Sie wurde seit 2017 vermisst

Vermisste Luzernerin tot in Kanada: Das steckt dahinter

Eine vermisste Luzernerin ist seit Jahren tot. Sie wurde aus dem Ontariosee in Kanada geborgen. (Bild: Berkay Gumustekin/Unsplash)

Eine Luzernerin galt fast sieben Jahre lang als vermisst. Nun teilte die Luzerner Polizei mit, dass sie tot in Kanada aufgefunden worden sei. Kanadische Medienberichte und ein E-Mail der Polizei aus Toronto zeigen: Die Frau ist bereits seit 2017 tot.

10. August 2017, Ontariosee in Kanada: Die Polizei von Toronto birgt den Leichnam einer Frau aus dem See. Sie trägt ein rotes Tanktop und eine marineblaue Hose, ihre Haare sind kurz und grau.

Wer ist diese Frau? Diese Frage treibt die Beamten von Toronto jahrelang um. Den Leichnam können sie nicht identifizieren, denn die Frau trägt keine Ausweispapiere oder Gegenstände bei sich. Die Polizei macht mehrere öffentliche Aufrufe, sucht in der Vermisstendatenbank und veröffentlicht ein Phantombild. Vergeblich. Niemand scheint die Frau zu kennen.

6481 Kilometer entfernt, zur gleichen Zeit: In Luzern wird eine 63-jährige Frau vermisst. Kurz vor ihrem Weggang liess sie sich einen neuen Reisepass ausstellen und hob einen grösseren Geldbetrag bei der Bank ab. Das teilt die Luzerner Polizei eineinhalb Jahre später, im Februar 2019, mit (zentralplus berichtete). Die Luzernerin ist zu diesem Zeitpunkt immer noch spurlos verschwunden.

Was die Luzerner Behörden nicht wissen: Bei der geborgenen Frau in Toronto handelt es sich um die vermisste Luzernerin. Doch das erfahren die Hinterbliebenen erst Jahre später.

DNA-Test führt nach Luzern

Wie die Polizei von Toronto in einer Mitteilung vom Mittwoch schreibt, hätte sie die tote Frau mittlerweile identifizieren können. Im Januar 2023 erhielt sie die Genehmigung des obersten Gerichtsmediziners von Ontario und des forensischen Pathologiedienstes, in diesem Fall die genetische Genealogie einsetzen zu dürfen.

Durch einen DNA-Test fanden die Beamten entfernte Verwandte der Verstorbenen in ganz Nordamerika. Die meisten hatten eine gemeinsame Herkunft: «eine bestimmte Region in der Schweiz».

«Dieser Fall ist einzigartig, aber nicht ungewöhnlich, denn vermisste Personen kennen keine Grenzen.»

Stephen Smith, Leiter Abteilung Mord und vermisste Personen, Polizei von Toronto

Die Polizei von Toronto nahm mit der Polizei in der Schweiz Kontakt auf – und erfuhr, dass hier seit August 2017 eine Luzernerin vermisst wird. Ein DNA-Vergleich zwischen der verstorbenen Frau und den Verwandten der vermissten Person bestätigte schliesslich, dass die Fälle übereinstimmen.

Beim Leichnam, der im August 2017 aus dem Ontariosee geborgen worden sei, handle es sich um die vermisste Luzernerin. Das bestätigen sowohl die Polizei von Toronto als auch die Luzerner Polizei auf Anfrage von zentralplus.

«Einzigartiger Fall»

«Dieser Fall ist einzigartig», schreibt Stephen Smith von der Abteilung Mord und vermisste Personen bei der Polizei von Toronto. Ungewöhnlich sei er jedoch nicht, «denn vermisste Personen kennen keine Grenzen», schreibt er in einem E-Mail.

«Ich habe gerade ein paar Artikel gesehen. Es scheint, als ob es heute überall in den Nachrichten zu lesen ist.»

Steffi Pillay, Toronto

Mit der Fähigkeit, genetische Genealogie zu nutzen, könne die Polizei solche Fälle «effizienter und häufiger» lösen. 2022 habe die Polizei von Toronto einen Zuschuss in der Höhe von umgerechnet rund einer Million Franken erhalten, um solche Untersuchungen durchzuführen. Seither habe sie 65 solcher Fälle vorgelegt. Bei diesen Fällen handle es sich um eine Mischung aus Tötungsdelikten, sexuellen Übergriffen und «Fällen mit nicht identifizierbaren menschlichen Überresten», so Smith.

