Windräder auf Kosten der Gemeindeautonomie

Luzerner Regierung will Windkraft – und zwar pronto

Eines der bestehenden Windräder im Kanton Luzern – bis 2050 sollen viele weitere folgen. (Bild: ewi)

Die Luzerner Regierung will mehr Tempo im Ausbau der erneuerbaren Energien. Dazu schraubt sie am Planungs- und Baugesetz. Gemeinden sollen beim Bau von Windrädern künftig weniger mitbestimmen können.

Bis im Jahr 2050 sollen 30 bis 60 Windräder den Kanton Luzern mit erneuerbarer Energie versorgen. Gemäss Plan decken diese künftig ein Viertel des Strombedarfs. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg: Denn bisher sind lediglich drei in Betrieb. Und die, die noch geplant wären, sind wegen langwieriger Verfahren und Widerstand der Anwohner blockiert (zentralplus berichtete).

Bei grösseren Wind- und Wasserkraftanlagen in Luzern verstreichen zwischen Projektbeginn und Baustart zum Teil mehr als 20 Jahre. Das oben genannte Ziel wirkt unter diesen Umständen mehr als ehrgeizig.

Mit diesem Problem steht der Kanton Luzern nicht allein da – schweizweit ächzen Windkraftprojekte durch die rechtlichen und behördlichen Mühlen. Mitte Juni beschloss das Bundesparlament deshalb den sogenannten «Windexpress»: eine Änderung des Energiegesetzes, um das Bauverfahren bei Windrädern deutlich zu beschleunigen.

Grosse Windpärke sollen nicht mehr etappenweise aufliegen

Demnach führen Kantone bei geplanten Windpärken, die mindestens 20 Gigawattstunden Strom pro Jahr produzieren, künftig ein sogenanntes konzentriertes Plangenehmigungsverfahren durch. In diesem sind alle Plan- und Bewilligungsverfahren in einem zusammengefasst: von der Nutzungsplanung über das Enteignungsrecht, die Baubewilligung und die Konzession bis hin zu den umweltrechtlichen Bewilligungen.

Damit will der Bundesrat verhindern, dass bei jeder Etappe ein einzelner Entscheid bis vor Bundesgericht angefochten werden kann. Zudem kürzt das Parlament auch den Rechtsweg: Beschwerden bei solchen Bauprojekten starten direkt beim «oberen kantonalen Gericht» und können allenfalls ans Bundesgericht weitergezogen werden. In Luzern wäre dies das Kantonsgericht.

Die roten Punkte zeigen, wo Windräder geplant oder schon gebaut sind – die markierten Flächen wären dafür geeignet.
Die roten Punkte zeigen, wo Windräder gemäss dem Kanton geplant oder schon gebaut sind – die markierten Flächen wären dafür geeignet. (Bild: Windenergie Richtplantext)

Inspiriert davon hat Mitte-Kantonsrätin Helen Affentranger-Aregger eine Motion eingereicht, die selbiges Vorgehen in Luzern für Anlagen erneuerbarer Energien ungeachtet ihrer Grösse fordert. Der Kantonsrat hat die Motion im Januar überwiesen – nun liegt eine entsprechende Botschaft der Luzerner Regierung vor. Darin schraubt der Regierungsrat am Planungs- und Baugesetz, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen und Klimamassnahmen rechtlich zu legitimieren.

Einsprache nur noch, wenn Möglichkeit zur Einigung besteht

Für die Luzerner Regierung muss der Ausbau der erneuerbaren Energien schneller gehen: «Die Eigenproduktion in der Schweiz muss im Zuge des beschlossenen Ausstiegs aus der Kernenergie massiv gesteigert werden. Auch das aktuelle Weltgeschehen führt uns deutlich vor Augen, dass bei unserer Energieversorgung eine Reduktion der Abhängigkeit vom Ausland anzustreben ist.»

Der Regierungsrat will deshalb auf den «Windexpress» des Bundes aufsteigen. Gemäss der Botschaft soll demnach der Kanton Luzern Plangenehmigungsverfahren für «Anlagen zur Stromproduktion, die im öffentlichen Interesse liegen und einen zentralen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten», anwenden können. Das seien konkret Windpärke, die jährlich mindestens zehn Gigawattstunden durchschnittlich produzieren, Anlagen zur Energiespeicherung in übergeordnetem Interesse und Reservekraftwerke, um die Stromversorgung national zu gewährleisten. Mit letzteren ebnet sich die Regierung den Weg für ein einfaches Verfahren, sollte das vom Bund geprüfte Gaskraftwerk Perlen tatsächlich kommen (zentralplus berichtete).

