Kriens stimmt über Steuererhöhung ab

Finanzchef Roger Erni: «Wachstum kostet zuerst einmal»

«Die Chancen sind 50:50»: Der Krienser Finanzchef Roger Erni (FDP) blickt seiner ersten Abstimmung als zuständiger Stadtrat entgegen. (Bild: jal)

Am 24. Januar entscheidet die Krienser Stimmbevölkerung über das Budget. Besonders die Steuererhöhung ist umstritten. Stadtrat und Finanzvorsteher Roger Erni (FDP) kämpft dabei gegen seine eigene Partei – und seine früheren Überzeugungen.

zentralplus: Roger Erni, die Coronakrise, die finanziellen Probleme der Stadt Kriens und ein Jahresstart im budgetlosen Zustand. Hätten Sie sich einen ruhigeren Start in Ihr Amt gewünscht?

Roger Erni: Da ich zuvor acht Jahre in der Finanzkommission war, kannte ich die Dossiers und sah vieles auf mich zukommen. Auch der budgetlose Zustand war keine Überraschung, weil eine Volksabstimmung vor Ende Jahr zeitlich nicht drinlag. Neu war sicher die Pandemiesituation, die uns auch finanziell belastet. Dennoch: Ich bin gut gestartet und konnte meine Berufung zum Beruf machen. Obwohl es keine einfache Aufgabe ist, strahle ich trotzdem noch.

zentralplus: Ihr erster Abstimmungskampf als Stadtrat steht bevor. Als langjähriger Sportler und Finanzdirektor: Wie schätzen Sie die Wettquote für ein Ja zum Budget am 24. Januar ein?

Erni: Es gab innerhalb des Finanzdepartements schon Spekulationen, ob das Budget im Einwohnerrat durchkommt ... das tat es ja dann am 5. November, obwohl es eng wurde. Eine knappe Mehrheit im Parlament ist meist eine schwierige Ausgangslage für eine Volksabstimmung. Ich würde die Chancen auf 50:50 einschätzen – mit einem Ja-Anteil von 55 Prozent wie im Einwohnerrat wäre ich sehr glücklich.

zentralplus: In Emmen scheiterte kürzlich eine Steuererhöhung im Einwohnerrat, in Ebikon an der Urne (zentralpus berichtete). Wie wollen Sie die Krienser Bevölkerung davon überzeugen, mehr Steuern zahlen zu wollen, zumal ja das Budget 2021 trotzdem mit roten Zahlen rechnet?

Erni: Uns ist sehr wohl bewusst, dass es gerade in der aktuellen Situation sehr schwierig ist, die Bevölkerung für ein Ja zur Steuererhöhung zu gewinnen. Trotzdem sind wir überzeugt, dass es der richtige Weg ist. Wir brauchen höhere Steuern, um die Defizite der letzten Jahre auszugleichen und unsere Finanzen nachhaltig zu sanieren. Wir sprechen von einer Pflanze, die nun gepflegt werden muss, damit sie wachsen kann. Tun wir das richtig, können wir in drei oder vier Jahren vielleicht wieder über eine Steuersenkung reden.

«Bis zum 1. September war ich als liberaler Einwohnerrat und Bürger auch gegen die Steuererhöhung.»

zentralplus: Ihre eigene Partei konnten Sie nicht überzeugen, die FDP steht für ein Nein zum Budget ein (siehe Box am Ende). Wie schwierig ist das für Sie?

Erni: Es ist sicher schwierig. Bis zum 1. September war ich als liberaler Einwohnerrat und Bürger auch gegen die Steuererhöhung. Aber jetzt als Stadtrat und Finanzchef bin ich für das Wohl der Gesamtbevölkerung verantwortlich. Wir haben ein strukturelles Defizit von rund 7 Millionen Franken. Wenn wir die Steuern nicht erhöhen, summiert sich das nächstes Jahr auf 11, ein Jahr später auf 15 Millionen Franken. Das zu ignorieren, würde bedeuten, die Verantwortung als Exekutive nicht wahrzunehmen.

zentralplus: Die FDP wirft dem Stadtrat vor, bereits beim ersten Budget die eigenen Vorgaben aus dem Grundlagenpapier «Stadtfinanzen im Gleichgewicht» zu missachten. Was sagen Sie dazu?

Erni: Der Stadtrat hat ursprünglich ein ausgeglichenes Budget erarbeitet. Erst die neusten Bildungskosten des Kantons brachten uns Ende Juni in die roten Zahlen. Plötzlich hatten wir ein Minus von 800’000 Franken – das wir trotz stundenlanger Diskussionen nicht stopfen konnten. Auch der Einwohnerrat fand «nur» Einsparungen von 200’000 Franken.

zentralplus: Das Vertrauen der Krienser Bevölkerung in die Politik hat teilweise gelitten, das zeigen die Urnengänge und die letzten Wahlen. Wäre es nicht besser, die Krienser würden am 24. Januar Nein stimmen – und der neue Stadtrat könnte ein eigenes Budget erarbeiten?

