Von Aufbruchstimmung bis Zurückhaltung

So geht die CVP-Hochburg Luzern mit der Glaubensfrage ums «C» um

Die Delegierten der CVP Luzern strecken ihre orangen Stimmkarten in die Höhe.

(Bild: flickr/CVP Luzern)

Welche Rolle spielt das C für die CVP? Das wird derzeit landauf, landab diskutiert. Im traditionell konservativen Kanton Luzern zeigt sich: Viele sind gegenüber der Frage offen, einzelne erzürnt, die Jungen draufgängerisch und die Parteileitung bewusst zurückhaltend.

Eigentlich hätte die CVP eine Imagekorrektur gar nicht nötig. Zumindest, wenn man die Resultate der Wahlen anschaut. Schweizweit konnte sie ihren Wähleranteil letzten Oktober praktisch halten. Im Kanton Zug und Luzern brachte sie allen Unkenrufen zum Trotz ihre Schäfchen ins Trockene.

Und doch ist die C-Frage derzeit ein dominierendes Thema. Der langjährige Luzerner Ständerat Konrad Graber mutmasste bereits im November, dass es die CVP mit diesem Namen in 20 Jahren nicht mehr geben werde. Womöglich gar früher. Parteipräsident Gerhard Pfister hat eine Analyse der Marke CVP angekündigt und damit das C öffentlich zur Diskussion gestellt (siehe Box).

In seinem Heimatkanton Zug ist die Partei einer konstruktiven Debatte gegenüber offen. Man wolle nun die Ergebnisse der Markenanalyse abwarten, sagt Anna Bieri, Vizepräsidentin CVP Kanton Zug und Kantonsrätin. «Grundsätzlich sind wir aber der Meinung, dass unsere Werte und politischen Meinungen zentral und unser Massstab bleiben sollen.»

Frage weckt Emotionen und Angst vor Identitätsverlust

Aus den konservativen CVP-Stammlanden wie dem Wallis oder Freiburg erklingen hingegen mehr Misstöne. Auch in Luzern haben sich erste Kritiker geäussert. Der ehemalige Nationalrat Pius Segmüller sprach sich letzte Woche in einem Interview mit der «Luzerner Zeitung» dezidiert gegen einen Namenswechsel aus. Mit dem C verliere die Partei auch ihn als Mitglied, drohte der ehemalige Kommandant der Schweizergarde in Rom. Und forderte die Parteispitze im Kanton Luzern auf, Farbe zu bekennen.

Dazu sei jetzt nicht der richtige Moment, findet der Luzerner CVP-Präsident Christian Ineichen. Er zeigt sich der Diskussion gegenüber zwar offen, sagt aber: «Uns fehlen derzeit noch die Grundlagen der CVP Schweiz. Erst auf dieser Basis werden wir die Debatte intern führen.» Aktuellen Handlungsbedarf sehe er nicht.

«Für mich persönlich hat das C eine sehr grosse Bedeutung und ich fände es sehr schade, würde man es streichen.»

Andrea Gmür, CVP-Ständerätin

Obwohl die Frage an der Basis durchaus für Gesprächsstoff sorgt. Er habe in den letzten Wochen mehrere Reaktionen zum Thema erhalten, sagt Christian Ineichen. «Dass die Frage Emotionen in beide Richtungen auslöst, ist unbestritten und war zu erwarten.» Um der Debatte nicht vorzugreifen, will sich der Parteipräsident derzeit – ganz bewusst – auch nicht zu seiner persönlichen Haltung äussern.

Gmür und Müller wollen C nicht ersatzlos streichen

Auch Nationalrat Leo Müller ist der Meinung, man müsse nun die Grundlagen der CVP Schweiz abwarten «statt einfach den Finger in die Luft zu halten». Die immer wiederkehrende Frage nach der Zukunft des «C» im Parteinamen ist laut dem Ruswiler «fast eine Glaubensfrage». Um eine Spaltung zu vermeiden, sei gerade deswegen eine sachliche Auseinandersetzung wichtig.

«Wir brauchen ein Alleinstellungsmerkmal, sonst werden wir austauschbar.» 

Leo Müller, Nationalrat

Klar ist für Müller persönlich bereits jetzt: Die CVP sollte – wenn überhaupt – das «C» nicht ersatzlos streichen. «Wir brauchen ein Alleinstellungsmerkmal, sonst werden wir austauschbar.» 

Auch Ständerätin Andrea Gmür sagt: «Für mich persönlich hat das C eine sehr grosse Bedeutung und ich fände es sehr schade, würde man es streichen.» Gleichwohl hat sie nichts gegen eine sachliche Debatte innerhalb der Partei einzuwenden. Es sei tatsächlich so, dass vor allem Jüngere teils Mühe mit dem C hätten – manchmal müsse es erklärt werden. Dass nun aber bereits erste Exponenten wegen der Debatte öffentlich mit dem Austritt drohen, sei bedauerlich.

«Die Menschen haben teilweise eine falsche Vorstellung unserer Politik.»

Karin Stadelmann, CVP Stadt Luzern

Das C im Parteinamen steht laut Gmür – selbst im katholisch geprägten Kanton Luzern – nicht für eine Konfession, sondern für christliche Werte wie Solidarität, Gerechtigkeit, Menschenwürde etc. «In unserer Partei haben alle Platz und sind alle willkommen, die dafür einstehen – egal ob katholisch, protestantisch oder konfessionslos.»

