Schwierige Zeiten oberhalb von Sattel

Hochstuckli: Einem Skigebiet geht der Schnee aus

Ein Tag, der symbolisch für die Probleme des Skigebiets Sattel-Hochstuckli steht: Es fällt wenig Schnee, stattdessen jedoch Regen. (Bild: wia)

Im Skigebiet, in dem viele Zugerinnen als Kind Skifahren gelernt haben, herrscht Katerstimmung. Nur noch einer der drei Bügellifte ist seit dieser Saison in Betrieb. Alles andere würde sich nicht lohnen, sind sich die Verantwortlichen sicher. Ein Augenschein.

Es schneit. Dann regnet es leicht. Wieder fallen ein paar Flocken. Wind kommt auf. Dann wieder Regen. Wenige Minuten später senkt sich Nebel über die Piste. Es ist ein schwieriger Tag auf dem Hochstuckli. Ein Tag, der sehr plastisch die Probleme zeigt, mit denen sich das kleine Skigebiet oberhalb von Sattel, nahe der Zuger Grenze, seit Jahren herumplagt. Der Mostelberg, wo sich die Bergstation der Gondelbahn befindet, liegt auf 1200 Metern, der höchste «Hoger» des Gebiets, das Hochstuckli, auf 1600 Metern. In der vergangenen Saison war der Skibetrieb an nur gerade zehn Tagen geöffnet.

Der Klimawandel hat dem Skigebiet in den letzten Jahrzehnten derart zugesetzt, dass die Sattel-Hochstuckli AG, welche die Bergbahnen betreibt, vergangenen Juni die Reissleine zog. Sie verkündete an ihrer Generalversammlung, dass man die zwei grösseren Skilifte Bärenfang und Hochstuckli ab dieser Saison einstellen werde. Nur noch der Familienlift beim Engelstock bleibt bestehen.

Der Betrieb ist seit Jahren rückläufig

Zu gross sei der finanzielle Aufwand, zu gross das Risiko. Zumal bald sowieso gewichtige Investitionen angestanden wären. «Der Skilift Bärenfang wurde 1950 gebaut und gilt als ältester Skilift der Schweiz», erklärt Simon Bissig, der Geschäftsleiter der AG, der an diesem trübtassigen, milden Tag die Gondelbahn selbst bedient.

«Für die Leute ist das ein sehr emotionales Thema. Es ist psychologisch immer schlecht, den Leuten etwas wegzunehmen. Es wird deshalb wohl einige Zeit dauern, bis der Entscheid, die beiden Skilifte nicht mehr zu betreiben, von der Bevölkerung akzeptiert wird.» Besonders schwierig sei es Ende November gewesen, als es bis weit ins Tal heruntergeschneit habe. Sofort seien Stimmen laut geworden, die den Schnee als Zeichen gewertet hätten, dass die Einstellung der Lifte ein grosser Fehler gewesen sei. «Jedoch muss hierzu eine längere Zeitspanne betrachtet werden», gibt Bissig zu bedenken.

«Es geht nicht anders. Die Betriebstage und Frequenzen sind seit über zehn Jahren rückläufig, und wir müssen längerfristig planen. Mit dem Klimawandel wird es immer schwieriger, ein Skigebiet auf diesen Höhenlagen zu führen», sagt Bissig. Verständnis für die Kritiker hat er dennoch. «Auch für die Angestellten ist dieser Transformationsprozess nicht leicht», sagt Bissig. Doch sei man nicht umhingekommen, Personal zu entlassen. «Das ist bedauerlich, doch letztlich müssen wir die Effizienz des Betriebs gewährleisten können.»

Simon Bissig ist der Geschäftsleiter der Sattel-Hochstuckli AG. Er hat kein leichtes Jahr hinter sich. (Bild: wia)

Noch stecken die Betreiber mitten im Umwandlungsprozess

Noch steckt die Sattel-Hochstuckli AG mitten im Prozess. «Der aktuelle Winter ist eine Wundertüte», erklärt Bissig. Im kommenden Frühling will das Unternehmen die Situation noch einmal evaluieren. «Es müssen dann Schlüsse gezogen werden», sagt der Geschäftsführer.

Nur 10 der insgesamt 20 Drehgondeln sind an diesem Tag in Betrieb. Meist fahren sie an diesem Mittwochvormittag leer hoch und wieder hinunter. Am Nachmittag sollten noch ein paar Schulklassen anreisen, um am Engelstock Ski zu fahren; auf einer Piste, die nur blutigen Anfängerinnen Spass macht. Ob die Klassen tatsächlich kommen, ist noch unklar. Das werden sie spontan entscheiden, je nach Wetterlage. Bislang stapft einzig ein Vater mit seiner Tochter durch den Schnee, die Skier gebuckelt, das Ziel scheint die Beiz zu sein. Der Bügellift steht kurz vor Mittag noch still.

(Bild: wia)

Beizer wünscht sich eine Attraktion für den Ort

Das Restaurant Mostelberg, es befindet sich direkt neben der Bergstation und ist im Besitz der Sattel-Hochstuckli AG, hat geöffnet, ist jedoch noch leer. Daniel Gasser hat den Betrieb vergangenen Frühling übernommen, also noch bevor die Veränderungen verkündet wurden. Den Entscheid der AG kann er nachvollziehen. «Nochmals so eine Saison, wie man sie letztes Jahr hatte, wäre schwierig zu überstehen. Insbesondere direkt nach den Corona-Jahren», sagt Gasser.