Erni: Man muss klar sagen: Als Finanzchef stehe ich hinter dem Budget, das der alte Stadtrat verabschiedet hat. Wenn der neue Stadtrat nach einem allfälligen Nein an der Urne einen neuen Voranschlag erarbeiten müsste, sähe er wohl kaum total anders aus als der vorliegende. Wir würden versuchen, das Budget 2021 ausgeglichen zu gestalten. Vielleicht sind sich die Bevölkerung und die Parteien allerdings nicht bewusst, was das heissen könnte.

zentralplus: Was könnte es denn heissen?

Erni: Dass wir die fehlenden 600’000 Franken einsparen müssen – und ohne Steuererhöhung weitere 4 Millionen Franken. Das würde bedeuten, dass wir weitere Sparmassnahmen umsetzen müssen. Denn irgendwo müssen wir den Hebel ansetzen.

«Wir treten auf die Bremse und werden das auch weiterhin tun.»

zentralplus: Nach einem Nein würde das neue Budget 2021 also jemandem wehtun?

Erni: Oder vielmehr: Es würde noch mehr wehtun. Denn es tut jetzt schon weh. Nehmen wir das Beispiel Betreuungsgutscheine, bei denen wir 100’000 Franken eingespart und die Tarife angepasst haben. Das bedeutet: Es gibt für manche kein Geld mehr, für manche weniger – den Betroffenen tut das natürlich jetzt schon weh. Bei einem Nein zum Budget werden wir die Betreuungsgutscheine vielleicht nochmals anpassen müssen – dann schmerzt es noch mehr.

zentralplus: Wieso ist Kriens eigentlich so in der Misere?

Erni: Wir haben seit rund zehn Jahren ein Wachstum, das sich in den Bauprojekten niederschlägt. Aber Wachstum kostet zuerst einmal auch – das sehen wir bei den Kosten im Bildungs- und Sozialbereich. Dazu kommt die Aufgaben und Finanzreform AFR18: Der Kanton hat zwar versprochen, dass sie kostenneutral über die Bühne geht, doch bei uns hat sie Mehrausgaben im fast siebenstelligen Bereich zur Folge. Jetzt haben wir höhere Ausgaben – nach dem Steuerabtausch gleichzeitig aber weniger Steuereinnahmen. Dazu verzögert sich auch das Wachstum bei den Steuereinnahmen. Noch im Budget 2016 rechnete Kriens für Ende 2020 mit rund 30'000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Wir haben Stand Ende Dezember 2020 «erst» 27’900.

zentralplus: Die Wachstumsstrategie ist in Ihren Augen also nicht gescheitert, sondern es dauert halt einfach noch ein paar Jahre länger, bis sich der Zuzug guter Steuerzahler in den Stadtfinanzen niederschlägt?

Erni: Genau so würde ich es sagen. Gleichzeitig müssen wir auch festhalten, dass wir da und dort zu optimistisch prognostiziert haben. Etwa bei der Frage des Zuzugs von Einwohnern mit überdurchschnittlichem steuerbaren Einkommen.

zentralplus: Kriens ist nicht die einzige Gemeinde in der Agglomeration Luzern, der es finanziell schlecht geht. Was ist aus Ihrer Sicht das Problem?

Erni: Horw, Luzern und Meggen haben einen Seeanstoss, was gute Steuerzahler anlockt. Emmen, Ebikon und Kriens tragen hingegen Agglomerationslasten, haben aber nicht die nötige finanzielle Ausstattung. Ich möchte mit Emmen und Ebikon mal prüfen, wie wir der Bevölkerung und auch den Gemeinden und Politikern vom Land sichtbar machen können, wieso wir es schwieriger haben. Ich will nicht den Stadt-Land-Graben vertiefen, keineswegs, und auch nicht einfach jammern, sondern die Fakten auf den Tisch legen.

zentralplus: Verständnis schaffen bringt aber noch kein Geld.

Erni: Ja, aber Verständnis ist die Voraussetzung für Veränderungen. Auch bei der Aufgaben- und Finanzreform 18 müssen wir aufzeigen, an welchen Stellen der Kanton noch schrauben muss.

«Ganz genau – ich bin der Spielverderber»

zentralplus: In Kriens liegt ein Paket an Massnahmen auf dem Tisch, um die Finanzen ins Lot zu bringen. Reicht das, um das strukturelle Defizit zu beheben?