In Kanada sorgt der Fall für Aufsehen. Zahlreiche Medien berichten darüber, so etwa die Tageszeitung «Toronto Star», der Nachrichtensender «CP24» und die «CBC/Radio-Canada», die staatliche Rundfunkgesellschaft Kanadas. Steffi Pillay aus Toronto schreibt zentralplus in einer Nachricht: «Es scheint, als ob es heute überall in den Nachrichten zu lesen ist.» Dass die Polizei von Toronto nach jahrelangen Ermittlungen die Leiche nun habe identifizieren können, sei ein Erfolg für die Polizei. «Dieser Fall wird das Vertrauen der Menschen in Toronto in die Polizei stärken», ist sie überzeugt.

Luzerner Polizei gibt keine weiteren Details bekannt

Die Luzerner Polizei hat sich am Mittwoch mit einer Mitteilung an die Medien gewandt und die Vermisstenmeldung von 2019 zurückgezogen. Eine sogenannte Revokation macht sie dann, wenn vermisste Personen wohlauf wieder aufgetaucht sind – oder tot aufgefunden wurden.

Die Luzerner Polizei teilte mit, dass die seit 2017 vermisste Luzernerin tot in Kanada aufgefunden worden sei (zentralplus berichtete). Hinweise auf ein Verbrechen gebe es nicht.

Weitere Details gab sie nicht preis – aus Rücksichtnahme gegenüber den Angehörigen, wie Yanik Probst, Mediensprecher bei der Luzerner Polizei, ergänzt. Auch die Frage, wie aussergewöhnlich der Fall beziehungsweise die Auflösung des Falls für die Luzerner Polizei ist, beantwortet er nicht.

Ein Luzerner Vermisstenfall reicht bis ins vergangene Jahrhundert zurück

Derzeit werden im Kanton Luzern noch immer sieben Personen vermisst. Der längste Vermisstenfall geht auf den 4. Oktober 1997 zurück. Bei dem vermissten gebürtigen Kroaten könne die Polizei aufgrund «umfangreicher Ermittlungen» ein Verbrechen nicht ausschliessen, wie sie auf ihrer Website schreibt.

Von einem Ehepaar fehlt seit dem 22. Juni 2002 jede Spur. Es ging auf Weltreise. Seit Juni 2002 haben die Angehörigen nie mehr ein Lebenszeichen von dem Paar bekommen. Letzte bekannte Destination: Rio Grande do Norte, Brasilien.

Gemäss Probst handelt es sich bei den sieben Vermisstenfällen um «alle ungeklärten Vermisstenfälle mit Öffentlichkeitsfahndung» im Kanton. «In den meisten Fällen können vermisste Personen relativ rasch aufgefunden werden», führt er aus.

Wie viele Personen in den vergangenen Jahren vermisst worden seien, könne er nicht beziffern. Die Polizei führe keine separate Statistik dazu.

Ob die vermissten Personen jemals wieder auftauchen? «Die Suche nach einer vermissten Person wird grundsätzlich nie eingestellt», schreibt Probst dazu. Es würden sämtliche möglichen Massnahmen ausgeschöpft. Hätte man eine Person dennoch nicht finden können, werde die Vermisstenmeldung aufrechterhalten. Regelmässig werde geprüft, ob neue Ansätze vorhanden seien oder neue Möglichkeiten zur Auffindung bestünden.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung der Luzerner Polizei
  • Medienmitteilung der Polizei von Toronto, Kanada
  • Diverse Medienberichte von kanadischen Medien, etwa von «Global News»
  • Schriftlicher Austausch mit Yanik Probst, Mediensprecher bei der Luzerner Polizei
  • Schriftlicher Austausch mit Stephen Smith, Abteilung für Mord und vermisste Personen, Polizei von Toronto
  • Auflistung der vermissten Personen, Website der Luzerner Polizei
  • Schriftlicher Austausch mit Steffi Pillay, Toronto
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