Bis Ende Februar erscheint der «Anzeiger Luzern» noch, dann ist Schluss. Mit dem Aus verliert die Stadt eine gedruckte Zeitung, die regelmässig ihre amtlichen Mitteilungen publiziert hat. Politiker fordern, dass die Stadt die Lücke füllt.
Ob nun «Stopfmaterial für die nassen Fussballschuhe» oder «Gratiszeitung mit grosser Reichweite und eigenständigen Artikeln»: Das Ende des «Anzeiger Luzern» wühlt auf – auch die zentralplus-Leserschaft (zentralplus berichtete). Noch im September teilte der Verlag CH Media bei der Übernahme der «Luzerner Rundschau» mit, dass sie die «Rundschau» in den «Anzeiger» integriere, um ihn zukunftsfähiger zu machen. Doch Ende Januar folgte die Kehrtwende: Wegen «ungenügender Wirtschaftlichkeit» stellt der Verlag die Wochenzeitung mit einer Auflage von rund 69’000 Exemplaren ein.
Die Nachricht bewegte Luzern. Bereits sammelt ein Unterstützungskomitee Unterschriften mittels Petition, um den «Anzeiger» zu unterstützen. Und auch die Stadt Luzern gibt sich in einer Mitteilung «konsterniert» und «bestürzt». Nicht nur, da dies ein «herber Schlag» für die Stadtluzerner Medienlandschaft ist. Sondern, weil die Stadt direkt davon betroffen ist: Über den «Anzeiger» verschickte die Stadt wöchentlich Mitteilungen zu Stadtratsentscheiden, Neuigkeiten der Stadtverwaltung und weiteren Aktivitäten der Stadt in die Haushalte der Stadtluzerner.
Zeitung für Abolose – oder ohne Zugang zu Digitalmedien
Für Marco Müller und Christov Rolla sei das «aus staatspolitischen Gründen äusserst bedenklich», wie die Grüne-Grossstadträte in einem kürzlich eingereichten Postulat namens ihrer Fraktion schreiben. Wegen des Verlusts der amtlichen Mitteilung durch die Stadt sowie einer Plattform für Parteien, Vereine und das Gewerbe der Region. Zwar hätten die zum Teil auch eigene Publikationen und Plattformen, deren Reichweite sei jedoch auf kleinere Gruppen beschränkt, wie Postulant Marco Müller auf Anfrage ausführt.
«Zu guter Letzt sind Gratispublikationen für Menschen, die sich keine Zeitungsabos leisten können oder wollen, und für Personen, welche keinen Zugang zu digitalen Medien finden, besonders wichtig», kritisieren die Politiker. Sie fordern deshalb im Postulat, dass die Stadt Luzern eine «regelmässige Informationsvermittlung» via «kostenloses Printmedium» sicherstellt.
Stadt soll sich an Horw oder Kriens orientieren
Zwar hätte die Stadt noch ein eigenes Informationsblatt, das «Stadtmagazin». Doch dieses erscheine nur viermal im Jahr, «was sehr selten ist», so Müller. Damit könne nur beschränkt über aktuelle Themen informiert werden. Zudem würden ausschliesslich Texte der Verwaltung publiziert. «Dies ist ungenügend für eine Stadt in der Grösse von Luzern», findet Müller.
Marco Müller, Grüne-Grossstadtrat«Wenn die Stadt dafür sorgt, dass es eine regelmässige Printpublikation gibt, dann ist dies ein Service Public.»
Die Grünen fordern deshalb einen Blick über den Tellerrand – respektive über die Gemeindegrenze. In Kriens erscheint mit «Kriens Info» monatlich ein offizielles Informationsblatt, das aber auch Platz für Vereine und Parteien bietet. In Horw mit dem «Blickpunkt» zumindest elfmal pro Jahr. Beide Publikationen seien «äusserst beliebt» und werden «viel gelesen», so Müller.
Ausbau des «Stadtmagazin»
Sie schlagen deshalb vor, dass die Stadt das «Stadtmagazin» an die beiden Blätter der Agglomeration angleiche. Dabei sei zu prüfen, ob das «Stadtmagazin» weiterhin vollständig durch die Stadtverwaltung oder in Kooperation oder ganz durch ein privates Medienunternehmen produziert würde.
Die Stadt soll nach einem Postulat etwas weiterführen, das sich aus privatwirtschaftlicher Sicht finanziell nicht rentiert. Für Müller kein Problem: «Die Aufgaben der Stadt lassen sich meist nicht monetär messen, sie müssen auch nicht profitabel sein. Wenn die Stadt dafür sorgt, dass es eine regelmässige Printpublikation gibt, dann ist dies ein Service Public.»
Zudem seien Informationen für eine funktionierende direkte Demokratie «elementar». Er ist deshalb auch zuversichtlich, dass ihr Postulat auch von anderen Parteien unterstützt werde. «Denn für die Lokalpolitik, für Vereine und das Gewerbe ist ein solches Publikationsorgan sehr wichtig und wertvoll.»
Aus Kostengründen zurückgeschraubt
Die Stadt Luzern kann aufgrund des hängigen Vorstosses keine Fragen zur Strategie des «Stadtmagazin» beantworten. Jedoch offenbart ein Blick in die Geschichte des Blatts, dass monetäre Überlegungen durchaus eine Rolle spielen.
