Frauen-EM 2025 auch in Luzern

Ramona Bachmann: «Männer spielen nie auf ‹Gurkenplätzen›»

Ramona Bachmann und Jasmine Imboden vor der Swissporarena auf der Luzerner Allmend. 2025 werden dort drei Spiele der Frauen-EM ausgetragen. (Bild: jdi)

Nach Monaten des Bangens bei den Schweizer Frauenfussballfans ist jetzt klar: Die Schweiz ist Gastgeberland der Frauen-EM 2025. zentralplus hat mit Natispielerin Ramona Bachmann und Ex-Fussballerin Jasmine Imboden über die EM-Vergabe und die Herausforderungen im Schweizer Frauenfussball gesprochen.

Zum allerersten Mal ist Luzern Austragungsort einer Fussball-Europameisterschaft (zentralplus berichtete). Denn als die Männer-EM 2008 in der Schweiz stattfand, stand dort, wo heute die Swissporarena steht, noch das altehrwürdige Stadion Allmend. Den infrastrukturellen Ansprüchen der internationalen Fussballverbände Uefa und Fifa vermochte dieses Stadion aber ab 1997 nicht mehr zu genügen.

2025 holt die Stadt Luzern nach, was ihr 2008 noch verwehrt blieb. Drei Gruppenspiele der Frauen-EM werden auf der Allmend stattfinden. Zwar ist nicht damit zu rechnen, dass die Schweizer Frauennati dort eines ihrer Matches bestreiten wird – denn für das Heimteam dürften nur die grössten Stadien des Landes gross genug sein. Doch ist die Vorfreude dennoch spürbar. Immerhin ist die Fussball-EM Europas grösster Frauensportanlass.

Zwei Freundinnen, zwei Karrieren

Am Tag nach der EM-Vergabe trifft zentralplus Profifussballerin Ramona Bachmann aus Luzern und ihre ehemalige Mitspielerin und beste Freundin Jasmine Imboden – natürlich auf der Luzerner Allmend. Während Bachmanns Karriere vom FC Malters über den «SC LUwin.ch» (heute das Frauenteam des FC Luzern) und Chelsea zum Pariser Club PSG führte und sie in der Frauennati zur Schlüsselfigur avancierte, brach die Nidwaldnerin Imboden ihre Karriere nach mehreren, langwierigen Verletzungen vorzeitig ab – und startet nun als Schauspielerin durch.

«Was bei den Männern selbstverständlich ist, scheint bei uns Frauen den Aufwand nicht wert zu sein.»

Ramona Bachmann

Imboden schaut gerne auf ihre Zeit als Fussballerin zurück. Doch immer, wenn sie sich die Spiele der Frauennati anschaut, denkt sie: «Hätte ich doch bloss länger durchgebissen.» Damals hätten Aufwand und Ertrag im Schweizer Frauenfussball in keinem Verhältnis gestanden, erklärt die 32-Jährige.

Kein Livestream: Eines von vielen Symptomen

Ramona Bachmann und Jasmine Imboden ist die Freude über die EM-Vergabe an die Schweiz deutlich anzumerken. Imboden wurde von Bachmann benachrichtigt – und Bachmann ihrerseits von ihrer Teamkollegin Rachel Rinast. «Einen Livestream hat es natürlich nicht gegeben. Was bei den Männern selbstverständlich ist, scheint bei uns Frauen den Aufwand nicht wert zu sein», ärgert sich Bachmann. Ein kleines Detail mit grosser Symbolwirkung.

«Für mich geht ein Traum in Erfüllung», zeigt sich Bachmann dennoch euphorisch. «Auch für den Schweizer Frauenfussball ist die EM ein riesengrosses Ding.» Dieser Meinung ist auch Imboden. Auch wenn sie mit Wehmut auf die abgebrochene Karriere zurückblickt, werde sie bei den Spielen der Nati im Stadion sein und Bachmann und ihre Teamkolleginnen anfeuern.

Zwei Jahre, um Frauenfussball voranzubringen

Diese ist sich sicher, dass sie auch in zwei Jahren noch fit genug sein wird, um die EM im eigenen Land spielen zu können. Selbstbewusst sagt die heute 32-Jährige: «Ich spiele immer noch auf einem Top-Level und kann meine Leistungen abrufen.» Dementsprechend gross sind auch die Erwartungen an sich selbst und ihr Team. Während sie an der WM diesen Sommer in Australien und Neuseeland mindestens die Gruppenphase überstehen wolle, sei an der EM 2025 alles möglich. Auch dank des Heimvorteils.

«Die Natispielerinnen sollen sich endlich einzig und alleine auf den Fussball konzentrieren können – und nicht nebenbei noch einen Brotjob bestreiten müssen.»

Ramona Bachmann

Imboden stimmt Bachmann zu. «Jetzt haben sie zwei Jahre Zeit, um nochmal einen Schritt nach vorne zu machen. Aus dem Nachwuchs rücken junge Talente nach. Ich hoffe auf den Titel bei Ramonas letzter EM», sagt sie schmunzelnd und spricht auf Bachmanns salomonisches Fussballerinnen-Alter an, das sie bei einer allfälligen EM 2029 hätte.

Fussball-EM als Chance

Ramona Bachmann ist sich sicher, dass die EM den Schweizer Frauenfussball voranbringen wird – wenn die Verantwortlichen die Chance denn nützten. «Ich hoffe schwer, dass auch die Fussballvereine verstehen, dass jetzt umso mehr gemacht werden muss. Die Vorfreude alleine reicht nicht.»

