Kann die Schweiz mit Dubai mithalten?

Aufbruch ins Metaverse: Die Stadt Zug startet durch

Daniel Rutishauser von Inacta bringt Firmen ins Metaverse. (Bild: zvg / Adobe Stock)

Nach Krypto der nächste Coup. Die Stadt Zug begibt sich mithilfe einer Zuger IT-Beratungsfirma ins Metaverse. Nicht zu früh, wie es scheint, denn die Entwicklung nimmt gerade richtig Fahrt auf.

Die Vorstellung einer perfekten Simulation der Welt treibt die Menschen seit Langem um. In dem Film Matrix aus dem Jahr 1999 ist es die rote Pille, die Keanu Reeves offenbart, dass er die «echte» Welt noch nie erlebt hat. Wenig später tritt «Second Life» in Erscheinung, ein US-Konzern, der mit seiner virtuellen Welt verspricht, das Internet zu revolutionieren.

Dann bleibt es lange still. Das «Second Life» wird zu einem Ort für Nerds und Liebhaber. Als die ersten VR-Brillen auf den Markt kommen, reagieren die Meisten skeptisch. Von der grossen Revolution keine Spur. Doch seit Kurzem rollt eine neue Welle heran. Sie trägt den Namen Metaverse.

Von Zuckerberg bis Zug

Weltweit bekannt geworden ist die «nächsten Stufe des Internets», wie es der Branchenverband Bitkom bezeichnet, durch Mark Zuckerberg. Der Facebook CEO verkündete letztes Jahr, Milliarden in die virtuelle Alternativwelt zu investieren. Und benannte Facebook kurzerhand in Meta um.

«‹Second Life› hat bis heute eine grosse Community und eine lebendige Ökonomie.»

Daniel Rutishauser, Partner bei «Inacta»

Seither folgt eine Firma nach der anderen dem Trend – auch in der Zentralschweiz. Ganze vorne dabei ist die Zuger Beratungsfirma Inacta. Sie ermöglicht es Firmen, ihre Präsenz im Metaverse aufzubauen. Wie dem Schweizer Versicherer Smile, bei dem es seit dieser Woche Kundengespräche in der dritten Dimension gibt.

Der wohl ungewöhnlichste Kunde des 2009 gegründeten Unternehmens für digitale Transformation? Die Stadt Zug. Nachdem die Regierung mit der Förderung von Krypto gute Erfahrungen gemacht hat, scheint nun der nächste Schritt zu folgen. Wenn auch vorerst nicht für die Öffentlichkeit.

Noch geht es ums Kennenlernen

«Schnellschüsse, wie es sie zum Teil im Ausland gibt, wollen wir verhindern», erzählt Daniel Rutishauser, Partner bei Inacta. Schon bei Krypto gelang es der Schweiz durch strenge Regulierungen der FINMA, den Ruf international zu stärken. Kaum ein Ort auf der Welt ist vertrauenswürdiger als die selbsternannte «Krypto-Nation» Schweiz.

Wie man es nicht macht, zeigte im Dezember die Europäische Union. Sie lud im Metaverse zu einer gross angekündigten Party mit Livekonzert ein. Investitionen? Ganze 380'000 Franken. Am Ende erschienen gerade einmal sechs Leute. Derartige Blamagen wollen Schweizer Firmen verhindern.

Bei den meisten Aufträgen gehe es um Ideenfindung und Ausbildung im internen Rahmen. Die Firmen müssen lernen, was im Metaverse möglich ist, erklärt Daniel Rutishauser. Oft beginnen sie mit virtuellen Teammeetings, bei denen die Mitarbeiter als Avatare an einem Tisch sitzen. Eine einfache Präsenz koste gerade einmal ein paar Tausend Franken.

So sieht ein Konferenzraum im Metaverse aus.
So sieht ein Konferenzraum im Metaverse aus. (Bild: Adobe Stock)

Keine Ablenkungen mehr

Die Erfahrungen mit digitalen Konferenzen sind sehr gut. Denn wenn Mitarbeitende in einem virtuellen Raum ihre VR-Brille tragen, können sie parallel zum Gespräch nicht gleichzeitig mehrere Programme und andere Websites offen haben. Die Aufmerksamkeit sei viel höher als in einem herkömmlichen Zoom-Meeting, erzählt Rutishauser.

