Ein Akt von Zivilcourage?

Wie ein Bünzli in Luzern zum Beschuldigten wurde

Als er Schreie aus dem Treppenhaus hörte, ging er der Sache auf den Grund. (Bild: Symbolbild)

Als sein schwarzer Nachbar von der Polizei festgenommen wird, sieht sich ein Luzerner in der Verantwortung. Später kassiert er dafür einen Strafbefehl.

Claudio Rizzo (Namen geändert), ein selbstständiger Fotograf und Filmemacher, wurde unerwartet Zeuge eines Polizeieinsatzes im Treppenhaus seines Wohnhauses in Luzern. Was er dann tat, war für ihn ein Akt der Zivilcourage, doch für die Polizei nur lästige Einmischung, schreibt der «Beobachter».

Als Rizzo an einem Herbstmorgen Schreie aus dem Treppenhaus vernahm, wollte er der Sache auf den Grund gehen. Er sah seinen Nachbar Charly (Namen geändert), umgeben von zwei Polizisten, die ihm Handschellen anlegten. Sofort musste Rizzo an George Floyd denken, der 2020 bei einer Verhaftung in den USA ums Leben gekommen war, erklärt der «Beobachter». Denn Charly stammt aus Uganda.

«Ist alles in Ordnung?», fragte Rizzo. Was er nicht wusste: Die Polizei war nicht für eine Zwangsausschaffung ausgerückt, sondern wegen möglicher häuslicher Gewalt. Als Nachbar, der Zivilcourage beweisen wollte, begann Rizzo, den Einsatz aus nächster Nähe zu verfolgen.

Ein Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Luzern

Im Polizeibericht steht später, dass Rizzo den Anweisungen mehrfach nicht folgte und den Abstand nicht einhielt. Dieser wiederum gab an, zu keinem Zeitpunkt den Einsatz behindert oder gestört zu haben. Er habe nur dokumentieren wollen, dass alles korrekt verläuft, zwischenzeitlich auch mit einer Handykamera.

Einige Wochen später erhält Rizzo einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Luzern. Ihm wird vorgeworfen, den Polizeidienst gestört zu haben. 150 Franken Geldbuße zuzüglich 300 Franken an Gebühren soll er zahlen. Und er fragt sich: «Innerhalb von 15 Minuten wurde ich vom Bünzli zum Beschuldigten. Und nun soll ich noch ein Straftäter sein.»

Doch Rizzo erhebt Einspruch. Nach den Zeugeneinvernahmen und rund einem halben Jahr Verfahren wird der Fall eingestellt. Der Staatsanwalt spricht einen Verweis aus, die mildeste Form der Strafe und verdonnert Rizzo zu 250 Franken Gebühren.

Verwendete Quellen
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 09.07.2023, 10:11 Uhr

    Zivilcourage? Einmischung in vorauseilender Empörung.

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