Die FCL-Frauen üben sich in Geduld
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Die Frauen des FC Luzern sind seit Sommer 2022 offiziell Teil des Vereins. Doch die Förderung des Frauenfussballs scheint nicht erste Priorität zu haben.
Es ist ein angenehm milder Frühlingsabend, die Flutlichter der Leichtathletikanlage auf der Luzerner Allmend sind von weitem zu sehen – und irgendwie liegt etwas in der Luft. An der Rückseite der Swissporarena steht die Tribüne, auf der sich am 19. April rund 150 Fussballfans einfinden. Sie wohnen einem animierten Fussballspiel bei, das die Frauen des FC Luzern gegen Aarau klar mit 6:0 für sich entscheiden. «Woman of the match» ist Sina Cavelti. Sie schiesst einen Hattrick.
Das Spiel gegen Aarau ist das letzte reguläre FCL-Heimspiel der Women's-Super-League-Saison – und es schürt Hoffnungen. Doch in Basel kommt der FCL wenige Tage später nicht über ein 1:1 hinaus – und verpasst den sechsten Schlussrang. Darum trifft das Team in der K.O. auf das zweitbeste Team der Liga: den FCZ.
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Von Mädchenträumen und Bubenträumen
Trainer Edvaldo Della Casa scheint der verpasste Rang sechs zu ärgern. «Die Frauen mussten am Tag nach dem Mittwochsspiel wieder arbeiten, eine eigentliche Regeneration fand nicht statt. An einem frischen Samstag wären wir anders aufgetreten», erklärt er die Doppelbelastung, die durch die intensive Woche verstärkt wurde.
Im Fall von Sina Cavelti war es nicht die Arbeit, sondern die PH in Goldau. Für sie ist klar: «Bis zum Abschluss bleibe ich sicher beim FCL.» Um danach vielleicht den Sprung ins Ausland zu wagen. Doch ein Engagement im Ausland – das sei nie ihr Mädchentraum gewesen. Denn: «Einen Traum hat man von klein auf. Und ich bin als Turnerin aufgewachsen.»
Das klingt anders als bei Severin Ottiger und Luca Jaquez, ihren Kollegen bei den FCL-Mannen. Die beiden träumen vom Champions-League-Pokal (zentralplus berichtete). Sie wurden mit Profiverträgen ausgestattet, als sie in der ersten Mannschaft des FCL noch überhaupt keine Rolle spielten. Cavelti hingegen hat auch als Stammspielerin kein Einkommen, von dem sie leben könnte.
Promotion League attraktiver als Women's Super League?
Und wie steht es um die Träume von Edvaldo Della Casa? Im Gespräch mit zentralplus blickt er über das Saisonende hinaus. Sein Abgang steht bereits fest. Nächste Saison trainiert er den FC Breitenrain.
«Wir sind in einer Liga, wo gewisse Gegner Champions League spielen und Millionen investiert werden. Die Unterschiede sind schlicht zu gross.»
Edvaldo Della Casa, Trainer der FCL-Frauen
Von der höchsten Liga der Frauen in die dritthöchste Spielklasse der Männer – ein Karrierebooster? «Klar, die höchste Frauenliga ist ein Schaufenster. Darum kamen ja jetzt auch der FC Breitenrain oder letztes Jahr der FC Biel auf mich zu», sagt der Brasilianer.
«Der Wechsel hat vor allem mit dem Timing zu tun. Ich kann noch etwas erreichen, ich kann noch träumen von der Männer-Super-League – oder vom Ausland», fährt er fort. Die Women's Super League das Schaufenster für die Promotion League, die Promotion League das Schaufenster für die Super League der Männer.
Wer Talent hat, geht
Doch Della Casa wechselt nicht nur, weil er seine eigene Karriere voranbringen möchte. Ihm sind auch einige strukturelle Themen ein Dorn im Auge. «Wir sind in einer Liga, wo gewisse Gegner Champions League spielen und Millionen investiert werden. Die Unterschiede sind schlicht zu gross», sagt er. Und meint damit den FCZ und Servette, die die Women's Super League dominieren. «Gegen die hast du im Normalfall keine Chance.»