Im Wesentlichen bedeutet das, dass die Standortgemeinden und deren Einwohnerinnen künftig weniger Mitsprache haben. Wenn die Vorlage gutgeheissen wird, kann die Gemeinde respektive können die Einwohner den Richtplan nicht länger anfechten, sondern erst im Rahmen eines konkreten Projekts im Plangenehmigungsverfahren. Dieser soll jeweils während 30 Tagen in den betroffenen Gemeinden öffentlich aufliegen. Auch das Einspracheverfahren soll bei Windrädern nicht länger obligatorisch, sondern fakultativ sein. Das Baudepartement würde solche nur noch durchführen, «wenn die Aussicht auf eine Einigung besteht».

Windräder auch entgegen dem Wunsch der Gemeinde

Weiter sollen Investoren das Recht erhalten, ein Planungsgenehmigungsgesuch beim Kanton zu stellen, auch wenn die Einwohner der betroffenen Gemeinde das Projekt an der Gemeindeversammlung oder Urne versenkt haben. Sprich: Auch wenn die Rickenbacher einer Schutzzone samt Verbot von Windenergieanlagen zugestimmt haben, könnte das Windradprojekt auf dem Stierenberg trotzdem wieder aufgegleist werden (zentralplus berichtete).

Der Regierungsrat räumt zwar ein, dass damit die Autonomie der Gemeinde stark eingeschränkt wird. Er hält jedoch fest: «[…] Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass bisweilen Partikularinteressen auf kommunaler Stufe wichtige Vorhaben im öffentlichen Interesse gerade zur Energieversorgung zu verzögern oder gar zu verunmöglichen vermögen.»

Zwar haben sich mehrere Gemeinden und der Verband Luzern West ein demokratisches Instrument für die Zustimmung der Standortgemeinde gewünscht. Die Regierung lehnt dies ab, geht dafür aber auf einen anderen Wunsch von ihnen ein. Betreiber von Windpärken sollen Gemeinden und ihrer Bevölkerung ermöglichen, sich direkt oder indirekt an den Windrädern zu beteiligen, damit diese ebenfalls davon profitieren.

Ladestationenpflicht und Mindestabstand für Bäume

Die geplante Änderung des Planungs- und Baugesetzes nimmt die Regierung zudem zum Anlass, ein weiteres Anliegen des Kantonsrats umzusetzen: die Motion von FDP-Kantonsrat Thomas Meier. Er verlangt, bei Neu- und Umbauten von Gebäuden mit Mietwohnungen eine Pflicht für eine E-Ladeinfrastruktur bei Parkplätzen einzuführen. Sprich: Netzanschluss, Stromverteilung, Zähler, Sicherungen, Lastmanagement sowie Zuleitung bis zur Position der künftigen Ladestation.

Die Ladestation an sich soll hingegen erst eingebaut werden, wenn der Mieter effektiv ein E-Auto fährt. Gemäss Botschaft der Regierung soll diese Pflicht bei allen Neubauten gelten, in denen mindestens sechs Wohnungen geplant sind. Weiter greift die Regel auch bei bewilligungspflichtigen Umbauten von Garagen bestehender Gebäude.

Nebst den Ladestationen will der Kanton den Gemeinden Kompetenzen zum Erlass von Vorschriften zu klimaangepasstem Bauen einräumen. So dürfen Gemeinden beispielsweise eine Unterbauungsziffer einführen. Bei dieser muss ein Teil des Untergrunds eines Grundstücks frei bleiben, um etwa Platz für Wurzeln von grösseren Bäumen zu lassen. Weiter sollen sie auch Vorschriften zur Ver- und Entsiegelung, Durchlüftung einer Siedlung oder zu Grenzabständen von Pflanzen einführen können.

Gemeinden wie etwa die Stadt Luzern sind der Hitze grösstenteils ausgeliefert. Sie sollen deshalb Vorschriften für klimaangepasstes Bauen erlassen dürfen. (Bild: Screenshot: Geportal Kanton Luzern)

Noch sind die Änderungen jedoch nicht beschlossene Sache: Voraussichtlich im März beschäftigt sich der Kantonsrat mit der Botschaft. Gibt das Parlament grünes Licht, treten die Änderungen per Anfang 2025 in Kraft.

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11 Kommentare
  • Profilfoto von marsumarsu
    marsumarsu, 12.12.2023, 15:35 Uhr

    Und warum soll die Schweiz nicht das Grundsatzpapier zu mehr Atomkraftwerken unterschreiben, wie das mittlerweile ein Grossteil von europäischen Ländern auch tut.
    Ach Du liebe Schweiz, immer weniger eigene Meinung, dafür eher mitmachen am falschen Ort.
    Kommt dazu, wir sind von vier Ländergrenzen umgeben und nicht nur von einer, wo politisch sowieso das absolute Chaos herrscht.

