Debatte im Jugendparlament Luzern

So wollen Junge das Thema psychische Gesundheit anpacken

Immer mehr Jugendliche kämpfen mit mentaler Gesundheit. (Bild: Zhivko Minkov/Unsplash)

Die mentale Gesundheit soll mehr in den Fokus rücken – und auch an Schulen mehr zur Sprache kommen. An diesem Freitag haben junge Menschen an der kantonalen Jugendsession über das Thema diskutiert – und Forderungen gestellt.

Die Ränge im Luzerner Kantonsrat sind fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Doch für einmal erblicken wir keine ergrauten Schöpfe. Sie tragen Cap oder Hoodie statt Hemd und Krawatte, Sneaker statt polierte Lederschuhe – und haben pinke Strähnchen in den Haaren. Denn auf den Stühlen sitzen Kinder und Jugendliche, die das Wort ergreifen. An diesem Freitag fand die kantonale Jugendsession des Luzerner Jugendparlaments statt – für alle unter 25 Jahren.

Die Jugendlichen diskutierten darüber, ob sie Einwegplastik aus Luzern verbannen wollen oder ob ein Teil der öV-Kosten für Jugendliche bezahlt wird, gerade, wenn Junge Zug und Bus für den Weg in den Lehrbetrieb oder zur Schule brauchen. Sie debattierten weiter, wie man Diskriminierung vom Schulareal verbannt – und über psychische Gesundheit junger Menschen.

Junge hadern mehr und mehr mit ihrer Psyche

Denn den Kindern und Jugendlichen geht es immer schlechter. Sie kommen an ihre Grenzen, sind gereizt, depressiv, verstimmt (zentralplus berichtete). Das spüren auch die Kinder- und Jugendpsychiatrien in Luzern. So verzeichnete der Luzerner Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst der Luzerner Psychiatrie (KJPD) seit dem Jahr 2019 fast 20 Prozent mehr Fälle. Kommt hinzu: Die Fälle wurden nicht nur mehr, sondern auch schwieriger.

Ein düsteres Bild zeigte auch der Planungsbericht Psychiatrie des Kantons Luzern, der seit September 2021 vorliegt und dem Ende des letzten Jahres auch der Kantonsrat zugestimmt hat. Dieser zeigt auf: Es gibt zu wenig Kinder- und Jugendpsychiaterinnen. Zudem warten Kinder und Jugendliche meist mehrere Wochen bis Monate auf eine Behandlung, sofern es sich um keinen Notfall handelt (zentralplus berichtete). Im Vergleich zu den Vorjahren hat die Wartezeit beim Luzerner KJPD um 15 Prozent zugenommen. Die Versorgung war demnach bereits vor der Coronakrise ungenügend.

Handlungsbedarf sieht auch die Politik. Politikeirnnen forderten mehr Unterstützung für betroffene Jugendliche. So forderte etwa SP-Kantonsrätin Pia Engler, dass die Regierung eine Kampagne prüft, mit der psychologische und psychiatrische Angebote Kindern und Jugendlichen nähergebracht werden sollen (zentralplus berichtete).

Jugendparlament Luzern schlägt Projektwoche vor

Nach dem Grusswort vom Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf – er würde bei einer Volksabstimmung übers Stimmrechtsalter 16 Ja stimmen – präsentieren zwei junge Frauen ihren Vorschlag, wie sie dem Thema psychische Gesundheit mehr Gewicht geben wollen.

Sie schlagen eine flächendeckende Projektwoche zum Thema psychische Gesundheit und Störung vor. Diese soll der Kantonsrat auf der Bildungsebene Volksschule bis Ende Erstausbildung einführen und entsprechend Ressourcen zur Verfügung stellen. «Viele wissen gar nicht, wohin sie sich mit ihren Problemen wenden können», begründet eine Teilnehmerin. Und das soll sich durch diese Projektwoche ändern. So sollen Schulen Fachpersonen wie Psychiaterinnen und Psychologen einladen.

