Leidenschaft für rare Pflanzen

Ruswiler Gärtner setzt auf vom Aussterben bedrohtes Gemüse

Patrick Biedermann bei seinen Pro-Specie-Rara-Tomaten. (Bild: wia)

In einer Zeit, in der alles schneller, lukrativer und grösser werden muss, bildet eine Luzerner Gärtnerei einen auffälligen Gegenpol. In der Homatt in Ruswil werden praktisch nur Pflanzen kultiviert, die – beinah – in Vergessenheit geraten sind. Darunter auch «Schweizer Hosen».

Keine Dschungellandschaft empfängt die Besucher im Eingangsbereich der Gärtnerei Homatt, kein üppiges Grün, durch das man sich hindurch kämpfen muss, bis man an der Theke steht. Es ist nicht mehr Hochsaison. Ein Umstand, den man hier nicht zu vertuschen versucht.

Denn das Ziel hier ist nicht, grosse Mengen zu produzieren. Vielmehr ist die Gärtnerei Homatt darauf spezialisiert, sogenannte Pro-Specie-Rara-Sorten zu kultivieren. Konkret will man dafür sorgen, dass die genetische Vielfalt der Pflanzenwelt so gross wie möglich bleibt.

Eine Gurke anzubauen mit dem wohlklingenden Namen White Wonder Kokopelli klingt ganz schön anspruchsvoll. Ist Pro-Specie-Rara-Gemüse schwieriger zu handhaben? «Nein, einfach anders», erklärt Patrick Biedermann. «Massgebend fürs Gelingen ist jedoch zu 80 Prozent derjenige, der sie pflegt.» Biedermann ist der Chef der 2015 gegründeten Homatt Kulturgärtnerei und Herr über einen 7700 Quadratmeter grossen Betrieb.

Die Vergrösserung des Ladens: Ein Risiko

Ob das einzigartige Konzept einer Gärtnerei speziell für seltene Sorten funktionieren würde, war anfangs sehr unklar. Ebenso, ob sich die Vergrösserung der Ladenfläche von ursprünglich 140 auf 400 Quadratmeter auszahlen würde. «Ich habe mich zuvor, im Oktober 2017, mit meinem Team abgesprochen und bin alle Eventualitäten durchgegangen. Was, wenn der darauffolgende Winter streng werden würde? Was, wenn wir nicht so gut wirtschaften, wie angenommen?», erzählt Biedermann.

Die Verkaufsfläche der Homatt-Gärtnerei. (Bild: wia)

«Das Team hat sich das dann überlegt und mir mitgeteilt, dass es eine Vergrösserung des Ladens gutheisst. Dass es an eine positive Zukunft glaubt und alles gut kommen werde. Das hat mich ermutigt.»

«Wir sind noch lange nicht fertig.»

Patrick Biedermann, Besitzer der Gärtnerei Homatt

In solchen Situationen merke er, dass die Mitarbeiter mit und auch für den Betrieb leben würden, sagt Biedermann. «So wie auch ich nicht nur Arbeitgeber bin. Ich identifiziere mich mit diesem Betrieb.» Diesen hatte der gelernte Gärtner gekauft, nachdem er seinen Job in einem konventionellen Betrieb an den Nagel gehängt hatte. Ein Entscheid, den Biedermann nicht bereut.

Auch wenn hier viel Arbeit auf ihn wartet. «Wir sind noch lange nicht fertig», sagt er lachend. Er meint nicht nur die Arbeiten, die während der Saison anfallen, sondern Projekte, die er für die Zukunft im Hinterkopf hat. Denn es gibt noch unzählige Pflanzen, die er gerne auf dem Ruswiler Betrieb kultivieren würde.

Gutes Beobachten ist essenziell

Biedermann ist ein guter Beobachter. Es ist eine Fähigkeit, die ihm nicht nur gelegen kommt im Job. Sie ist unabdingbar. «Vieles, was ich hier mache, ist learning by doing. Es gibt fast keine Pflanzenkulturaufzeichnungen und Empfehlungen für Bio-Gärtner», so der Mittdreissiger. Vielmehr habe er das Glück gehabt, von einem alten Lehrmeister profitieren zu können, bei dem ähnliche Produktionsprozesse stattgefunden hatten.

Und so erkennt der Betriebsleiter denn auch von Weitem, wenn ein Salatsetzling etwas zu viel Wasser hatte, die Geranie ein paar Sonnenstrahlen mehr bräuchte, und wo in den Gewächshäusern ein mildes Lüftchen geht, das den jungen Fuchsien gut tut.

«Konventionelle Gärtnereien bestellen die Pflanzen jährlich neu, etwa aus Südafrika per Flugzeug.»

Patrick Biedermann

Dass nachhaltig gearbeitet wird, merkt man übrigens auch im Aufzucht-Gewächshaus, in dem Dutzende verschiedene Geraniensorten stehen. Hier machen die Homatt-Gärtner, was jeder anderen Gärtnerei zu aufwendig wäre. Sie vermehren aus bestehenden Mutterpflanzen neue und überwintern diese über Jahre.

Hier werden Geranien «durchgeseucht» und Stecklinge daraus gewonnen. (Bild: wia)

«Konventionelle Gärtnereien bestellen die Pflanzen jährlich von Grosshändlern, etwa in Holland oder aus Südafrika per Flugzeug», so der Luzerner.

Regionaler geht es nicht

In diesem Betrieb passiert das Gegenteil, denn regionaler geht es nicht. Aktuell etwa ist das Team dran, Tomatensamen aus den hier gewachsenen Früchten zu ernten. Tomaten sind nämlich eine weitere Spezialität der Kulturgärtnerei Homatt. Da gibt es seltsam anmutende Sorten wie Green Zebra, Schneewittchen, Schweizer Hose oder Amish Pasta, welche hier kultiviert werden, und für deren Samenerhaltung man mit grossem Aufwand sorgt.

«Obwohl bei Weitem nicht alle Sorten gut laufen. Die Sorte Schneewittchen etwa hatten wir während zwei Saisons im Sortiment. Die hatte ihre Chance. Jetzt fliegt sie raus», sagt Biedermann. Die weisse Sorte mit den roten «Bäckchen» sei gar nicht gut gelaufen. «Die Schweizer Hose hingegen ist der absolute Renner.»

«Bibäschelen» gehört dazu

Das Lieblingsgebiet des Bio-Gärtner jedoch ist die Fuchsienzucht. 270 Sorten hat die Gärtnerei im Angebot. Zurzeit blühen sie noch, danach werden auch aus diesen Mutterpflanzen Stecklinge gemacht.

Hier wird nur Rares gezüchtet. (Bild: wia)

Dass Biedermann einen sehr nahen Bezug zu seinen Pflanzen hat und diese mit viel Liebe «bibäschelet», ist unschwer erkennbar. Das dürfte auch der Grund sein, warum die Kunden teils weite Wege auf sich nehmen, um in der Homatt Gärtnerei einzukaufen. «Es gibt Chrysantemen-Sammler, die pilgern aus der ganzen Schweiz hierher, weil wir 26 Sorten verkaufen. Ich habe auch Kunden aus dem Tessin, die kommen einmal jährlich her und kaufen gleich alles aufs Mal, was sie für eine Saison brauchen», sagt Biedermann.

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