Nach 16 Jahren im Spar hören sie auf

«Es war eine tolle Zeit im Geissenstein»

Dominic (links), Maia und Albert Stalder zieht es fort. Nun suchen sie jemanden, der den Quartierladen übernehmen möchte. (Bild: Nathan Affentranger)

Die Familie Stalder verlässt den Spar im Luzerner Geissenstein. Im Interview erzählen die drei Betreiber, weshalb sie aufhören, was sie von den Nachfolgern wünschen und auf was sie sich freuen.

Wir setzen uns an einen der Tische vor dem Laden, dem Spar im Geissenstein. Neben uns auf dem Platz stehen mehrere Einkaufswagen, gefüllt mit Erde und bepflanzt mit Primeli. Sie gehören zur Osterdekoration. Albert (68) und Maia (63) Stalder führen das Geschäft zusammen mit Sohn Dominic (43) seit 16 Jahren. 2022 erhielten sie den Anerkennungspreis Quartierleben der Stadt Luzern für ihr soziales Engagement. 2019 verlieh ihnen das Kinderparlament der Stadt Luzern den «Goldenen Lollipop», weil ihr Laden sehr kinderfreundlich sei.

Kaum kommen wir ins Gespräch, wird auch klar, weshalb den Stalders so grosse soziale Anerkennung zuteil wird. Wir werden laufend unterbrochen. Es scheint, sie kennen alle, die vor ihrem Spar vorbeilaufen – und wissen mit allen einen Schwatz zu halten. Mitten im Interview fährt ein Lastwagen mit neuer Ware auf den Platz. Natürlich grüssen sie den Fahrer mit Vornamen. Sie witzeln mit ihm über ihren bevorstehenden Ruhestand. Denn: Vergangene Woche gab die Familie Stalder bekannt, dass sie am 30. Juni aufhören wird und ihren Laden in neue Hände übergeben möchte (zentralplus berichtete).

zentralplus: Sie sind eine feste Grösse in Ihrem Quartier. Im Sommer hören Sie nun auf. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Albert Stalder: Ich höre vor allem auf wegen meines Alters, ich bin jetzt 68. Ich möchte noch ein wenig meine Gesundheit geniessen, Verwandte besuchen und Zeit mit meiner Frau verbringen.

Maia Stalder: Albert und ich sind bald fünfzig Jahre verheiratet und haben immer gearbeitet, wir möchten noch etwas Zeit für uns und die Familie. Der Zeitpunkt zum Aufhören scheint meist unpassend oder ungünstig. Wir haben erkannt, dass wir diesen Schritt irgendwann einfach tun müssen, auch wenn es uns jetzt schwerfällt.

Dominic Stalder: Ich möchte auch mehr Zeit für meine Familie. Ich habe einen Sohn, der eineinhalb Jahre alt ist und ich sehe ihn meist nur schlafen, wenn wir um fünf Uhr morgens in den Laden gehen und um neun Uhr abends wieder nach Hause kommen. Zudem habe ich jetzt 27 Jahre im Detailhandel gearbeitet und möchte einfach mal etwas anderes machen.

zentralplus: Ihr Geschäft ist unter anderem sehr bekannt und beliebt, weil Sie über die Jahre hinweg viele Anlässe und soziale Projekte organisiert haben. Gibt es einen Anlass, der Ihnen besonders in Erinnerung bleiben wird?

Dominic Stalder: Weihnachten war immer das Schönste. Mit dem Karussell für die Kinder, den Weihnachtsbäumen und der Eisenbahn auf dem Platz vor dem Laden. Wochen vor Weihnachten kamen die Kinder und fragten uns, wann das Karussell endlich käme.

zentralplus: Sie haben viele unterschiedliche Anlässe organisiert. Nebst den Weihnachtsfesten beispielsweise auch ein Public Viewing während der Fussball-Weltmeisterschaft oder gar ein kleines Open Air. Wie kamen Sie zu all diesen Ideen?

Albert Stalder: Das hat sich immer so entwickelt. Einmal wollten wir eine Beachparty auf dem Platz veranstalten mit Swimmingpool und da kamen wir im Gespräch darauf, dass es lustig wäre, wenn wir Peach Weber dazu einladen würden. Am anderen Tag rief ich ihn an und er sagte zu. Und so aus dem Gespräch heraus entstand das Open Air mit Peach Weber. Das ging oft sehr kurzfristig.

Maia Stalder: Das allererste Projekt, das wir machten, entstand spontan. Es war eine Jassrunde mit Bewohnern des Quartiers, die einsam waren. Immer am Nachmittag sassen sie dann hier vor dem Laden und quatschten miteinander. Manchmal waren es bis zu zehn Personen, die zusammensassen und so aus ihrer Einsamkeit geholt werden konnten.

«Den Laden wird es sicher weiterhin geben.»

Albert Stalder

zentralplus: Gab es abseits der Anlässe und Projekte Ereignisse, die Ihnen bleiben werden?

Albert Stalder: Der grosse Umbau. Damals haben wir den Laden innerhalb einer Woche komplett modernisiert.

Maia Stalder: Wir mussten umbauen, weil wir irgendwann kein Regal mehr freihatten, auf dem wir all unsere Bio-Produkte hätten platzieren können. Wir hatten nur eine Woche Zeit dafür und mussten irgendwie innerhalb von zwei Stunden den ganzen Laden ausräumen. Da kamen uns ganz viele Leute aus dem Quartier zu Hilfe.