Jetzt seien die viel zu lange aufgeschobenen Investitionen fällig. «Jetzt besteht die Möglichkeit, die nötige Breite im Kader zu erreichen. Was konkret auch heisst: Die Natispielerinnen sollen sich endlich einzig und alleine auf den Fussball konzentrieren können – und nicht nebenbei noch einen Brotjob bestreiten müssen», fährt Bachmann fort. «Diese Chance dürfen wir nicht verpassen.»

«Die besten Spielerinnen gehen ins Ausland – weil sie hier mehr schlecht als recht vom Spitzensport leben können.»

Jasmine Imboden

Imboden ist zuversichtlich, dass dies gelingt: «Die Ex-Natispielerin Sandra Betschart ist bei YB, Lara Dickenmann bei GC im Management dabei. Die werden Druck machen und pushen bis zum Gehtnichtmehr. Sie wissen, was es braucht, damit sich der Frauenfussball weiterentwickeln kann.»

«Das Geld fehlt»

Das weiss auch Ramona Bachmann. Alles begänne bei der konsequenten Vermarktung. «Die Topteams Europas füllen Stadien – und zwar die Männerstadien. Auch, weil sie viel ins Marketing investieren», sagt sie. «Mein Shirt im Fanshop zu kaufen – das geht nicht. Shaqiris Trikot findest du hingegen auf Anhieb», fährt Bachmann fort. Und: Wenn beispielsweise die Frauen des FCL in der Swissporarena spielen würden, wäre das sofort viel interessanter als auf einem Trainingsplatz neben dem Stadion. «Es ist eine Art Teufelskreis: Kommt niemand an die Spiele, fehlen den Mädchen auch die Vorbilder. Ohne Vorbilder wird es aber auch weniger Mädchen geben, die alles auf Fussball setzen wollen», erklärt Bachmann.

Doch das sei nicht die einzige Baustelle. Imboden fasst kurz und knapp zusammen: «Das Geld fehlt.» Als sich immer mehr Frauenteams in die grossen Fussballclubs der Schweiz hätten eingliedern lassen, habe es einen grossen Schub gegeben. Aber bis heute sei viel zu wenig investiert worden in die Professionalisierung des Schweizer Frauenfussballs. «Die besten Spielerinnen gehen ins Ausland – weil sie hier mehr schlecht als recht vom Spitzensport leben können», sagt Imboden weiter.

Es bleibt viel zu tun

Die infrastrukturellen Defizite, die Mädchen und Frauen im Trainingsalltag begleiten, das nicht vorhandene Profitum in der höchsten Schweizer Spielklasse und die mangelhafte Vermarktung des Fussballs: All diese Dinge müssten vielen Männern im Fussball erst noch bewusst gemacht werden, erklärt Bachmann. «Die Männer wissen nicht, wie es ist, auf einem ‹Gurkenplatz› zu spielen und nebenbei noch arbeiten zu müssen.»

Imboden sagt: «Heute muss im Frauenfussball um jeden Rappen gekämpft werden. Zuerst wird nicht etwa bei Junioren gespart, sondern bei den Frauen.» Dazu passt, wie der FC Luzern die Matchresultate seiner verschiedenen Teams auf Instagram kommuniziert: Zuerst sind die Männerteams von der U21 bis zur U15 aufgelistet, ganz unten dann das Frauenteam, das in der höchsten Schweizer Spielklasse spielt.

Ein Zehnjahresplan für den Schweizer Frauenfussball – und den FCL

Bis in zehn Jahren wünscht sich Ramona Bachmann, dass ebendiese höchste Spielklasse zur Profiliga wird. Jasmine Imboden hofft, dass dann auch die besten Schweizer Spielerinnen in der Liga gehalten werden können – statt ins Ausland wechseln zu müssen. Und auch für den FCL gibt es Rat von den beiden: «Wieso soll der FCL nicht der erste Fussballverein der Schweiz sein, der mit einem komplett professionellen Frauenfussballteam antritt? Jedes Mädchen sollte, genauso wie jeder Junge, von der Fussballprofikarriere beim FC Luzern träumen dürfen», findet Bachmann.

Ihre Träume dürften sich derweil auch um die schnelle Genesung ihrer Verletzung drehen. Und die WM im Sommer. Bevor sich ihr Fokus auf die EM 2025 in der Schweiz – und Luzern – verschieben wird. Mit Ramona Bachmann auf dem Fussballplatz. Und Jasmine Imboden im Publikum.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von tore
    tore, 06.04.2023, 13:14 Uhr

    Übrigens: Jasmine Imboden war in der Sendung Persönlich zu Gast (18.09.22): «Eine Schauspielerin trifft auf einen Meisterlandwirt» … hörenswert.
    Und am 03.02.23 war sie auch zu Gast im Podcast «einfach LEBEN» von Anja Glover: «Aus dem Leben einer Schwarzen Schauspielerin».

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  • Profilfoto von Remo
    Remo, 05.04.2023, 20:29 Uhr

    Freu mich auf die em!
    Gleichstellen kann man den frauenfussball nicht mit dem männerfussball. Es ist einfach noch ein sehr krasser unterschied. Evtl bringt die zeit besserung. Glaube es aber nicht. Es muss nicht jede(r) sport oder sportler(in) profi werden oder sein. Unihockey wird auch nicht gleichgestellt mit eishockey…..

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