Direktorin der Frauen-EM im Interview

Wieso die Schweizer Nati an der Frauen-EM 2025 nicht in Luzern spielen wird

Doris Keller, Direktorin der Frauen-EM 2025. (Bild: zvg)

Doris Keller ist die Direktorin der Frauen-EM, die 2025 in der Schweiz stattfindet. Gegenüber zentralplus nimmt sie Stellung zum EM-Austragungsort Luzern, zu ihrem Engagement bei Zug 94 und zu sexuellen Übergriffen im Frauenfussball.

Dass Doris Keller bei Zug 94 im Vorstand den Frauenfussball vorantreibt, als Direktorin für die UEFA die Frauen-EM 2025 organisiert und sich überhaupt für Fussball begeistert, hätte ihr als Kind wohl niemand prophezeit. Denn damals begeisterte sich die 51-jährige Bernerin für Orientierungslauf und Volleyball. Zum Fussball fand sie spät – und eher zufällig.

zentralplus: Für welchen Fussballverein schlägt Ihr Herz?

Doris Keller: Mit dieser Antwort bin ich hier auf zentralplus wohl die Erste: für Zug 94.

zentralplus: Dort engagieren Sie sich seit bald zwei Jahren für den Mädchen- und Frauenfussball. Wie kam es dazu?

Doris Keller: Jedes Mädchen soll Fussball spielen können, wenn es will. Doch als ich im Vorstand von Zug 94 eingestiegen bin, machten Mädchen nur gerade ein Prozent des Nachwuchses aus. Junge Zugerinnen, die nicht bei den Buben mitspielen wollten, mussten nach Baar. Darum haben wir bei Zug 94 Trainings für Mädchen eingeführt.

zentralplus: Mit Erfolg?

Doris Keller: Inzwischen spielen 120 Mädchen und 500 Buben für Zug 94.

zentralplus: Eine Strategie zur gezielten Förderung des Frauenfussballs gibt es beim Schweizerischen Fussballverband (SFV) nicht viel länger als die Mädchentrainings bei Zug 94. Wieso?

Doris Keller: Dass der Männerfussball so viel weiter ist, hat historische Gründe und zeigt sich etwa in der Infrastruktur oder beim ehrenamtlichen Engagement im Breitensport.

zentralplus: Macht der SFV genug für den Frauenfussball?

Doris Keller: Inzwischen ist der Verband auf gutem Weg. Pro Jahr wächst die Zahl neu lizenzierter Fussballerinnen um gesunde 10 Prozent. Es ist in den Städten und Dörfern normal geworden, auch Mädchenteams im FC zu haben.

zentralplus: Kritikerinnen monieren, aufgrund fehlender spielerischer Qualität werde der Frauenfussball ohnehin nie die Beliebtheit erlangen, der sich der Männerfussball erfreut. Ergo sei die andauernde Forderung nach Förderung fehl am Platz.

Doris Keller: Ich möchte den Frauenfussball als Breitensport vorantreiben. Mit der Breite wird auch die fussballerische Qualität steigen – genauso wie im Männerfussball. Es geht um Chancengleichheit im Nachwuchs. Denn nur, wenn diese gewährleistet ist, können Fussballerinnen ihr Potenzial ausschöpfen.

zentralplus: Die grossen internationalen Turniere des Frauenfussballs begeistern ein immer grösseres Publikum. Doch die Spiele in der Super League der Frauen sind immer noch schlecht besucht.

Doris Keller: Der Frauenanteil liegt bei internationalen Frauenfussballspielen bei rund 45 Prozent. Im Männerfussball sind es nicht einmal 10 Prozent und viel weniger Familien. An der Frauen-EM in England haben viele Fussballfans zum allerersten Mal ein Stadion von innen gesehen. Der Frauenfussball spricht eine ganz andere Zielgruppe an.

zentralplus: Welche Ziele setzt der Verband für die Super League?

Doris Keller: Langfristig muss eine Profiliga her. Dann werden die Clubs auch Nati-Spielerinnen halten können. Sie stiften Identifikation. Würde Ramona Bachmann beim FCL spielen, fänden bestimmt mehr Fans den Weg ins Stadion.

zentralplus: Welchen Impact erhoffen Sie sich von der Frauen-EM 2025 für den Frauenfussball in der Schweiz?