Gasser glaubt, dass das Erholungsgebiet auch ohne grosse Skiinfrastruktur funktionieren kann. Bereits heute wird das Gebiet Hochstuckli im Winter für Wanderungen und zum Schneeschuhlaufen genutzt. «In Sent, wo ich eine Zeit lang gearbeitet habe, gibt es einen Eisweg, auf dem man sich, statt zu spazieren, mit Schlittschuhen fortbewegt. Einen solchen könnte man auch hier erstellen. Es wäre toll, eine solche Attraktion hier zu haben», sagt Gasser.

Nur zwei Menschen mit Skiern sind auf dem Berg zu sehen. Das Ziel scheint die Beiz zu sein. (Bild: wia)

Die Schwierigkeiten haben sich lange schon abgezeichnet

Nur wenige hundert Meter weiter, am Fuss des kleinen Bügelliftes Engelstock liegt das gleichnamige Bergbistro. Dieses gehört seit kurzem Sylvia Wilson. Sie erklärt, während sie mit dem Kopf in Richtung des kleinen Skilifts nickt: «Manche Leute sagen, wir hätten hier eine Goldgrube. Dies, weil sich unsere Beiz bei jenem Lift befindet, der weiterhin in Betrieb ist.» Von Goldgrube könne zwar keine Rede sein, «doch man muss halt mit der Zeit gehen und das Beste aus der Situation machen. Ob mein Betrieb funktioniert, darf ich nicht von der Sattel-Hochstuckli AG abhängig machen.»

«Früher war es allen egal, wenn der Lift mal blockiert war und man ein paar Meter im Schnee hochstapfen musste.»

Sylvia Wilson, Betreiberin des Bergbistros Engelstock

Schon länger arbeitet sie im Skigebiet, unter anderem war sie am Skilift tätig. «Seit Jahren ist klar, dass dieses Skigebiet eine schwierige Zukunft haben wird», sagt Wilson. Nicht nur wegen des fehlenden Schnees, sondern auch deshalb, weil sich der Berg bewege, respektive weil er erodiere. Doch auch die Klientel habe sich in den letzten Jahrzehnten verändert. «Früher war es allen egal, wenn der Lift mal blockiert war und man ein paar Meter im Schnee hochstapfen musste. Das ist heute anders. Die Gäste wünschen sich eine perfekte Infrastruktur in einem schneesicheren Gebiet.»

Noch profitiert Wilson jedoch vom Skibetrieb. «Die Schulklassen kommen bei uns im Bistro vorbei, um etwas Kleines zu essen oder etwas zu trinken. Oder um ihr selbst mitgebrachtes Picknick zu verspeisen. Das ist für mich in Ordnung.»

Sylvia Wilson betreibt das Bergbistro Engelstock. (Bild: wia)

Eine Beiz ist besonders betroffen

Während man beim Bergbistro Engelstock trotz Umstrukturierungen guter Dinge ist, spürt das Restaurant Herrenboden die Schliessung der beiden Lifte sehr direkt. Die grosse, nostalgische Beiz inklusive Après-Ski-Bereich liegt genau dazwischen.

Silvan Betschart, der den Herrenboden gemeinsam mit seiner Frau Julia in dritter Generation führt, macht das Beste aus der Situation: «Klar, es ist immer schade, wenn etwas zu Ende geht. Doch haben wir uns mit der Situation abgefunden und unser Konzept etwas angepasst.»

«Irgendwie geht es immer weiter.»

Silvan Betschart, Betreiber des Berggasthofs Herrenboden

Während der Herrenboden zu Zeiten des Skibetriebs sieben Tage die Woche geöffnet hatte, ist er nun jeweils mittwochs und donnerstags geschlossen. «Jeweils am Freitag, Samstag und Montag haben wir zudem auch abends geöffnet. Dies unter anderem für die Skitourenfahrer, aber natürlich auch für andere Gäste.» Er erklärt: «Ausserhalb der Gondelbahnzeiten dürfen Hotel- und Restaurantgäste bis zu uns fahren. Mit Winterpneus und 4×4-Antrieb ist das kein Problem.»

Im Frühling wollen die Restaurantbetreiber evaluieren, ob ihr neues Konzept aufgeht. «Ansonsten werden wir es anpassen. Irgendwie geht es immer weiter», sagt Betschart.

Die Schneekanone auf der Talabfahrt ist arbeitslos geworden

Kurz nach 12 Uhr. Der Nebel legt sich über die schneebedeckten Berghänge, Zeit für die Talabfahrt. Auf dem Schlitten oder den Skiern ist das aktuell ein Ding der Unmöglichkeit. Darum kommt nur die Bahn infrage. Die Aussicht aus der Drehgondel ist trüb, aus Weiss wird Braun-Grün. Je weiter talwärts, desto rarer werden die schneebedeckten Flächen. Eine fix installierte Schneekanone steht im unteren Drittel der Abfahrtsstrecke. Sie hat ausgedient. Die Talabfahrt künstlich zu beschneien, lohnt sich nicht mehr.

Verwendete Quellen
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