Das Luzerner «Stadtmagazin» ist ein Kind der Fusion von Luzern und Littau 2010. Es entstand aus den vorherigen Infozeitungen «brennpunkt», «Littau Kurier» und «Lozärner Schuelzytig». Die vorherige Stadtluzerner Informationszeitung «brennpunkt» erschien seit 1981 fünfmal im Jahr und kostete rund 170’000 Franken im Jahr. Das «Stadtmagazin» erschien anfangs sechsmal pro Jahr und hatte ein Budget von 230’000 Franken, wie alten Medienberichten zu entnehmen ist.
Doch bereits ein Jahr danach, 2011, erschien es nur noch fünfmal pro Jahr. 2016 nur noch viermal – aus Spargründen. Die Kommunikationsstelle war einer der Bereiche, die vom grossen städtischen Sparpaket 2015 betroffen waren (zentralplus berichtete). Ob die Stadt nun, wo es finanziell rosiger aussieht, die Produktion wieder hochfährt, entscheidet das Parlament. Sie wäre aber nicht die einzige Gemeinde, die nach einem Verlagsentscheid um ihr Informationsblatt ringt. Die Gemeinde Baar befand sich in derselben Situation – und entscheid sich kurzerhand, ein eigenes Blatt zu lancieren (zentralplus berichtete).
- Postulat von Marco Müller, Grüne-Grossstadtrat
- Schriftlicher Austausch mit Marco Müller, Postulant
- Medienmitteilung des Verlagshauses CH Media
- Kennzahlen zum «Anzeiger Luzern»
- Petition
- Mitteilung Stadt Luzern
- Schriftlicher Austausch mit Kommunikationsstelle der Stadt Luzern
- Artikel «Luzerner Zeitung» zur Fusion und zum neuen Magazin (nicht online)
- Website «Stadtmagazin»
- Informationen zum «brennpunkt» aus einer SVP-Motion zu dessen Abschaffung
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Roli Greter, 13.02.2024, 08:01 Uhr Gerade die Grünen sollten sich über ein Printmedium weniger freuen. Die damit geretteten Bäume spenden den nötigen Schatten während den Klimawandel-Hitzetagen.
👍4Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runterDunning-Kruger, 12.02.2024, 13:48 Uhr Das gedruckte Stadtmagazin existiert ja schon!
👍7Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runterLibero, 12.02.2024, 13:43 Uhr Der Anzeiger inkl. Luzerner Rundschau ist auch mit CH-Media grandios gescheitert.
Ist der Grüne, Herr Marco Müller nicht spezialisiert für Publicity, aber oft nicht dabei wenn’s ernst gilt?
Es braucht keine Steuergelder, fragen Sie wie die «Barni-Post» das macht?👍9Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runterJ. Pestalozzi, 12.02.2024, 10:23 Uhr Ich habe mir mal die Postulate der Grüne-Grossstadträte angeschaut. Es ist unfassbar, was alles der Steuerzahler finanzieren muss. Und dies sind die Leute mit wenig Einkommen, für welche sich angeblich Rot- Grün einsetzt.
👍11Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎3Daumen runterChristov, 24.03.2024, 01:56 Uhr Nun ja … in einem demokratischen Konstrukt wie der Schweiz bezahlt "der Steuerzahler" sowieso alles …: Armee, Autobahnen, Sozialwerke, Bildung, Kulturförderung … you name it. – Ausgenommen von diesem solidarischen Prinzip ist also nur, wer die Batzen am Staat vorbeizuschleusen weiss … – und das sind eher selten die Wenigverdienenden.
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Kritischer Blick, 12.02.2024, 10:04 Uhr Sturm im Wasserglas. Diese amtlichen Mitteilungen sind eher unrelevant und können auch via andere Kanäle verbreitet werden. In den Mitteilungsblättern von Horw und Kriens hat es ganz viele Werbung und ganz viele sich immer wieder wiederholende amtliche Mitteilungen.
👍12Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runterClara Clawitter, 12.02.2024, 08:52 Uhr Hat die Stadt Luzern digital mit Dialog Luzern nicht eine Plattform speziell auch für Vereine geschaffen? Ich würde noch eine weitere Gruppe bei der Offline Kommunikation hinzufügen. Kinder. Diese sollen nämlich möglichst wenig an den Geräten hängen, Früher als Kind haben wir die Zeitungen der Eltern einfach mitgelesen, heute kommen meistens ja gar keine Papierzeitungen mehr ins Haus.
👍6Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎2Daumen runterKevin Klak, 12.02.2024, 13:54 Uhr Das finde ich ein guter Gedanke. Und schliesst ja auch nicht aus, dass das «Stadtmagazin» gewisse Inhalte übernimmt.
(Schon interessant, dass die Kommentare hier m.E. bessere Vorschläge hinkriegen als die Politiker…)
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Tommy, 12.02.2024, 08:19 Uhr Wieso nicht mit zentralplus zusammenspannen?
Zentralplus würde sich bestens eignen und wäre im Tabloid-Format dazu noch bequem zu blättern sein.👍4Gefällt mir👏0Applaus🤔6Nachdenklich👎1Daumen runter