Doris Keller: Das wird einen extremen Push geben. Doch der SFV hat Ziele, die weit über die EM hinausgehen. Wir brauchen in der Schweiz mehr Trainerinnen, Schiedsrichterinnen, Funktionärinnen und Spielerinnen. Zudem fehlt es an ehemaligen Fussballerinnen, die in den Vereinen tätig sind – weil vor 20 Jahren fast nur Männer Fussball spielten.

zentralplus: Wird die Schweizer Nati eines ihrer Gruppenspiele der EM 2025 auf der Luzerner Allmend austragen?

Doris Keller: Nein. In Luzern und den anderen «kleineren» Austragungsorten Sion, Thun und St. Gallen werden weder Spiele der Schweizer Frauen-Nati noch KO-Spiele stattfinden.

Die Schweizer Nati wird an der Frauen-EM 2025 nicht in der Swissporarena spielen. (Bild: Valeriano Di Domenico/Freshfocus)

zentralplus: Wie beobachten Sie die Entwicklung des Zentralschweizer Frauenfussballs?

Doris Keller: Es wird gute Arbeit geleistet. Auch der FCL arbeitet seriös, bringt immer wieder gute Spielerinnen aus dem eigenen Nachwuchs hervor. Viele Fussballerinnen, die in der ersten Mannschaft spielen, kommen aus dieser äusserst fussballbegeisterten Region.

zentralplus: Inwiefern profitieren die FCL-Frauen von der 2022 initiierten Integration in den Verein (zentralplus berichtete)?

Doris Keller: Die Integration von Frauenteams entspricht einem nationalen Trend. Die Fussballclubs erkennen das Potenzial in der Erschliessung einer neuen Zielgruppe. Dabei profitieren die Frauenteams vor allem von Synergien, von bestehenden, funktionierenden Strukturen.

FCL-Stürmerin Sina Cavelti profitiert gemäss Doris Keller von der Integration der FCL-Frauen. (Bild: jdi)

zentralplus: Wie präsent war der Frauenfussball während Ihrer Kindheit?

zentralpus: Ich war Orientierungsläuferin und Volleyballspielerin. In diesen und den allermeisten anderen Sportarten gab es schon immer Mädchen- und Bubenteams. Im Fussball hingegen wurden Frauen lange gar nicht erst lizenziert. Einige haben sich die Haare kurz geschnitten und quasi verkleidet bei den Buben mitgespielt.

zentralplus: Wie sind Sie dennoch zum Fussballfan geworden?

Doris Keller: Das war purer Zufall. Nachdem ich von einem Sprachaufenthalt im Ausland in die Schweiz zurückgekommen war, wurde mir ein Job im Fussball angeboten. Zur Fussballerin hab ich es aber bis heute nicht gebracht – wohl auch wegen meiner viel zu kaputten Knie.

zentralplus: Würden Sie sich als Feministin bezeichnen?

Doris Keller: Nein. Aber ich bin für die Gleichberechtigung der Geschlechter.

zentralplus: Zuletzt gab die Entlassung eines SFV-Mitarbeiters, der Fussballerinnen der Frauen-Nati sexuell belästigt haben soll, mehr zu reden als die Entlassung von Natitrainerin Inka Grings. Kommt im Frauenfussball der Sport medial zu kurz?

Doris Keller: Skandale erregen nun mal Aufmerksamkeit. Das ist ein gesellschaftliches Phänomen, das weit über den Sport hinausgeht. Der Frauenfussball hat medial an Beachtung gewonnen – und wird es sicher noch weiter tun.

zentralplus: Wer ist an der EM 2025 dafür verantwortlich, sexuelle Übergriffe zu verhindern?

Doris Keller: An erster Stelle jeder Einzelne. Auf institutioneller Ebene dient zudem die neu gegründete Stiftung Swiss Sport Integrity als Anlaufstelle. Sie entstand nach Bekanntwerden der Übergriffe bei den Kunstturnerinnen.

zentralplus: Am Freitag spielt die Schweizer Nati in der Swissporarena. Wie voll wird das Stadion?

Doris Keller: Ich hoffe, dass die Haupt- und Gegentribüne gut gefüllt sein werden. Immerhin kommt mit Schweden die Nummer eins des weltweiten Fifa-Rankings.

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