Daneben sind die Möglichkeiten von virtueller Teamarbeit schier unbegrenzt. Im Immobiliensektor könnten bald virtuelle Kundenführungen angeboten werden. In der Automobilindustrie könnten Ingenieurinnen gemeinsam an einem virtuellen Prototyp arbeiten. Oder aber Kundinnen könnten direkt ausprobieren, ob ein Möbelstück in ihr Haus passt.

«Wir sind Realisten. Es ist logisch, dass wir eine 3-D-Erweiterung des Internets bekommen.»

Daniel Rutishauser

Natürlich sei für Firmen auch die Aussenwirkung entscheidend. In der Zentralschweiz sei es nicht leicht, an Fachkräfte zu kommen, erzählt Rutishauser. Mit einem VR-Angebot erhöhe eine Firma ihre Attraktivität. Dasselbe gelte auch für die Stadt Zug, denn der öffentliche Sektor ist für IT-Spezialistinnen nicht die erste Wahl.

Goldgräberstimmung in Dubai, nicht in Zug

Zug scheint auf seine positiven Erfahrungen aus der Kryptowelle aufbauen zu wollen. Als eine der ersten Schweizer Verwaltungen führte Zug 2016 den Bitcoin als akzeptiertes Zahlungsmittel ein. Fast die Hälfte der in der Schweiz und Liechtenstein tätigen Kryptofirmen sitzen in Zug und Zürich.

Doch im Metaverse ist Zug kein Vorreiter. Die Entwickler tummeln sich vor allem in Südkorea und Dubai, erzählt Rutishauser. Die Araber verfolgen mit ihrer geplanten Mega-Wüstenstadt Neom das ehrgeizigste Zukunftsprojekt auf der Welt. Eine Milliarde Dollar will der Wüstenstaat investieren – alleine ins Metaverse.

Die Stadt Zug zieht im Kleinen nach. Inacta hat geholfen, erste Anwendungen zu identifizieren. Auch hier sei zuerst interne Zusammenarbeit im virtuellen Raum geplant. Wann das Ganze auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, kann die Zuger Beratungsfirma mit Zweitniederlassung in Dubai nicht sagen.

Die Entwicklung hat begonnen

Dass die Zukunft der dritten Dimension gehört, bezweifelt kaum einer. Kenner streiten sich eher darüber, ob nicht die «Augmented Reality», also die digitale Erweiterung der Realität, wichtiger werden wird als die Parallelwelt Metaverse.

Die Tatsache, dass das Computerspiel «Second Life» aus dem Jahr 2003 mit ähnlichen Versprechen startete, aber in der Breite nie angenommen wurde, relativiert Daniel Rutishauser. «Die Technologie war noch nicht so weit. Es darf aber nicht vergessen werden, dass ‹Second Life› bis heute eine grosse Community und lebendige Ökonomie hat.»

Seit einigen Jahren steigen die Verkaufszahlen an VR-Brillen weltweit. Die Technikcommunity wartet gespannt auf die geplante Brille von Apple. Experten schätzen, dass ein Gerät des Smartphone-Erfinders aus dem Silicon Valley der Entwicklung einen enormen Schub verleihen könnte.

Für die Inacta aus Zug sind das gute Neuigkeiten. Auf die Frage, ob es auch bei ihnen Zweifel an der Massentauglichkeit des Metaverse gibt, entgegnet der Berater selbstsicher: «Wir sind Realisten. Es ist logisch, dass wir eine 3-D-Erweiterung des Internets bekommen.»

Was ist das Metaverse?

Das Metaverse ist ein digitaler Raum, der durch das Zusammenwirken virtueller, erweiterter und physischer Realität entsteht. «Es gibt nur ein Metaverse. Dort gibt es verschiedene Plattformen, auf die Benutzer zugreifen können. Vereinfacht kann man sich das wie das Internet vorstellen», erklärt Daniel Rutishauser. Die grössten Plattformen sind Roblox, Fortnite und Decentraland. Noch werden die Plattformen besonders von der Gamer-Community genutzt, doch immer mehr Firmen dringen in die virtuellen Räume vor.

Verwendete Quellen
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