Werte statt Konfession – das muss man erklären

Wie Gmür betonen auch andere CVP-Amtsträger im Gespräch die Werte, für die das C im Parteinamen stehe und nach denen die Partei ihre Politik ausrichte. Das Etikett scheint etlichen Mitgliedern weniger wichtig zu sein als der Inhalt. Doch im Wahlkampf kommt es eben auch auf die Vermarktung an.

Lange Geschichte

Die CVP hat ihren Namen in der Vergangenheit schon öfters zur Debatte gestellt – und immer wieder geändert. Im 19. Jahrhundert als die Katholisch-Konservativen unterwegs, wurde 1912 die Schweizerische Konservative Volkspartei geboren. 45 Jahre später taufte sie sich in Konservativ-Christlichsoziale Volkspartei um. Erst 1970 bekam die traditionsreiche Partei ihren heutigen Namen: Christlichdemokratische Volkspartei (CVP).

50 Jahre später könnte es zur nächsten Umbenennung kommen. Von Parteivertretern als Alternative ins Gespräch gebracht wurden unter anderem Die Mitte oder Demokratische Volkspartei. In Bundesbern ist die CVP seit der neuen Legislatur mit der BDP und der EVP in der Mitte-Fraktion vereint. Die Namensdiskussion wurde laut Medienberichten auch im Hinblick auf eine mögliche Fusion mit der BDP lanciert. Eine Option, die schon vor mehreren Jahren auf dem Tisch lag, damals aber verworfen wurde.

Klarheit über die Zukunft gibt es schon bald: Die Parteispitze um Gerhard Pfister will das C und die Marke extern analysieren lassen und die Frage bis zur Delegiertenversammlung im Juni klären.

Das bekam auch Karin Stadelmann letzten Herbst zu spüren. «Im Wahlkampf wurde ich vielfach gefragt, ob man bei uns katholisch sein oder nur konservative Ansichten vertreten müsse», erzählt die Vizepräsidentin der Kantonalpartei und Präsidentin der CVP Stadt Luzern. «Die Menschen haben teilweise eine falsche Vorstellung unserer Politik.»

Dass die Partei die C-Diskussion angestossen hat, begrüsst die Stadtluzernerin explizit. «Eine Standortbestimmung kann sehr wertvoll sein», sagt auch Elias Meier, Präsident der Jungen CVP Luzern. «Sich zu hinterfragen, gehört zu einer Partei, die nicht stehen bleiben will.» Beide sagen, sie hätten mehrheitlich positive Rückmeldungen erhalten. Auch Parteipräsident Gerhard Pfister sprach kürzlich gegenüber der «Schweiz am Wochenende» von 90 Prozent positiven Reaktionen.

Jungpartei ortet grosses Potenzial – und tadelt Segmüller

Elias Meier fordert allerdings, dass die Parteispitze nicht nur auf die Meinung der Basis hört, sondern auch die potenziellen neuen Wähler beachtet. Gerade bei den jungen Wählern gäbe es für die CVP viel zu holen, glaubt Meier, der selber in einer Arbeitsgruppe der JCVP Schweiz mitwirkt, die sich mit der C-Frage beschäftigt. «Viele können sich mit der konstruktiven Politik und unseren Werten identifizieren, stören sich aber am C», so Meier. Dieses Potenzial ist seiner Meinung nach grösser als die möglichen Verluste an Wählern und Mitgliedern bei einer Umbenennung.

Wenn jemand allein wegen des fehlenden C mit dem Austritt drohe, sagt Meier in Anspielung auf Pius Segmüller, «frage ich mich schon, ob diese Person in unsere Partei gehört. Schliesslich geht es um Inhalte und Werte – und nicht um ein Kürzel.» Auch für Karin Stadelmann ist klar: «Mit dem Namen allein ändert sich ja die Politik der CVP nicht.»

Geht die JCVP ihren eigenen Weg?

Ob mit oder ohne C, ob Die Mitte oder die Demokratische Volkspartei, ob ein ganz anderer Name oder weiterhin CVP: Karin Stadelmann will sich noch nicht auf ihren Favoriten festlegen. «Man muss der CVP jetzt die Chance und die Zeit geben, die Diskussion um das C und einen allfälligen Namenswechsel mit der Basis zu diskutieren.» Auf die kommunalen Wahlen vom 29. März 2020 hat die Namensdebatte übrigens keinen Einfluss. «Wir steigen sicher als CVP ins Rennen», sagt sie.

«Ich kann mir vorstellen, dass die JCVP eine eigene, autonome Entscheidung zum Namen fällen wird.»

Elias Meier, JCVP Luzern

Auch Elias Meier plädiert nun für eine interne Debatte. Was am Ende rausschaut, werde man dann sehen. Er schliesst indes nicht aus, dass die Jungen unabhängig von der CVP Schweiz einen Namenswechsel ins Auge fassen. «Ich kann mir vorstellen, dass die JCVP eine eigene, autonome Entscheidung zum Namen fällen wird.» Schliesslich gebe es auch andere Jungparteien, die nicht genau denselben Namen hätten wie die Mutterpartei.

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