«Im Mädchenfussball fehlen national verankerte Strukturen.»
Stefan Wolf, FCL-Präsident
Nebst einem weniger krassen Niveaugefälle wünscht sich Della Casa klarere Regeln für Transfers. «Wir müssen ständig unsere besten Spielerinnen gehen lassen, bekommen dafür aber kein Geld.» Das Team habe viele Talente verloren. Auch, weil der Verband die Transfers nicht reglementiere.
Abends trainieren – ohne Licht
Vor einem Jahr wurden auch die Trainingsbedingungen der damals noch nicht in den Verein integrierten FCL-Frauen bemängelt. Einheiten am Abend auf Plätzen ohne Licht – das sind mehr als nur Luxusprobleme. Doch was hat sich seither getan? «Es ist immer noch ähnlich wie vor einem Jahr. Aber es gibt auch kaum bessere Optionen», weiss FCL-Stürmerin Sina Cavelti und spricht die engen Platzverhältnisse auf der Luzerner Allmend an. Sie, aber auch Edvaldo Della Casa, wünschen sich zudem auch etwas mehr Werbung für ihre Spiele.
«Wollen und können, das sind halt zwei paar Schuhe.»
Stefan Wolf, FCL-Präsident
Bessere Trainingsbedingungen, mehr Werbung, klarere Transferregeln, ein weniger krasses Niveaugefälle und schliesslich mehr Geld: Im Frauenfussball bleibt offensichtlich noch einiges zu tun. Dessen ist sich auch FCL-Präsident Stefan Wolf bewusst. Potenzial sieht er auch in der Talentförderung. «Mit den Leistungszentren für die Jungs hat der Schweizerische Fussballverband die Nachwuchsförderung im Männerfussball wesentlich vorangetrieben. Im Mädchenfussball fehlen diese national verankerten Strukturen hingegen noch», spricht er ein weiteres Manko an.
Es geht nicht von heute auf morgen
Doch scheinen Cavelti, Della Casa und Wolf zuversichtlich. Und geduldig. «Wir haben immer gesagt, wir werden nicht von heute auf morgen alles ändern können. Darum findet die Integration der FCL-Frauen schrittweise statt», erklärt Wolf. «Der Hauptfokus liegt bei der ersten Mannschaft der Männer, das ist richtig», antwortet er, auf die Kommunikation des FCL in den sozialen Medien angesprochen.
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Doch plumpe Ausreden wie einen Machtkampf mit dem kampfeslustigen Bernhard Alpstaeg (zentralplus berichtete) möchte Stefan Wolf nicht geltend machen. «Die Integration der Frauen im Speziellen hat unter dem Aktionärsstreit nicht gelitten. Bezüglich der Vermarktung wäre aber mehr möglich gewesen», gibt er sich selbstkritisch.
Wann kehrt Ramona Bachmann zum FCL zurück?
Stefan Wolf ist sich auch bewusst, dass Identifikationsfiguren die Entwicklung des Frauenfussballs voranbringen würden. Darum sei der FCL beispielsweise mit Ramona Bachmann in Kontakt. «Ihr Fokus liegt aktuell aber noch nicht beim FCL», sagt Wolf.
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Bachmann ihrerseits hat nicht nur Visionen für ihre eigene Karriere – sondern auch für den FCL. «Wieso soll der FCL nicht der erste Fussballverein der Schweiz sein, der mit einem Profi-Frauenfussballteam antritt?», fragte sie vor einem Monat im Interview mit zentralplus. Wolf winkt ab: «Das ist immer eine Frage der finanziellen Ressourcen. Ein Profiteam gibt es in der Schweiz nirgendwo. Wollen und können, das sind halt zwei paar Schuhe.» Um anzufügen: «Aktuell gibt es diesbezüglich keinen konkreten Zeithorizont, weil es schlicht und einfach nicht realistisch ist.»