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    Hilda, 12.12.2023, 15:16 Uhr

    Ich habe absolutes Vertrauen in die Politiker
    Sie verstehen die Materie wie kein anderer
    Deswegen werden sie gewählt, weil ihr Wissen unbegrenzt ist
    Freue mich auf die Windräder

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    Boris Macek, 12.12.2023, 12:56 Uhr

    Ich freue mich sehr über diese News. Es ist genau der richtige Weg. Und viele hier in den Kommentarspalten geäusserten Bedenken lassen sich einfach zerpflücken. So ist es zum Beispiel völlig irrelevant, wenn die Windräder im Sommer mal ein paar Tage stillstehen. Dann scheint ja meistens die Sonne. Entscheidend ist das Potential im Winter!

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    Marie-Françoise Arouet, 12.12.2023, 10:44 Uhr

    Der „Sonnenkraftexpress“ ist ja aus Einsicht in die Ineffizienz und aus Gründen der Demokratie bereits entgleist. Ähnlich dürfte es dem „Windkraftexpress“ ergehen.
    Geradezu grotesk aber sind die „Kompetenzen zum Erlass von Vorschriften zu klimaangepasstem Bauen“, die etwa eine Stadt Luzern erhalten sollen. Wohlverstanden deswegen, weil Luzern sich klimatisch Lugano entfernt nähert, was man in Panikdeutsch bezeichnet als „der Hitze grösstenteils ausgeliefert“. Wieder einmal eine teure und sinnlose Übung, die ausserdem eine de-facto-Enteignung darstellt.

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    Franz, 12.12.2023, 09:58 Uhr

    Die Einschätzungen zum Windkraftpotenzial weichen je nach Studie und Interessenlage um mehrere Faktoren voneinander ab. Hinzu kommt, dass immer von der möglichen Jahresproduktion die Rede ist – wie bei der Solarenergie. An mind. 100 Tagen im Jahr stehen die Räder still. Seis drum. 10 GWh/Jahr pro Windpark tönt nach viel. Damit werden aber gerade mal 2500 Haushalte versorgt (bei 4000 kWh/Haushalt). Vielleicht reichts ja für 3000. Auf die Haushalte entfällt aber nur ca. 1/3 des gesamten Stromverbrauchs. Und die Elektrifizierung der Mobilität etc. bzw. der Ausstieg aus fossilen Energieträgern führt zu einem erheblichen StromMEHRverbrauch.
    Abgesehen vom inakzeptablen Abbau der demokratischen Rechte ist unklar, wer denn überhaupt in diese Windparks investieren soll.

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    Peter Lattmann, 12.12.2023, 08:08 Uhr

    Die Schweiz, die Politik macht in Sachen Energiegewinnung einen sehr grossen Fehler. Wir müssten mit grossem Engagement den Energiebedarf drosseln. Beispiel im Bereich Haushalt weniger Tumbler, im Bereich Profisport Eiskockey nur noch von November bis Februar. Oder auf E-Bike verzichten.

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      Urs Eggler, 12.12.2023, 14:09 Uhr

      Das Eine tun und das andere nicht lassen, sagt man doch. Es braucht beides und es braucht viel davon, also müssen wir (fast) alle Möglichkeiten ausschöpfen und können nicht jedes Mal aufs (temporäre…) Aufstellen von Windrädern verzichten, wenn wenige Einzelpersonen damit nicht einverstanden sind.

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      Marie-Françoise Arouet, 12.12.2023, 15:12 Uhr

      Energiebedarf drosseln bedeutet Deindustrialisierung und Wohlstandsverlust; Wohlstandsverlust bedeutet weniger Geld für effizienten „Klimaschutz“ und Forschung im Energiebereich. Nur wohlhabende Länder können sich Umweltschutz leisten. Ausserdem bedeutet es im Extremfall Demokratieabbau, da sich für Wohlstandsabbau keine Mehrheiten finden lassen.

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        Roli Greter, 12.12.2023, 17:26 Uhr

        Sozialabbau nicht vergessen.

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      Philipp, 12.12.2023, 16:06 Uhr

      Moderne Tumbler brauchen heutzutage nicht mehr Strom als ein Luftenfeuchter. Und den braucht es wenn man die Wäsche zum trocknen aufhängt. Ansonsten ist der Schimmel nur eine Frage der Zeit. Von daher ist es energetisch egal wie man die Wäsche in der Waschküche trocknet.

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    • Profilfoto von Roli Greter
      Roli Greter, 12.12.2023, 17:25 Uhr

      Gute Idee, Fussball dann nur noch März bis April.

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