Erni: Wir treten seit einiger Zeit bereits auf die Bremse und werden das auch weiterhin tun. Das heisst, wir entscheiden uns sehr bewusst nicht für den Mercedes, sondern für den VW. Das wurde in den letzten Jahren vielleicht nicht immer hundertprozentig so gelebt. Beispielsweise bei der Sanierung der beiden Schulhäuser Kirchbühl und Brunnmatt: Da hat man nach anfänglichen Vergabeerfolgen viele Zusatzwünsche trotzdem berücksichtigt – und ist am Ende übers Ziel hinausgeschossen. Klar, wenn man irgendwo ansetzt, will man es richtig machen. Und der neue Stadtrat muss im einzelnen Projekt noch beweisen, dass er nicht auch den Mercedes wählt. Aber wir wollen jeden Steuerfranken – fast demütig – sorgsam ausgeben.

zentralplus: Apropos: Finanzdirektoren gelten oft als Spielverderber, weil sie gerne auf die Bremse treten. Wie liegt Ihnen diese Rolle?

Erni: Ganz genau – ich bin der Spielverderber (lacht). Das liegt mir, ja mehr noch, das sehe ich als meine Aufgabe. In einer allfälligen zweiten Legislatur, so hoffe ich, darf ich vielleicht auch mal grosszügiger sein. Aber die nächsten vier Jahre ist mir das nicht vergönnt – und muss es auch nicht sein.

zentralplus: Die «Schonzeit», sprich Ihre ersten 100 Tage im Amt, sind vorüber. Ihr Zwischenfazit?

Erni: Dass sie vorbei ist, habe ich nicht gemerkt: Als Finanzchef gab es von Beginn an keine Schonzeit (lacht). Mein Team in der Verwaltung ist super, ich wurde gut eingearbeitet. Besonders gefreut hat mich die Zusammenarbeit im Stadtrat. Eine Anekdote dazu: Mein Büro befindet sich im vierten Stock, Marco Frauenknecht ist gleich nebenan. Manchmal holen wir im zweiten Stock Cla Büchi ab, im dritten Maurus Frey und zuoberst Christine Kaufmann-Wolf (die vier anderen Stadträte, Anm. d. Red.) – und gehen gemeinsam einen Kaffee trinken. Das gab es zuvor offenbar nicht mehr, wie uns Mitarbeiter der Verwaltung sagten. Und das Tolle: Das löst auch bei ihnen etwas aus.

Wer ist dafür, wer dagegen?

Das Budget 2021 der Stadt Kriens sieht bei einem Gesamtaufwand von 207 Millionen Franken ein Minus von 600’000 Franken vor. Geplant ist eine Steuererhöhung von 1,9 auf 2,0 Einheiten, was der Stadt 4 Millionen Franken Einnahmen bringt. Das Budget wurde noch unter der Leitung des alten Stadtrates erarbeitet. Im Einwohnerrat kam es im November 2020 nur knapp, mit 14 Ja- zu 12 Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen, durch.

Für die Abstimmung am 24. Januar haben SP, Grüne, GLP und CVP die Ja-Parole beschlossen. Für sie ist die Steuererhöhung nötig, um Schulden abzubauen und schärfere Sparmassnahmen zu umgehen. FDP und SVP lehnen das Budget hingegen ab. Sie kritisieren, dass trotz Steuererhöhung ein Minus resultiert, und fordern mehr Sparanstrengungen. 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hugo Ball
    Hugo Ball, 12.01.2021, 07:31 Uhr

    Die verfehlte angewendete Politik – ein ausschliesslich auf sinnlose Quantität statt nachvollziehbarer Qualität ausgerichteter Aktionsplan (Gemeinde wird zur Stadt, exzessive Siedlungsentwicklung, Zerstörung des Gemeindecharakters, Pull-Effekt bezüglich ökonomisch sozial schwachen Neuzuzügern usw.) – ist in Kriens dafür verantwortlich, dass ein Loch in der Staatskasse klafft. Ernis Phrase, dass zuerst investiert werden muss, bevor Wachstum eintritt, ist in diesem Kontext so falsch und schönfärberisch naiv, dass es schmerzt! Aber solche Personen sitzen nun mal an den Schalthebeln der Macht! Und diese Krienser Entwicklungen waren bereits seit Jahren erkennbar und sind in letzter Zeit und real- und finanzpolitisch immer unausweichlicher durchgedrungen. Und zu allem Übel hat der Souverän bereits weiteren finanziellen bodenlosen Wundertüten wie zB. der Pilatusarena zugestimmt. Aber ja, der Gemeinderat hat ja hoch und heilig «versprochen», dass dieses Projekt Wertschöpfung anstelle von Kosten generiert. Man darf gespannt sein, was die Zukunft bringt und ob diese hochtrabenden Behauptungen bewiesen werden können.

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