Die Diskussion wird eröffnet. Nervös klicken die jungen Menschen in den Rängen wie wild auf den Knopf, der das Mikrofon einschaltet. Bis dann auch jemand mal das Wort ergreift. In üblicher Politmanier wird der Nutzen infrage gestellt – und die Frage nach der Finanzierung in den Raum geworfen. Ein Teilnehmer fragt kritisch, ob eine Woche nicht ein wenig gar lange sei – «das sind ja doch über 30 Schullektionen» – oder wer die eingeladenen Fachpersonen bezahlt.

Rund 100 Jugendliche diskutierten im Kantonsratssaal aktuelle Politthemen. (Bild: zvg)

Die Psyche soll mehr in den Fokus rücken

Doch der Vorschlag kriegt vor allem eines: ganz viel Zustimmung. «Vielleicht bist auch du später einmal froh, wenn du eine solche Projektwoche gehabt hast», erwidert eine junge Frau auf ein kritisches Vote. «Weil du dann weisst, wo du Hilfe kriegen könntest. Oder weil du deinen Freunden weiterhelfen kannst.» Und auch ein anderer Teilnehmer betont die Wichtigkeit. «Wir lernen seit x Jahren in der Biologie etwas über unsere Gesundheit – über die psychische aber so gut wie nichts. Dabei sollte das Thema meiner Meinung nach so gross wie möglich abgdeckt werden.»

Ein anderer junger Mann betont, dass psychische Gesundheit jeden betrifft – dass sie jedoch kaum im Zentrum stünde. «Es ist wichtig, dass Jugendliche aufgeklärt und sensibilisiert werden. Nicht nur weil sie dann wissen, wohin sie sich wenden können – sondern auch lernen, wie sich psychische Probleme äussern.»

In der Schule werden alle erreicht

Immer wieder greifen die Teilnehmerinnen zu ihren Smartphones, um das Geschehen im Kantonsratssaal für Instagram & Co. bildlich festzuhalten. Es wird getuschelt – doch sie hören sich gegenseitig interessiert zu, lassen die anderen ausreden. Auch ein «fuck» fällt mal, als eine junge Frau vergisst, was sie eigentlich sagen wollte.

Eine andere Teilnehmerin bringt die Idee aufs Tapet, dass in der Projektwoche zugleich auch über Drogen aufgeklärt wird. «Denn ich habe das Gefühl, das passiert viel zu wenig.» Und Drogenkonsum und psychische Erkrankungen könnten sich ja auch gegenseitig beeinflussen.

Die jungen Menschen wollen übrigens gezielt auf der Ebene Schule ansetzen – weil dann alle jungen Menschen erreicht werden. «Und das besser, als wenn man Jungen einfach einen Zettel mit ein paar Infos in die Hand drückt.»

Der Entscheid fiel knapp aus

Am Ende stimmte das Jugendparlament darüber ab, welche Forderung sie als Petition überreichen wollen. Entscheiden musste es sich zwischen der Forderung nach einer kantonalen Anlaufstelle und Ombudsstelle für Diskriminierung mit Fachpersonen. Oder eben der Projektwoche für psychische Gesundheit.

Der Entscheid fiel äusserst knapp aus – mit nur zwei Stimmen Unterschied. Das Jugendparlament sprach sich für die psychische Gesundheit aus. Die Forderung wurde als Petition Staatsschreiber Vincenz Blaser überreicht.

Jan Wyss, Co-Präsident des Verein JUKALU, übergibt Staatsschreiber Vincenz Blaser die Forderung des Jugendparlaments. (Bild: zvg)
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hanny
    Hanny, 19.11.2022, 10:50 Uhr

    Da müssen die Eltern miteinbezogen werden
    Es kann nicht sein dass für alles die Allgemeinheit die Schuld trägt

    Zu einfach

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