeinderat beim Kanton für einen Umfahrungstunnel einsetzt. Was Unterägeri bekommt, will die FDP Oberägeri auch in ihrem Dorf.

In Unterägeri hat dieses Vorgehen funktioniert. So stand am Anfang des Entscheids zugunsten des Tunnels ebenfalls ein Vorstoss zweier Ägerer Kantonsräte, welche die Festsetzung des Tunnels im Richtplan forderten – und beim Kanton auf Gehör stiessen.

«Abklärungen haben gezeigt, dass ein Umfahrungstunnel in Oberägeri in keinem Kosten-Nutzen-Verhältnis steht.»

Marcel Güntert, Gemeindepräsident

Und weil Tunnelprojekte in Zug offenbar beliebt sind, ist es wenig überraschend, dass die Gemeindeversammlung diese Woche die Motion mit grosser Mehrheit überwiesen hat. Sehr überraschend ist es hingegen, dass dies entgegen dem Willen des Gemeinderats geschieht. Denn dieser beantragte die Motion für nicht erheblich zu erklären.

Mit vier bürgerlichen und einem linken Gemeinderat setzt sich die Exekutive Oberägeri nicht anders zusammen als jene in Unterägeri und der Stadt Zug. Wie kommt es also, dass Oberägeri so anders tickt?

Tunnel bringt keinen grossen Nutzen

Gemeindepräsident Marcel Güntert (FDP) relativiert die Frage: «Wir sind Tunnellösungen gegenüber nicht generell abgeneigt.» Die Tangente in Baar oder die Umfahrungsstrasse Cham–Hünenberg empfand der Gemeinderat als sinnvolle Projekte. Doch dort sei das Verkehrsaufkommen wesentlich grösser als in Oberägeri. Darum sei hier ein Umfahrungstunnel nicht gerechtfertigt.

«Abklärungen mit dem Verkehrsplaner im Rahmen der Ortsplanungsrevision haben gezeigt, dass sowohl mit den aktuellen Verkehrszahlen als auch mit den künftigen Prognosen ein Umfahrungstunnel in Oberägeri in keinem Kosten-Nutzen-Verhältnis steht.» Eine Kostenschätzung gibt es zwar noch nicht – angesichts des Preisschilds der Tunnels in Zug und Unterägeri kann man sich die finanziellen Sphären aber vorstellen.

«Selbst mit einem sehr komplexen und teuren Tunnel wird das Dorf höchstens um einen Drittel aller Fahrzeuge entlastet.»

Marcel Güntert

Anders als Güntert sehen es die Motionäre. Sie befürchten, dass der Umfahrungstunnel Unterägeri erst recht zusätzlichen Verkehr nach Oberägeri führen wird. Und da die Hauptstrasse mitten durchs Dorfzentrum führt, brauche es einen Tunnel, um das Zentrum von Oberägeri langfristig aufwerten zu können.

Gemeindepräsident Marcel Güntert hält dem entgegen, dass heute rund 9'000 Autos pro Tag durch Oberägeri fahren. Doch nur bei 3'300 davon handle es sich um Durchgangsverkehr, welcher künftig in einem möglichen Tunnel verschwinden würde. «Das heisst, selbst mit einem sehr komplexen und teuren Tunnel wird das Dorf höchstens um einen Drittel aller Fahrzeuge entlastet», so Güntert.

Statt eines Tunnels schweben der Gemeinde andere Verkehrslösungen vor. «Visionäre ÖV-Projekte», wie es in einer Mitteilung nach der Gemeindeversammlung hiess. Was versteht der Gemeinderat darunter? «Beispielsweise mit einem Mobilitätshub im Zentrum, ergänzend dazu Treppenlifte oder Ortsbusse, um die Aussenquartiere rasch mit dem Zentrum zu verbinden», sagt Güntert. Als weitere Beispiele zählt er den Viertelstundentakt des Busverkehrs nach Zug auf, einen ÖV-Anschluss an die Süd-Ost-Bahn in Biberbrugg und Sattel oder einen Anschluss des Ägeritals an die Stadtbahn Zug.

So geht es jetzt weiter

Den visionären Ideen zum Trotz, die Gemeinde Oberägeri muss ihre Energie nach dem Entscheid der Gemeindeversammlung jetzt zusätzlich in einen Umfahrungstunnel stecken. Die Motion fordert, dass der Gemeinderat die nötigen Abklärungen für einen Tunnel trifft und dann beim Kanton einen Eintrag in den Richtplan beantragt.

Marcel Güntert erklärt das weitere Vorgehen: «Es ist vorgesehen, im kommenden Jahr die Anforderungen des Kantons genau zu klären und dann mit einer Arbeitsgruppe, bestehend aus einer Vertretung der Gemeinde sowie der Motionäre, erste Ideen zu entwickeln.» Eine mögliche Linienführung des Tunnels gibt es noch nicht. Auch diese klärt die Gemeinde jetzt ab. Im Sommer 2024 steht beim Kanton die nächste Anpassung des Richtplans an. Zu diesem Zeitpunkt will Oberägeri dann den Eintrag für einen neuen Umfahrungstunnel eingeben.

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