Ein Plakat bei der Kasse. Die Familie Stalder ist stolz darauf, wie sie im Quartier verwurzelt ist. (Bild: Nathan Affentranger)

zentralplus: Für viele Menschen ist es eine wohl eher unangenehme Vorstellung, jeden Tag mit der Familie zusammenzuarbeiten. Sie haben es 16 Jahre lang getan. Welche Strategien haben Sie entwickelt, um Konflikte zu bewältigen?

Albert Stalder: Wir hatten eigentlich nie grosse Konflikte. Jeder hatte seinen Aufgabenbereich, in welchem er freie Hand hatte und seine eigene Verantwortung. Jeder hatte seine Abteilung. Wenn es Konflikte gab, ging man einander einfach eine halbe Stunde aus dem Weg. Es ist auch wichtig, sich innerhalb der Familie mit Respekt zu behandeln.

Dominic Stalder: Und spätestens wenn wir am Abend im Auto sassen, waren die Meinungsverschiedenheiten vom Tag vergessen.

zentralplus: Grosse Bekanntschaft haben Sie ebenfalls dadurch erhalten, dass Sie ein überaus vielseitiges Sortiment haben. Unter anderem mit zahlreichen Bio-Produkten und einer stadtbekannten Auswahl an Bieren. Planten Sie von Anfang an, ein solch breites Sortiment anzubieten?

Dominic Stalder: Gross ausgewählt, was wir anbieten wollen, haben wir eigentlich nie. Es waren die Kunden, die uns sagten, was sie möchten und brauchen. Wir versuchten, ihnen nachzukommen und die gewünschten Produkte zu organisieren. Zudem: Wenn du anbieten kannst, was die Kunden gerne haben, dann spricht sich das auch herum.

zentralplus: Haben Sie die Nachfolge schon geregelt? Wer wird das Geschäft in Zukunft führen?

Albert Stalder: Wir sind da dran. Ich kann noch keine Namen nennen, aber wir sind mit mehreren Personen im Gespräch. Den Laden wird es sicher weiterhin geben.

«Der soziale Aspekt unseres Ladens liegt uns enorm am Herzen.»

Dominic Stalder

zentralplus: Die Anlässe, das soziale Engagement, das Sortiment – wird das den Laden auch in Zukunft ausmachen?

Dominic Stalder: Es wäre unser Wunsch, dass das so bleibt, ja. Die neuen Betreiber werden sicher frische, andere Ideen haben und sie sollen diesen auch nachgehen, aber dass das soziale Engagement bleibt, ist uns wichtig. Der soziale Aspekt unseres Ladens liegt uns enorm am Herzen.

zentralplus: Haben Sie einen Rat für die zukünftigen Betreiber?

Maia Stalder: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Man darf sich ruhig auch mal Zeit nehmen, um mit den Leuten etwas zu schwatzen.

zentralplus: Sie haben auch Angestellte, die in Ihrem Laden arbeiten. Werden diese weiterhin im Geschäft angestellt bleiben?

Albert Stalder: Es werden alle übernommen.

Maia, Albert und Dominic Stalder vor den mehr als 300 Sorten von Bieren, die sie in ihrem Laden anbieten. (Bild: Nathan Affentranger)

zentralplus: Wird man Sie nach dem 30. Juni, dem Tag, an dem Sie aufhören möchten, weiterhin im Quartier antreffen?

Maia Stalder: Ja, sicher. Wir haben hier viele Freundschaften geknüpft, die wir weiterhin pflegen.

Albert Stalder: Am Anfang werden wir den neuen Betreibern wahrscheinlich auch noch etwas zur Seite stehen nach der Übergabe, bis sie mit unseren Abläufen und der Kundschaft vertraut sind.

zentralplus: Gibt es zum Schluss etwas, das Sie Ihren Kunden und den Menschen in Ihrem Quartier sagen möchten?

Albert Stalder: Es war eine tolle Zeit im Geissenstein. Bitte unterstützen Sie den Nachfolger weiterhin.

Dominic Stalder: Am 15. und 16. Juni werden wir als Dankeschön an unsere Kunden und das Quartier ein Abschiedsfest feiern. Es wird das Karussell aufgestellt und es gibt eine Überraschung. Alle sind herzlich eingeladen.

Maia Stalder: Wir wünschen unseren Kunden für die Zukunft alles Gute und viel Gesundheit. Wir möchten ihnen für ihre Treue danken und die grossartigen Momente im Quartier.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Albert, Maia und Dominic Stalder
  • Persönlicher Augenschein vor Ort
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Ehemalige Geissensteinerin
    Ehemalige Geissensteinerin, 14.03.2024, 22:33 Uhr

    Als ehemalige Geissensteinerin freue ich mich über diesen Artikel. Die Familie Stalder hat weit über das Kerngeschäft des Detailhandels hinaus, unglaublich wertvolle Arbeit fürs Quartier geleistet. Ganz herzlichen Dank

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  • Profilfoto von Quartierbewohner
    Quartierbewohner, 13.03.2024, 16:57 Uhr

    Der Spar im Geissenstein ist wirklich immer einen Einkauf wert. Wer es gerne persönlich hat, ist da richtig aufgehoben.
    Merci Familie Stalder für euren Einsatz!

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