Crypto-Krise hat Auswirkungen auf Zug

Was die FTX-Pleite für das Zuger Crypto-Valley bedeutet

Der Krypto-Spezialist Alexander Brunner sieht im FTX-Absturz eine Chance für das regulierte Zuger Crypto-Valley.

Das Zuger Crypto-Valley profitiert: Der Absturz der FTX-Handelsplattform schafft Bedarf nach regulierten Handelsplätzen. Dass der Bund und zahlreiche Banken blockchainbasierte Finanzinfrastrukturen aufbauen wollen, bietet zusätzliche Chancen für Zug.

FTX, die Handelsplattform für Digitalwährungen wie der Bitcoin ist spektakulär zusammengebrochen. Der rasche Geldabfluss hat sie innert weniger Tage kollabieren lassen. Die Gemüter in und ausserhalb der Kryptoszene haben sich erhitzt. Der brüchige Wert von Kryptowährungen wurde grundsätzlich hinterfragt, die energieintensive und damit klimaschädliche Blockchain-Technologie, auf der sie aufsetzt, verteufelt.

Noch kein Crash einer Zuger Kryptofirma

«In dieser Diskussion werden leider ganz unterschiedliche Dinge durcheinandergebracht», sagt Alexander Brunner. Vorab stellt er klar, dass in der Schweiz noch kein Kryptounternehmen wegen des FTX-Crashs Konkurs gegangen ist. Dies, weil die Schweiz infolge der Regulierung durch die Finanzmarktaufsicht Finma auf ihrem Markt Geschäftspraktiken wie diejenige von Sam Bankman-Frieds FTX gar nicht erst möglich macht.

Der in Zug tätige Spezialist für Kryptowährungen und Blockchain-Technologie bestätigt: Der FTX-Crash sei nicht spurlos am Zuger Crypto-Valley vorbeigegangen. «Es ist schwieriger geworden, Geld zu beschaffen. Die Investitionsbereitschaft in kryptobasierte Projekte ist gesunken.» Die Kryptounternehmen in seinem Zuger Umfeld seien skeptischer geworden und würden vorsichtiger agieren.

Ruf nach mehr Sicherheit: Handelsplatz Zug profitiert

Gleichzeitig verweist Alexander Brunner auch darauf, dass dieser Crash nicht nur Handelshemmnisse gebracht hat. «Viele atmen jetzt befreit auf: Im Umgang mit digitalen Währungen und Handelsplätzen sind Sicherheit und Regulierung endlich zu zentralen Themen geworden.» Das hat auch positive Folgen für das Zuger Kryptovalley, das heute über 3000 Personen beschäftigt und aktuell eine Marktbewertung von 44 Milliarden US-Dollar aufweist.

Er sei mehrfach direkt kontaktiert worden. «Allein den letzten zwei Wochen haben vier Firmen Interesse für den sicheren Handelsplatz Zug angemeldet. Sie überlegen sich, ihre Aktivitäten und Firmensitze nach Zug zu verlegen. Entsprechend haben sie sich über die Rahmenbedingungen erkundigt.»

Langsamer unterwegs - und doch eher am Ziel

Der Präsident der Plattform «Home of Blockchain.swiss» und Autor des Buchs «Swiss Crypto Nation» ist sehr überzeugt vom Schweizer Weg. «Die Schweiz setzt auf Sicherheit und nimmt es daher auch genauer. Doch kommt sie dadurch eher ans Ziel.»

Er erinnere sich sehr gut daran, was ihm Mark Branson, der ehemaliger Direktor der Schweizerischen Finanzmarktaufsicht Finma einst auseinandergesetzt habe. Es gebe drei Möglichkeiten, als Regulator Phänomenen wie Bitcoin und Blockchaintechnologie entgegenzutreten. Der erste besteht darin, es nach Wildwestmanier einfach geschehen zu lassen und dabei fahrlässig grosse Unfälle zu riskieren.

Der zweite umfasst ein Verbot dieser Technologien und Transaktionen, so wie es China zum Beispiel gemacht hat. Reguliert sei damit aber noch lange nichts. Der dritte Weg sei zu bevorzugen: Innovativen Firme sollen solche Geschäfte erlaubt werden. Doch gilt es Regeln vorzuschreiben, um Gefahren zu minimieren und diese Aktivitäten so abzusichern.

Wie Alexander Brunner meint, bringt dieser Weg einen nicht zu unterschätzenden Vorteil mit sich: «Durch die Vergabe von Lizenzen lassen sich die Lizenznehmer dann auch gezielt kontrollieren - und gegebenenfalls sanktionieren.» Dieser gründliche Schweizer Weg, so ist er überzeugt, «bewährt sich zunehmend und ist krisenresistent.»

Kryptowährungen sind nicht mit der Blockchain gleichzusetzen

In der aktuell heiss gekochten Debatte geht etwas grundsätzlich unter: «Die Blockchaintechnologie, also die öffentliche, dezentral verteilten Datenbank für Finanztransfers ist etwas ganz anders als die Kryptowährungen, die über diese Blockchain geschürft und gehandelt werden.» Folgende Analogie verdeutlicht diesen Unterschied: Auch die Autobahn ist nicht zu verwechseln mit den Fahrzeugen, die auf ihr verkehren.

