Kichererbsen für 15 Franken?

«Unfahrpackt»-Laden in Luzern zahlte Lehrgeld

Zusammen mit Ramona Jäger und Luana Betschen (nicht auf dem Bild) führt Basil Betschen den «Unfahrpackt»-Laden an der Bruchstrasse. (Bild: Elia Saeed)

Neben Grossisten haben unabhängige Einkaufsläden einen schweren Stand. Der neue «Unfahrpackt»-Laden an der Bruchstrasse kämpft mit einem innovativen Konzept um einen Platz an der Detailhandels-Sonne. Doch nicht alles klappte von Anfang an.

Dezember 2020. Es ist mitten im ersten Pandemie-Winter. Ramona Jäger, Luana und Basil Betschen sind viel in der Natur unterwegs, haben Zeit, um nachzudenken. «Dabei sahen wir, wie viel Abfall unsere Gesellschaft verursacht», erzählt Basil Betschen. Die drei fragen sich, wie sie selbst weniger Abfall produzieren können, schauen, welche Angebote es dazu in der Stadt Luzern gibt. Ihre Erkenntnis: «Es gibt noch zu wenig.»

Ramona und Luana, die zusammen die Schulbank drücken, entscheiden sich, ihre gemeinsame Abschlussarbeit einem Unverpackt-Ladenkonzept zu widmen. «Als wir eines Abends die Arbeit durchgingen, fanden wir: Es wäre schade, wenn wir das nicht zusammen ausprobieren würden», so Basil Betschen.

Gemeinsam schiessen sie private Mittel in das Projekt und veranstalten ein Crowdfunding. «Nach 48 Stunden war fast das Doppelte des Finanzierungsziels von 8'500 Franken erreicht», sagt Betschen. «Das war für uns ein Zeichen, dass es ein Bedürfnis gibt, bequem unverpackt einzukaufen». Im März 2021 ist es so weit: Der «Unfahrpackt»-Laden an der Bruchstrasse 3 öffnet seine Türen.

Lieferservice mit Mehrweg-Behältern

In Luzern gibt es seit 2017 Unverpackt-Läden. Der erste, ehemals «Quai 4», wird vom Sozial-Unternehmen «Wärchbrogg» am Alpenquai eröffnet; der zweite, ein eigenständiger Laden, kurz darauf in der Zürichstrasse, wobei hier bereits im folgenden Januar Schluss ist. (zentralplus berichtete)

In der Regel nimmt die Kundschaft in Unverpackt-Läden eigene Gefässe mit, um die Lebensmittel zu wägen und abzufüllen – ähnlich wie im grossen Detailhandel, wo Obst, Gemüse oder Nüsse unverpackt angeboten werden. Nur gibt es bei den Grossisten oftmals Plastik, um die Lebensmittel einzupacken. Hier setzt das Konzept von «Unfahrpackt» an.

«Deshalb nahmen wir Kichererbsen aus der Schweiz. Die kosten aber 14 bis 15 Franken im Verkauf – das kauft niemand!»

Basil Betschen, Unfahrpackt Luzern

Um spontanes, bequemes Einkaufen zu ermöglichen, bietet der Laden abgefüllte Mehrwegbehälter mit einem Depotsystem an. Ausserdem gibt es an ausgewählten Tagen einen Lieferservice für Online-Bestellungen. Für Kundschaft, die trotzdem mit eigenen Gefässen einkaufen will, steht eine geeichte Waage in der Ecke.

Laufkundschaft gibt es am «Unfahrpackt»-Standort nur wenig. Im Angebot steht kein Gemüse oder Brot. Das kann aber frisch beim Bäcker die Strasse runter oder beim lokalen Bauern bestellt werden. Wer bis Dienstagabend um 22 Uhr seine Ware online bestellt, kann am nächsten Tag eine ganze Wochenration Lebensmittel abholen oder sich liefern lassen.

Wann ist die Schmerzgrenze erreicht?

Bisher haben rund 600 Leute bei «Unfahrpackt» bestellt. Die monatliche Stammkundschaft besteht aus rund 50 Leuten. «Es gibt saisonale Schwankungen», erzählt Betschen. «Im Sommer ist eher wenig los, im Winter nehmen die Bestellungen zu.» Für den Bauernhof Gmüesmattli liefert «Unfahrpackt» einen Teil der Gemüse-Abos aus.

«Das garantiert uns eine Grundauslastung und bietet uns bessere Planbarkeit», sagt Betschen. Das Ziel sei, «dass wir uns für unsere Arbeit bezahlen können». Im Moment decke der Betrieb immerhin die Kosten.

Da das Team nicht vom Fach ist, hatte es in der neuen Branche einiges an Lehrgeld zu zahlen. «Am Anfang wollten wir alles regional haben», erzählt Betschen. «Deshalb nahmen wir Kichererbsen aus der Schweiz. Die kosten aber 14 bis 15 Franken im Verkauf – das kauft niemand!» Jetzt werden italienische Kichererbsen angeboten, «die von unseren Werten her immer noch vertretbar sind, aber sie kosten nur die Hälfte.» Das Team müsse experimentieren, «und diese Zeit nehmen wir uns auch».

