Schwierige Wahlaufarbeitung

Ein Zuger Wahldeal gibt noch immer zu reden

Das Wahl-Bündnis der SP und der ALG gab 2021 zu reden – und tut es im Hinblick auf die Zukunft immer noch. (Bild: bic)

Die ALG des Kantons Zug ist daran, ihre Wahlstrategie 2022 auszuwerten. Die mit der SP im Vorfeld ausgehandelte Abmachung dürfte dabei ein wichtiger Aspekt sein. Die klar grössere Zuger Partei überliess der SP die besseren Karten.

So beginnen vielleicht Märchen: Zwei Nachbarn versprachen sich im tiefsten Winter, einander bei der Pflege der Obstbäume beizustehen, damit diese im folgenden Herbst reichlich Früchte tragen. Die Abmachung war klar: Die Äpfel des Apfelbaumes für den einen, jene des Birnbaumes für den anderen.

Nicht alle Märchen enden gut. Als im Herbst die Zeit der Ernte kam, zeigte sich: Die Äpfel des Apfelbaumes hingen viel zu hoch. Jene des Birnbaumes hingegen waren wundersam leicht erreichbar. So stand der eine Nachbar am Ende mit leeren Händen da, der andere hingegen fuhr eine schöne Ernte ein.

Kann vorkommen. Schwierig wird es, wenn der erste Nachbar im Nachhinein erkennen muss: War vielleicht alles so vorhersehbar!

Eine Nichtwahl, die noch immer schmerzt

Es war ein Deal, den die Zuger ALG und die SP im letzten Winter miteinander abgeschlossen hatten: Die ALG kandidiert für den Regierungsrat, die SP für den Zuger Stadtrat. Und sie unterstützen sich gegenseitig dabei.

Das Ergebnis ist bekannt: Kein Regierungsratssitz für die ALG, ein Stadtratssitz für die SP. Und lange Gesichter bei der ALG.

Die Anlehnung der Eingangsgeschichte an die zu hoch hängenden Trauben in der Fabel von Aesop liegt auf der Hand. Mit dem entscheidenden Unterschied: Bei Aesop tut der Protagonist im Nachhinein so, als ob ihn die unerreichbaren Trauben eigentlich gar nicht mehr gross interessieren würden. Das aber ist im Fall der ALG ganz sicher nicht so. Die Nichtwahl schmerzt, zumal Tabea Zimmermann als Kandidatin einen sehr aufwendigen und engagierten Wahlkampf bestritten hatte.

Ein Stadtratssitz ist klar leichter zu holen

Um beim Bild zu bleiben: Äpfel und Birnen liessen sich diesem Falle tatsächlich nicht miteinander vergleichen: Ein Sitz im Zuger Stadtrat ist für die Linke viel einfacher zu erreichen als ein solcher im Zuger Regierungsrat. Als mögliche Gründe könnte man erwähnen: Die linke Vertretung in der Stadtzuger Exekutive hat mittlerweile quasi Tradition.

Und die Bereitschaft für einen freiwilligen Proporz dürfte in der Stadt deutlich grösser sein als auf der Ebene Kanton. Dies jedenfalls dann, wenn wie im Falle des Zuger Stadtrats die Chancen der Linken von der Wählerschaft als reell beurteilt werden. Zudem ist die Linke in der Stadt Zug um rund einen Fünftel stärker als auf der Ebene des Kantons.

Kassandrarufe im Vorfeld

ALG-Parteipräsident Andreas Lustenberger lobte am Wahlsonntagabend die gute Zusammenarbeit mit der SP. Bloss: Die ALG stand an jenem Abend mit leeren Händen da. Ein Deal ist ein guter Deal, wenn beide Seiten profitieren. Das war im Falle des Bündnisses ALG-SP so nicht der Fall. «Mund abwischen und weiterkämpfen», schrieb die ALG nach dem Wahlsonntag. Tönt tapfer, dürfte aber nicht so einfach sein. Die Aufarbeitung wird ihre Zeit brauchen. So etwa will sich eine bekannte ALG-Person zur Frage der Strategie explizit nicht äussern.

Warnende Stimmen hatte es im Vorfeld durchaus gegeben. Zentralplus titelte am 29. Dezember 2021: «Linke spannen zusammen». Darunter fand sich ein Kommentar des früheren ALG-Kantonsrats Martin Stuber. Darin hiess es: «Die kantonale ALG hat sich von der SP über den Tisch ziehen lassen. Sie darf für einen praktisch unmöglich zu erobernden Regierungsratssitz kandidieren, während die SP gute Aussichten hat, den Stadtratsitz zu machen.» Das Ganze sei bei näherem Hinsehen faul, merkte Stuber an.