Zwar schreibt die Europäischen Zentralbank EZB den Kryptocoins im Zug des FTX-Kollapses die Existenzberechtigung ab und schützt als Schirmherrin der klassischen Finanzintermediäre das Bankenwesen. Unabhängig davon gilt laut Alexander Brunner: «Im Schweizer Finanzmarkt ist das Potenzial der Blockchaintechnologie für schnelle, effiziente Finanztransfergeschäfte wie Bonds nicht nur bei Firmen, sondern auch bei Banken wie der UBS und beim Bund anerkannt.»

Blockchain als Grundlage für neue Finanzinfrastruktur

Anwendungsmöglichkeiten gebe es viele. «Wo eine Börse respektive ein Handelsplatz fehlt, wie zum Beispiel im Geschäft mit Anleihen wie festverzinslichen Wertpapieren, Obligationen oder Schuldverschreibungen ist der Nutzen offensichtlich.»

Denn wenn beispielsweise Bund, Kantone oder Städte zwecks Geldbeschaffung Anleihen herausgeben wollen, müssen sie zuerst ein aufwändiges Verfahren auf sich nehmen. «Das kann schnell mal bis 150 Einzelschritte und aufwändige Absicherungen mit bis 25 Gegenparteien umfassen», wirft Alexander Brunner ein. «Die Blockchaintechnologie ermöglicht im Gegenzug sichere und nachvollziehbare Finanztransfers - und dies sehr schnell. Der Einsatz dieser Technologie kann daher zum wichtigen Wirtschafts- und Erfolgsfaktor werden.

FTX-Börse: Des Kaisers neue Kleider im Kryptogeschäft

Die Geschäftspraxis der auf den Bahamas domizilierten FTX erinnert an einen puren Raubtierkapitalismus, der alle Risiken den Investoren zuschanzt. Auch Alexander Brunner beurteilt dies sehr kritisch, äussert sich aber mit Ironie dazu: «Die Geschäftsidee, eine eigene Börse mit einer eigenen Währung aus dem Boden zu stampfen, ohne dieses Geschäft auf reale Gegenwerte abzustützen, ist so simpel wie hochprofitabel.»

Doch fehle ihr jegliche Grundlage und Absicherung. Für ihn ist klar: «Das funktioniert nur, solange die Leute daran glauben. Dahinter steckt aber kein realer Gegenwert wie eine Firma, Grundbesitz oder Immobilien»

Sobald jemand, wie im Fall von FTX die Gegenspielerin Binance, vorbringe, dass da gar nichts ist und anderen mit dieser Erkenntnis ansteckt, stürze das Kartenhaus innert Kürze zusammen. Mit anderen Worten: Den FTX-Investoren ist es ähnlich ergangen wie dem Volk im berühmten Andersen-Märchen «Des Kaiser neue Kleider».

Der nackte Kaiser defiliert darin mit seinen nicht existenten Kleidern vor dem Volk und erntet grosse Bewunderung, weil niemand hintanstehen will. Bis dann ein Kind mit dem Ausruf «Aber der hat ja gar nichts an» den Bann bricht.

Schweiz verunmöglicht amerikanische Geschäftsmethoden

«Get rich quick, move fast and break things.» Dieses amerikanische Geschäftsmodell ist auf dem regulierten Schweizer Markt nicht möglich. Alexander Brunner unterstreicht, dass kein Schweizer Kryptounternehmen infolge FTX Konkurs gegangen.

Die helvetischen Regulierungsgeschichte rund um digitale Währungen und Geldtransfers enthält einige sicherheitsrelevante Wegmarken. Bereits 2015 hat die Schweiz eine Fintech-Abteilung eingerichtet. 2018 hat sie dann verbindliche ICO-Richtlinien zur Mittelbeschaffung für Investments herausgegeben.

Ein Initial Coin Offering (ICO) ist eine Methode des Crowdfundings für Firmen, die auf Kryptowährungen als Geschäftsmodell setzen. Damit vermeiden Blockchain-Firmen den regulierten Prozess der herkömmlichen Mittelbeschaffung.

Ab 2019 erste Banklizenzen für Krypto-Finanzintermediäre

2019 hat die Finanzmarktaufsicht erste Banklizenzen an die Finanzintermediäre «Seba Bank» und «Sygnum» vergeben. Banklizenz heisst: Kryptowährungen sind zu versichern und mit Festgeldreserven abzusichern.

Mit Folgen, wie Alexander Brunner erwähnt: «Diese Sicherheit kostet im Gegensatz zum Handel mit ungedeckten Sicherheiten mehr und ist daher für Kleinanleger nicht interessant. Dies wollen Gebühren sparen und neigen daher dazu, bei nicht regulierten Anbietern mit Sitz in Übersee unverhältnismässig hohe Risiken einzugehen.»

Anders sei es für institutionelle Anleger, mit grösseren Volumen liessen sich im Gegenzug zugunsten der erhöhten Sicherheit auch höhere Gebühren einkalkulieren. Dass die Schweiz 2019 in einer Gesetzesrevision des Finanzmarktes die Blockchain-Technologie berücksichtigt hat, war laut ein Brunner ein weiterer wichtiger Schritt.

Verwendete Quellen
  • Paper von Alexander Brunner zur FTX-Pleite
  • Telefon mit Alexander Brunner
  • Artikel NZZ zu Folgen für das Crypto-Valley

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