Förderung des Frauenfussballs steckt in den Kinderschuhen
Dies erstaunt kaum. 2022 erfüllte der FCL mit der Integration des Frauenteams in den Verein eine alte Forderung (zentralplus berichtete). Erst seit «drei, vier Jahren» hat der Schweizerische Fussballverband (SFV) eine gezielte Strategie für die Förderung des Mädchen- und Frauenfussballs. Das sagt Adrian Arnold, Mediensprecher des SFV. Doch nun soll es vorwärts gehen.
«Die Politik betont, dass sie den Frauenfussball fördern will.»
Adrian Arnold, Mediensprecher des SFV
«Im Mädchenfussball gibt es einen Boom. Allein im letzten Jahr stieg die Anzahl lizenzierter Spielerinnen von 30'000 auf 34'000», erklärt Arnold. «Diesem Wachstum wollen wir gerecht werden, in dem wir dafür sorgen, dass es genügend Trainerinnen und Schiedsrichter gibt. Das ist eine grosse Herausforderung.» Der Fall Edvaldo Della Casa lässt grüssen.
In Sachen Infrastruktur unterstütze der Verband die Fussballclubs, um zusammen mit den Gemeinden «die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich der Mädchen- und Frauenfussball in der Breite weiterentwickeln kann». Doch auch Arnold sieht nicht nur seinen SFV in der Pflicht: «Die Politik betont, dass sie den Frauenfussball fördern will. Sie kann dazu beitragen, dass es im Bereich der Trainingsinfrastruktur vorangeht.»
Frauenfussball-EM kommt in die Schweiz
Gleichzeitig relativiert Marion Daube Vorwürfe Della Casas, die Transfers seien zu wenig reglementiert und das Niveaugefälle in der höchsten Schweizer Spielklasse der Frauen zu gross. Daube ist Direktorin Frauenfussball im SFV und momentan mit den Vorbereitungen zur Frauen-EM in der Schweiz beschäftigt (zentralplus berichtete). «Das Niveaugefälle gibt es überall im Fussball. Da ist die Schweizer Super League der Frauen keine Ausnahme», erklärt Daube.
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Und Regeln für Transfers gebe es sehr wohl. Doch auf Wunsch der Clubs seien vor einigen Jahren die Ausbildungsentschädigungen im Juniorinnenbereich abgeschafft worden. «Sobald eine Spielerin einen Nichtamateurvertrag erhält, gibt es jedoch Ausbildungsentschädigungen, die vom SFV festgelegt wurden», so Daube. Diese Ausbildungsentschädigung entfalle wiederum bei Wechseln ins Ausland. «Die FIFA hat hierzu keine Entschädigungen vorgesehen.»
Hinzu kommt: Eine Fussballerin dürfte wenig Interesse an einem nicht oder kaum bezahlten Vertragsverhältnis mit dem FCL haben, das sie daran hindert, jederzeit das Team wechseln zu können – und allenfalls einen Schritt Richtung Profifussball zu machen. Sprich: Der FCL müsste investieren, um seine talentiertesten Spielerinnen halten zu können.
Playoffs gegen den FC Zürich stehen an
Während sich Vereine, Verbände und Politik gegenseitig in die Verantwortung nehmen, geht der Ligabetrieb weiter. Am Samstagnachmittag steht das Playoff-Hinspiel der FCL-Frauen auf der Luzerner Allmend an. Sina Cavelti bleibt am Boden. Trotz Topform. Eine Kampfansage lässt sie sich dann aber trotzdem entlocken. «Wir träumen natürlich vom Finale», meint die FCL-Stürmerin schmunzelnd. Ein weiterer Hattrick würde sicherlich helfen. So wie an jenem milden Frühlingsabend. Als etwas in der Luft lag.
- Persönliches Treffen mit Sina Cavelti, Stürmerin der FC Luzern Frauen
- Persönliches Treffen mit Stefan Wolf, Präsident des FC Luzern
- Telefonat mit Edvaldo Della Casa, Trainer der FC Luzern Frauen
- Telefonat mit Marion Daube, Direktorin Frauenfussball beim SFV
- Telefonat mit Adrian Arnold, Mediensprecher des SFV
- Webseite der FC Luzern Frauen
- Webseite des SFV