Homosexualität in Luzern

«Das Ende einer Ära»

«Die Stadt Luzern ist teilweise konservativer als das Land», findet Jörg Marti, Präsident der Homosexuellen Arbeitsgruppe Luzern. (Bild: Emanuel Ammon/AURA - Symbolbild)

Das «Uferlos» als Lokal der homosexuellen Szene ist Geschichte. Und damit auch der einzig fixe Treffpunkt für Schwule und Lesben in Luzern. Ist diese Situation eine Chance für eine bunte Stadt, oder ein Zeichen für die Anonymisierung und Verdrängung der Homosexuellen im konservativen Luzern?

Das «Uferlos» hat diesen Sommer zu neuen Ufern gewechselt – der ehemalige Club für die homosexuelle Szene ist ziemlich heterosexuell geworden. «Andersrum ist nicht verkehrt», steht noch an der Fassade des Clubs, doch die Homosexuellen Arbeitsgruppe Luzern (HALU) ist bereits ausgezogen.

Jörg Marti, der Präsident von HALU, hat das Uferlos bis vor kurzem geführt. Das Interesse sei nicht mehr so da gewesen, deshalb habe man sich dafür entschieden, das Lokal abzugeben. «Es ist schwierig zu beurteilen, weshalb genau die Leute nicht mehr kamen», so Marti. Doch so einige Zeiterscheinungen, wie Online-Portale und die bessere Verbindung nach Zürich hätten sicher ihren Teil dazu beigetragen.

«Durch die Schliessung des Uferlos ist die Szene wach geworden.»
Aurelia Meier, Gründungsmitglied von kopfkino und Queer Office

Doch wo lässt es sich nun als homosexuelle Person in Luzern gut flirten und Gleichgesinnte kennenlernen? Ein Lokal speziell für die Szene existiert nicht mehr. Aurelia Meier, Gründungsmitglied von kopfkino und Queer Office, kennt die Szene gut und bemerkt eine Veränderung: «Ich habe das Gefühl, wir stehen vor einem Umbruch. Durch die Schliessung des Uferlos ist die Szene wach geworden.»

Ein Ende, eine Chance

Eventuell wird sich die HALU diesen Dezember sogar auflösen. «Der Name HALU ist langsam ausgelutscht. Man hat so viel unter diesem Namen versucht. Vielleicht ist es Zeit, etwas ganz neu anzupacken», findet Marti. Dieser Meinung ist auch Aurelia Meier: «Es ist das Ende einer Ära, aber auch eine Chance für neue Orte und neue Formen von Austausch.»

Online-Portale sind einfacher

Eine Form ist vor allem in der schwulen Szene beliebt wie nie: Ein grosser Teil tummelt sich im Netz. In Online-Portalen flirtet es sich einfacher – ein Problem unserer Gesellschaft? Marti: «Früher waren an einem Dienstag um die vierzig Leute im Uferlos.» Gegen Ende seien immer weniger gekommen. «Man lernt heute gemütlich jemanden auf dem Sofa zuhause kennen – per App oder Internetportal», erklärt Marti. Auf einen Blick sieht man, wie viele Leute sich in derselben Stadt oder demselben Umkreis aufhalten. Es zeigt sogar die exakte Entfernung zu den registrierten Mitgliedern an.

Alles ist anonymisiert, unverbindlicher. Eine Entwicklung, die jedoch auch Vorteile mit sich bringt, findet Meier: «Solche Online-Portale sind ein Phänomen der ganzen Gesellschaft. Ich sehe aber auch Vorteile darin, besonders für Leute, die sich noch nicht geoutet haben und nach Kontakten suchen.»

Alles nach Zürich

Neben den Online-Kontakten sind jedoch auch andere Städte beliebte Ziele. In Zürich trifft man sich auch spontan – sehr viele Luzerner finden sich hier. «Zürich ist näher gekommen. In etwas mehr als einer halben Stunde ist man da», so Marti. Und in Zürich sei die Auswahl an Lokalen und die Zahl der Homosexuellen viel grösser. «Natürlich ist Zürich ein beliebtes Ausgangsziel. Aber ich schätze, das zählt nicht nur für Schwule und Lesben», findet Meier.

«Die Stadt Luzern ist teilweise konservativer als das Land.»
Jörg Marti, Präsident der Homosexuellen Arbeitsgruppe Luzern

In Zürich sei es kein Problem sich öffentlich zu zeigen, sich zu outen, so Marti. In Luzern traut man sich weniger, glaubt er.

Konservatives Luzern

Marti sieht einen Grund dabei in der Öffentlichkeitsarbeit: «Die Aufklärung fehlt. Auch in der Schule. Öffentliche Diskussionen, eine seriöse Anlaufstelle, grundsätzlich Unterstützung.» Zu seiner Zeit sei es noch viel schwieriger gewesen, aber für die Zeit, die vergangen sei, habe sich wenig getan. «Die Stadt Luzern ist teilweise konservativer als das Land.» Auf dem Land gebe man sich noch mehr Mühe. Und auch andere Städte wie Zürich, Bern oder Basel gingen offener mit dem Thema um.

Weniger Party, mehr Inhalt

Aurelia Meier nimmt die Entwicklung positiver war. «Es läuft zwar nicht jedes Wochenende etwas, aber die Veranstaltungen in Luzern sind recht beständig und haben auch Inhalt», betont Meier und ergänzt: «Es sind nicht nur Partys, sondern auch Plattformen für Themen wie ‹Homophobie› oder auch ‹Future Families – Vielfalt ist Realität› im kommenden Februar.»

Es gebe regelmässige Veranstaltungen, zählt Meier auf: «Das kopfkino im Treibhaus, die Frigay-Night, das PinkPanorama Filmfestival oder auch die Winter- und Sommerfeste vom neuen Verein Queer Office. Daneben organisiert Lilaphon unter dem Namen LilaFun kleine und gemütliche Veranstaltungen.» Doch ein Lokal für die Szene, einen gemeinsamen Treffpunkt, gebe es derzeit nicht.

Durchmischung erwünscht

Man treffe sich öfters am Dienstagabend in der Gewerbehalle, so Marti. Oder auch das Sopranos sei ein beliebter Treffpunkt. «Dort sind alle willkommen. Ein buntgemischtes Publikum. Man wird nicht diskriminiert.» Auch Meier bemerkt eine Bewegung zur Durchmischung: «Früher war schwul, lesbisch, trans, hetero klar getrennt. Nun entwickeln sich langsam Orte, wo der Austausch untereinander gefördert wird.»

Das sei ihm auch im Uferlos immer wichtig gewesen, so Marti. «Es sollte ein Ort für alle sein.» Doch mit dieser Meinung waren nicht alle einverstanden. «Ich hatte einigen Gegenwind aus den eigenen Reihen», erklärt er. Aber von den ungefähr zwanzig Stammgästen in Luzern könne man nicht leben. Man müsse sich öffnen.

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