Die Voraussagen nach 2018

Die neu gewählte ALG-Stadtparlamentarierin Julia Küng widersprach Stuber damals. Heute sagt sie: «Die Mehrheit der Medien, Bürgerlichen und Politologinnen haben nach 2018 gesagt, dass ein linker Regierungsratssitz mit einer gemeinsamen Kandidatur möglich wäre. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass es den Versuch wert war, den 25 Prozent Wählern, die bis heute nicht in der Regierung vertreten sind, eine Stimme zu geben.»

Klar ist aber auch: Die Medien und die Politologen nehmen eine solche Chancenabwägung in der Regel wohl eher flüchtig wahr. Und die politische Konkurrenz ist bei einer solchen Frage nicht unbedingt eine verlässliche Quelle. Mit anderen Worten: Die genaue Abklärung der eigenen Wahlchancen liegt letztlich in der Verantwortung der jeweiligen Parteien. Dass der Majorz speziell im Kanton Zug für die Linke eine hohe Hürde darstellt, wurde im Vorfeld beispielsweise thematisiert.

Delia Meier, Copräsidentin der Jungen Alternativen argumentiert ähnlich wie Julia Küng: «Als stärkste Bündnispartnerin und sowieso stärkste linke Partei hat die ALG Verantwortung übernommen und ist das Risiko einer Regierungsratskandidatur eingegangen. Dies mit einer hoch qualifizierten Kandidatin und einem breit abgestützten Wahlbündnis.»

Entscheidung war nicht einfach

Ester Haas, ALG-Vizepräsidentin, schreibt auf Anfrage: «Die Strategie wurde von der ALG-Mitgliederversammlung mit rund 50 : 1 Stimmen verabschiedet. Mit der Strategie wollten wir für das links-grüne Bündnis den Sitz im Stadtrat sichern und wieder in den Regierungsrat kommen. Diese Strategie ist zu 50 Prozent aufgegangen. Dass es mit der Wahl in den Regierungsrat nicht geklappt hat, hat andere Gründe.»

Stefan Hodel, Co-Präsident der ALG der Stadt Zug, weist auf Anfrage darauf hin, dass die ALG des Kantons Zug mittlerweile eine erste Auswertung der Wahlen vorgenommen habe. Diese sei aber nur für den internen Gebrauch bestimmt. Nach den Herbstferien werde eine detaillierte Evaluation gemacht.

Die damalige Entscheidung innerhalb der Partei sei nicht einfach gewesen, gibt Hodel zu bedenken. «SP, Alternative und CSP hatten vor längerer Zeit gar schon drei Sitze im Stadtrat. Es ist klar, dass wir von der Alternative/CSP es anstreben, in vier Jahren den zweiten Stadtratssitz wieder zu holen. Die Zusammenarbeit mit der SP hat sich für uns leider auf der Ebene der Exekutive nicht ausbezahlt.»

SP bedauert, dass es mit ALG-Regierungssitz nicht geklappt hat

Rupan Sivaganesan, Präsident der Stadtzuger SP, sagt, dieses Mal sei alles «sehr koordiniert und demokratisch höchst legitimiert» vonstatten gegangen. «Wir bedauern, dass es mit dem Regierungssitz für die ALG nicht geklappt hat.» Die SP habe der ALG die Wahl überlassen, welche Partei wo kandidiere. Nach der Entscheidung der ALG sei die gemeinsame Strategie auch bei der SP früh diskutiert und dann mit Herzblut mitgetragen worden.

«Betreffend Mandatsabgabe haben wir uns vorab abgesprochen.»

Rupan Sivaganesan, Präsident SP Stadt Zug

Nach 2018 sei Kritik laut geworden, man hätte sich bei den Regierungsratswahlen auf eine einzige linke Kandidatur einigen sollen. «Das haben wir als lernende Organisation aufgenommen. Wir haben bei diesen Wahlen starke Hoffnungen in die grüne Welle gehabt, so wie dies bei den Nationalratswahlen 2019 der Fall war. Für die SP war es wichtig, der ALG die Wahl zu überlassen.»

Der schon erwähnte frühere ALG Kantonsrat Martin Stuber schrieb Ende 2021 in einem weiteren zentralplus-Kommentar, die SP habe ursprünglich gar nicht auf diesen «1 RR/1 SR»-Vorschlag der ALG eingehen wollen. «Bis sie dann offenbar gerechnet haben und plötzlich darauf eingetreten sind.» Um noch anzufügen: «Merksch öppis?»

