Deswegen sollte Kriens nicht auf seine Betreuungsgutscheine verzichten
Ärmere Familien in Kriens sollen mit den Betreuungsgutscheinen entlastet werden, nun könnten diese den knappen Finanzen zum Opfer fallen. Ein Blick in die Pionierstadt Luzern zeigt: Das System hat sich bewährt und ist fair für alle.
Sie seien eine «Erfolgsgeschichte», sagte der städtische Sozialdirektor Martin Merki vor drei Jahren. Die Rede ist von Betreuungsgutscheinen – eine Stadtluzerner Erfindung. 2009 führte sie die Stadt Luzern ein – als erste in der Schweiz überhaupt. Fortan wurden nicht mehr Kinderkrippen subventioniert, sondern Eltern finanziell unterstützt.
Drei Jahre später sprang die Stadt Kriens auf den Zug auf. Die Krienser Betreuungsgutscheine haben sich etabliert, schrieb der Gemeinderat vor fünf Jahren in einem Bericht und Antrag. «Der Gemeinderat geht davon aus, dass die Entwicklung nun auf dem Niveau angelangt ist, wo Anzahl und Umfang etwa zu erwarten war», hiess es damals.
Krienser Gutscheine werden überprüft
Doch ist es mit den Betreuungsgutscheinen bald vorbei? Nachdem die Stadt Kriens in ihrer Jahresrechnung 2019 tiefrote Zahlen präsentiert hat, muss sie die Finanzen wieder ins Lot bringen. Deswegen plant sie ein umfassendes Sparpaket (zentralplus berichtete). Unter anderem kommen die Betreuungsgutscheine auf den Prüfstand. Diskutiert werden die Massnahmen am Donnerstag im Krienser Parlament.
Mit den Betreuungsgutscheinen will die Stadt Kriens vor allem Familien mit tieferen Einkommen unter die Arme greifen (siehe Box).
Derzeit erhalten Krienser Eltern Betreuungsgutscheine, wenn sie mindestens 120 Prozent arbeiten und jährlich maximal 92'000 Franken verdienen. Wer weniger verdient, bekommt mehr. Eltern mit tiefen Einkommen erhalten bis zu 80 Franken pro Tag und Kind, Eltern mit hohem Einkommen minimal 3 Franken.
Auch die Stadt profitiert vom System
Die Stadt gibt aber nicht nur Geld aus. «Jeder in die Betreuungsgutscheine investierte Franken kommt eineinhalbfach zurück», sagte Cyril Wiget vor deren Einführung gegenüber der «Luzerner Zeitung».
Denn dank dieser Gutscheine würden mehr Eltern ihre Kinder in die Kita geben und einer Arbeit nachgehen können. Das würde zu höheren Steuereinnahmen führen und die Ausgaben bei der Sozialhilfe reduzieren, erhoffte sich die Stadt Kriens.
Keine Wartelisten und faire Bedingungen für alle
Ein Blick in die Pionierstadt Luzern zeigt: Das System ist fair und hat sich bewährt. Das schreibt Rita Blättler, die für Projekte und Kommunikation bei der städtischen Sozial- und Sicherheitsdirektion zuständig ist.
Beim System mit den Betreuungsgutscheinen werden Eltern direkt finanziell unterstützt. Diese können die Kita selbst aussuchen. Anders war es bis 2009, als die Stadt fünf Kitas subventionierte. Es gab lange Wartelisten, Eltern mussten auf einen freien subventionierten Kitaplatz warten.
Das neue System habe in diesem Bereich zu Rechtsgleichheit geführt. Auch wurde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Eltern «wesentlich erleichtert».
In der Stadt Luzern bekommen Eltern jährlich für rund 500 bis 600 Kinder Betreuungsgutscheine. Man beobachtet, dass die Anzahl jener Familien, die Gutscheine bekommen, tendenziell sinkt. Zugleich nimmt der durchschnittliche Beitrag zu.
Mehr als die Hälfte der Eltern hätte ohne Gutscheine den Job aufgegeben
Auch in Kriens dürften die Erfahrungen ähnlich sein. Eine Doktorandin der Universität St. Gallen hat 2014 das System in den Gemeinden Luzern, Kriens und Horw auf seinen Nutzen hin überprüft.
Im Bericht wird festgehalten: Familien, die seit zwei Jahren Betreuungsgutscheine erhalten, konnten ihr Haushaltseinkommen steigern, was wiederum zu höheren Steuereinnahmen führte. Zwischen 64 und 70 Prozent der Familien gaben an, im Untersuchungszeitraum gleich viel oder sogar mehr zu verdienen. Verdienten die Eltern weniger, sei das meistens auf die Geburt eines Kindes zurückzuführen. Das Arbeitspensum wird verkleinert, das Einkommen sinkt. «Ohne Betreuungsgutscheine würde das Einkommen aber noch viel tiefer sinken», heisst es im Bericht des Gemeinderats von 2014.
59 Prozent der befragten Eltern gaben an, dass sie ohne Betreuungsgutscheine ihren Job aufgegeben hätten. 13 Prozent konnten sogar dank des neuen Systems ein höheres Arbeitspensum aufnehmen.
Nach elf Jahren: Stadtluzerner System wird überprüft
Trotzdem werden auch die Stadtluzerner Betreuungsgutscheine derzeit überprüft.
Nicht weil man von ihnen nicht überzeugt sei. Sondern weil sich zeige, dass sich die Bedürfnisse der Eltern und die Arbeitswelt laufend verändern würden, führt Rita Blättler aus. Die Gesellschaft sehe die Kita verstärkt als Ort der frühen Sprachförderung, der Vorbereitung auf den Schuleinritt oder als Entlastung von kranken oder belasteten Eltern.
«Es fällt auf, dass Eltern häufiger ihr Arbeitspensum, ihre Arbeitstage, ihr Einkommen ändern als früher.» Zudem sei das Familienleben dynamischer und komplexer. Eltern trennen sich, sind alleinerziehend oder die Partner wohnen nicht an selben Ort.
«Das System der Betreuungsgutscheine erlaubt es, auf diese Veränderungen zu reagieren. Und wenn nötig, das Finanzierungssystem anzupassen.»