Seitan-Döner oder nicht, das ist die Frage

«Am Anfang haben wir mit 100 Produkten gestartet», erzählt Betschen, «mittlerweile sind es rund 230». Das «Unfahrpackt»-Team ist im stetigen Austausch mit seinen Lieferanten, um die Verpackungsmenge zu reduzieren. Um Abfall zu vermeiden, wird Verpackungspapier wiederverwendet, zum Beispiel als Visitenkarte oder für Gruss-Nachrichten.

Um Abfall zu vermeiden, werden Papierverpackungen für diverse Zwecke wiederverwendet – zum Beispiel für Visitenkarten oder Gruss-Nachrichten. (Bild: zvg)

Zu den Rennern des veganen Ladens gehören Haferflocken und Hafermilch. Neben dem klassischen Angebot gibt es auch Convenience Food aus der Region wie Frühlingsrollen, Empanadas oder Seitan-Nuggets. Bei solchen Produkten werde Nachhaltigkeit zur Gratwanderung.

«Am Anfang haben wir Seitan-Döner im Glas angeboten», erzählt Betschen. «Aber das war wegen der Haltbarkeit ein Problem.» So musste das Team abwägen zwischen weniger Verpackungsabfall oder weniger Foodwaste, zwischen dem Kippen eines der am besten laufenden Produkte und dem Finden einer Alternative.

«Wir haben den Döner sterilisiert, die Lieferantin hat ihn vor der Lieferung abgekocht», erzählt Betschen. «Dadurch haben wir eine Haltbarkeit von ein bis zwei Wochen erreicht.» Nun ist der Seitan-Döner in Plastik eingeschweisst und hält sechs Wochen. «Aus unserer Perspektive bedeutet jede verkaufte Packung, dass weniger Fleisch gegessen wird, was aus ökologischer Sicht ein Vorteil ist.»

Unverpacktes auch bei Coop, Migros und Aldi

Der Trend zu unverpackten Produkten greift in der Schweiz um sich. Bei Aldi beispielsweise hat sich die unverpackte Warenmenge in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Bei Migros Luzern kann die Kundschaft am Standort Schweizerhof aus rund 70 Produkten in Bioqualität auswählen und in wiederverwendbare Biobaumwoll-Säcklein oder in eine Papiertüte abfüllen.

«Zero Waste ist utopisch und schreckt die Leute mehr ab, als dass es hilft.»

Basil Betschen, Unfahrpackt Luzern

Das Interesse am Angebot sei gross und die Kundschaft gerade in der Stadt sehr affin, sagt Migros-Mediensprecherin Rahel Kissel. Auch in der Coop-Filiale im Löwencenter finden sich Unverpackt-Stationen. Wie in der Migros werden hier zusätzlich zu Obst, Gemüse und Nüssen auch Pasta, Reis oder Müesli unverpackt angeboten.

Bis 2026 wolle Coop als Teil einer Zero-Waste-Strategie das Unverpackt- und Mehrwegangebot für den täglichen Bedarf erweitern, sagt Mediensprecher Caspar Frey.

«Zero Waste ist utopisch und schreckt die Leute mehr ab, als dass es hilft», sagt hingegen Basil Betschen. «Wir wollen möglichst effizient mit den Ressourcen umgehen – das ist unser Ziel.»

Ein Kampf um die besten Preise

Am Ende des Jahres will das «Unfahrpackt»-Team Bilanz ziehen. Um das Projekt rentabel zu gestalten, müsste man expandieren oder an einem neuen Standort das Angebot mit Gastronomie verbinden. Beim Markt Alpenquai wird dies bereits erfolgreich umgesetzt.

Auch hier hat man gemerkt, dass die Akzeptanz für das Unverpackt-Angebot stetig steigt, sagt Wärchbrogg-Geschäftsleitungsmitglied Stefan Huber. Dass die grossen Detailhändler auf den Unverpackt-Zug aufspringen, helfe »Unfahrpackt», wobei es eine Herausforderung sei, mit den Preisen mitzuhalten. «Wir versuchen, die Leute mit einem attraktiven Sortiment, das nicht überall verfügbar ist, abzuholen», erklärt Huber.

Auch bei «Unfahrpackt» setzt man auf unkonventionelle Produkte. Dass es den Laden trotz aller Widrigkeiten noch gibt, zeigt, dass der Trend zu ökologischem Einkaufen anscheinend nachhaltig ist.

Verwendete Quellen
  • Interviews mit Basil Betschen (Unfahrpackt), Stefan Huber (Wärchbrogg)
  • Schriftlicher Austausch mit Migros Luzern, Coop und Aldi Suisse
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