Luzerner Polizei stoppte junge Männer spektakulär

Nach gezückter Pistole: So geht Polizei bei Einsätzen vor

Polizisten müssen bei Einsätzen immer das mildeste zur Verfügung stehende Mittel verwenden. (Symbolbild: Luzerner Polizei)

Ein Luzerner Polizist zückte am vergangenen Sonntagabend bei einem Einsatz seine Dienstwaffe. zentralplus wollte von der Polizei wissen, wie oft solche Szenarien geschehen und was es dabei zu beachten gilt.

Blaulicht, Polizeifahrzeuge, eine gezogene Pistole: Es sind spektakuläre Szenen, die sich am vergangenen Sonntagabend an der Morgartenstrasse mitten in Luzern abspielen. Die Polizei rückt aus, weil sich mehrere Afghanen eine Auseinandersetzung liefern, die eskaliert. Dabei ist auch ein Messer im Spiel, ein Mann muss mit einer Stichwunde im Gesicht medizinisch versorgt werden (zentralplus berichtete).

Die Polizei verhaftet schliesslich vier Personen im Alter von 17–20 Jahren. Der Einsatz scheint vergleichsweise glimpflich verlaufen zu sein, was möglicherweise auch mit der gezückten Waffe des Polizisten zusammenhängt. Ein Schuss war zum Glück nicht nötig.

«Das mildeste zur Verfügung stehende Mittel»

Dass Luzerner Ordnungshüter mit gezogener Waffe vorgehen, geschieht selten. Doch wann werden überhaupt Waffen gezückt und wann geschossen? Yanik Probst, Mediensprecher der Luzerner Polizei, erklärt auf Anfrage von zentralplus: «Über die Wahl des Einsatzmittels muss situativ und im Einzelfall entschieden werden. Dabei gilt es immer, das mildeste zur Verfügung stehende Mittel anzuwenden.»

Alex Birrer, Direktor der Polizeischule Hitzkirch, wo elf Kantone ihre Polizeikorps ausbilden lassen, fügt an, dass der Schusswaffeneinsatz und dessen Androhung grundsätzlich komplex seien. Dabei gelte es drei Kernelemente zu beachten: «Der Gebrauch muss angemessen, erforderlich und die Waffe das geeignete Mittel sein.» Sprich, wenn jemand mit einem Messer auf eine andere Person losgehe, sei es klar, dass der Gebrauch der Pistole angemessen sei. «Es wäre aber völlig unangemessen, zu schiessen, wenn jemand keine oder nur eine geringe Bedrohung darstellt.»

Das Schwierige daran sei, die Situation innerhalb von Sekundenbruchteilen richtig einzuschätzen. Damit das funktioniert, werden die Polizisten intensiv geschult. Sie gehen durch eine zweijährige Ausbildung, wovon sie das erste Jahr in der Polizeischule – für Luzerner Aspiranten in Hitzkirch – absolvieren. Das zweite Jahr verbringen sie im Korps. Zudem erhalten sie regelmässig Weiterbildungen.

In der Schweiz feuern Polizeiaspiranten 2500 Schüsse ab, in Deutschland 300

Der Schusswaffeneinsatz ist gemäss Alex Birrer eines der Kernelemente der Grundausbildung. In gut 80 der total 1200 Lektionen lernen die angehenden Einsatzkräfte den Umgang mit Pistolen. Hinzu kommen die Rechtslage, Taktik und andere waffenrelevante Themen. «Wir legen grossen Wert auf diese Ausbildung. Denn es ist klar: Je mehr man mit der Waffe trainiert, desto sicherer geht man mit ihr um.» Zum Vergleich zieht Birrer Deutschland heran: In Baden-Württemberg gäben Polizeiaspiranten während der Ausbildung rund 300 Schüsse ab. In der Schweiz seien es gut 2500.

Der Einsatz von Pistolen hat sich in den vergangenen Jahren gemäss Birrer nicht gross geändert, auch die Ausbildung nicht. Was aber hinzugekommen sei, sei der Taser. «Dieser ist ein gutes Zwischenmittel zwischen dem Schlagstock und der Waffe.» Bis vor wenigen Jahren hätten nur Spezialeinheiten den Taser verwendet, mittlerweile würden ihn auch normale Polizeipatrouillen brauchen.

Laut dem Direktor der Polizeischule Hitzkirch wird sich das noch weiter verändern. Stand heute lernen die Einsatzkräfte den Tasereinsatz in Weiterbildungen, nicht in der Grundausbildung. «Es ist absehbar, dass wir den Taser schon bald auch in der Grundausbildung ins Programm aufnehmen.»

Seit 2018 führen Patrouillen Taser mit sich

Den Effekt von Tasern, im Polizeijargon auch Destabilisierungsgerät genannt, sieht auch Yanik Probst von der Luzerner Polizei. Seit 2018 tragen sie die Patrouillen auf sich. Im vergangenen Jahr benutzten die Luzerner Polizistinnen die Geräte, die einen Elektroschock auslösen und Personen dadurch zu Boden sacken lassen, 26 Mal. Einzig 2020 lag der Wert mit 27 Einsätzen höher. Die Auswirkung: «Die Destabilisierungsgeräte haben in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Dienstwaffe seltener zur Anwendung gekommen ist», sagt Probst.

Im vergangenen Jahr kam es gemäss Probst zu keiner einzigen Schussabgabe durch Luzerner Polizisten. 2022 mussten die Einsatzkräfte zweimal einen Schuss abgeben, einmal davon in Luzern während einer spektakulären Verfolgungsjagd auf ein Auto (zentralplus berichtete). 2021 und 2020 wurde die Dienstwaffe nie eingesetzt. 2019 feuerte die Polizei ebenfalls bei einer Verfolgungsjagd auf ein Auto (zentralplus berichtete). Wie oft die Einsatzkräfte ihre Pistole zücken müssen, ohne sie abzufeuern, erfassen die Behörden allerdings nicht.

Überhaupt ist der Einsatz von Pistolen in der Schweiz eine Seltenheit. 2021 und 2022 machten die Einsatzkräfte landesweit je 6-mal von der Dienstwaffe Gebrauch, wie «Watson» schreibt. Das sind im langjährigen Vergleich tiefe Werte. 2010 beispielsweise feuerten sie 29 Schüsse ab, 2016 deren 15. Noch seltener ist, dass Personen wegen des Einsatzes von Polizeiwaffen sterben. In den vergangenen 25 Jahren sind gemäss Recherchen des Onlineportals etwa zehn Menschen in der Schweiz durch Schüsse von Polizisten gestorben. Zum Vergleich: In Österreich, so die österreichische Zeitung «Kurier», kam es zwischen 2008 und 2023 zu 14 tödlichen Schussabgaben.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Yanik Probst, Mediensprecher der Luzerner Polizei
  • Telefonischer Austausch mit Alex Birrer, Direktor der Polizeischule Hitzkirch
  • Artikel auf «Watson»
  • Artikel im «Kurier»
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 18.04.2024, 17:58 Uhr

    Ich finde schiessübungen sind sehr wichtig! Es kann Lebenswichtig sein!Wenn ich zurück an den Militärdienst denke ,dass man auf einen kleinen Ballon( 300 m weg) mit Seriefeuer nur die untere Erde traf (Trotz Obligatorischen)und ich mit einem Schuss den Ballon vernichtete……,……..,.?

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