Mandatsabgabe soll fair verteilt werden

Stellt sich noch die Frage, wie denn nun die beiden Bündnispartner betreffend Mandatssteuer vorgehen werden. Ein vor allem für kleinere Parteien nicht zu unterschätzender Nebeneffekt von Exekutivämtern ist es ja, dass diese Posten wegen der sogenannten «Mandatssteuer» (zentralplus berichtete) in der Regel einen ansehnlichen finanziellen Beitrag für die jeweilige Parteikasse abwerfen.

Frage deshalb an den Stadtzuger SP-Präsidenten Rupan Sivaganesan: Haben die beiden Bündnispartner diesbezüglich im Voraus irgendetwas miteinander vereinbart? Dazu Rupan Sivaganesan: «Betreffend Mandatsabgabe haben wir uns vorab abgesprochen. Sie wird fair verteilt werden.»

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Julia Küng (ALG), Delia Meier (Co-Präsidentin Junge ALG), Ester Haas, Vizepräsidentin ALG, Stefan Hodel (Co-Präsident ALG Stadt Zug), Rupan Sivaganesan (Präsident SP Stadt Zug)
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Martin Stuber
    Martin Stuber, 01.11.2022, 21:11 Uhr

    Der Artikel erwähnt nebst der desaströsen Wahlniederlage bei den RR-Wahlen den zweiten grossen Schaden nicht: die ALG hat das über viele Legislaturperioden sehr gut funktionierende Bündnis mit der CSP um ein Haar zerstört – die städtische ALG hatte sich im – ohne CSP-Beteiligung! – ausgehandelten Wahlabkommen verpflichtet, die CSP von einer Stadtratskandidatur abzuhalten. Dass es am Schluss nicht zum Bruch gekommen ist, verdankt die ALG einzig und alleine der CSP. Und es gibt noch einen dritten Schaden: die parteiinterne Demokratie in der städtischen ALG hat nicht mehr richtig funktioniert. Weshalb der Schreibende per Ende Februar 2022 ausgetreten ist. Besonders tragisch ist die passive «Abnicker»-Haltung des grossen Teils der «alten» ALG-Parteibasis und sind die mit Hurrageschrei ins Verderben laufenden jungen Alternativen. Halt – für Delia Meier und Julia Küng hat es sich aber doch ausbezahlt: sie sind mit vielen Panaschierstimmen von der SP in den GGR gewählt worden. Auf Kosten des Fraktionschefs, der abgewählt wurde.
    Schade hat Herr Schuler nicht mit mir gesprochen. Dann wüsste er, von wem die gescheiterte Wahlstrategie stammt. Das Ziel von Jo Lang und seinem Zuger «Gango» Hanspeter Uster war nicht der Regierungsratssitz – dass dieser unerreichbar ist, wussten sie. Aber mit einem ansprechenden Wahlresultat wäre eine starke zweite ALG-Frau für die Nationalratsliste im nächsten Jahr zur Verfügung gestanden. Denn die beiden Chefstrategen sorgen sich um die Wiederwahl von Manuela Weichelt. Hat nicht funktioniert – viel zu schlecht ist das Resultat von Tabea Zimmermann-Gibson.
    Und noch ein Resultat: jetzt haben wir eine Schein-Linke im Stadtrat, die in ihren politischen Thesen die Meinung vertritt, dass ja nichts überstürzt werden solle bei den Klimamassnahmen…
    Aus linksgrün-ökologischer Sicht ist das Debakel umfassend.

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  • Profilfoto von Ursula Strub
    Ursula Strub, 01.11.2022, 09:42 Uhr

    Tatsache ist, dass die ALG die Regierungsratskandidatur wählte und der SP die Stadtratskandidatur überliess. Es war schon im Vorfeld auch vielen Linken klar: das geht für die ALG nicht auf, denn Barbara Gysel hätte mehr Chancen auf den RR-Sitz gehabt als ihre eigene Kandidatin. Nun ist Barbara Gysel voraussehbar im Stadtrat gewählt worden und jetzt kommen die üblichen Auswertungsdiskussionen.

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  • Profilfoto von Valentina
    Valentina, 01.11.2022, 08:02 Uhr

    Dass es an der Kandidatin gelegen haben könnte, darf natürlich nicht gesagt werden. Hoher Aufwand bedeutet eben nicht hohe Kompetenz.
    Kommt hinzu: CVP und FDP bilden wie immer ein Wahlkartell. Die SVP kämpft traditionell allein. Damit sind die 7 Sitze vergeben.

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