Neuer Anlauf für E-Voting

«Der Bund hat erkannt, dass die Sicherheitshürden nicht genügen»

«Es geht um das Vertrauen in die Demokratie»: Franz Grüter, IT-Unternehmer, Politiker und Kritiker des E-Voting-Systems. (Bild: les)

Nach Sicherheitsproblemen und einem Stopp nimmt das E-Voting neue Fahrt auf. Der Bund gibt grünes Licht für neue Versuche der Kantone. Der Luzerner Nationalrat Franz Grüter, einer der führenden Kritiker, begrüsst die strengeren Auflagen – hegt aber weiterhin Bedenken.

Lange war es ruhig um das Thema E-Voting. Nachdem Experten auf Mängel im Quellcode stiessen, legte der Bund 2019 einen Stopp ein. Zur Genugtuung des Luzerner Nationalrates Franz Grüter. Der SVP-Politiker und IT-Unternehmer gehört zu den profiliertesten Kritikern der elektronischen Stimmabgabe und war führender Kopf hinter der Initiative für ein E-Voting-Moratorium.

Nun nimmt der Bund einen neuen Anlauf – und setzt die Hürden höher an. Zum Einsatz kommen nur noch vollständig verifizierbare Systeme, erklärte Bundeskanzler Walter Thurnherr am Montag vor den Medien. Das heisst: Wer abstimmt, soll überprüfen können, dass seine Stimme richtig registriert wurde. Das erlaube es, Manipulationen an den elektronisch abgegebenen Stimmen festzustellen.

«Präzisere Sicherheitsvorgaben, erhöhte Transparenzvorschriften, die engere Zusammenarbeit mit unabhängigen Fachpersonen sowie eine wirksame Überprüfung im Auftrag des Bundes sollen die Sicherheit der elektronischen Stimmabgabe gewährleisten», versichert der Bund. Vorerst sollen jedoch nur 30 Prozent der Bevölkerung eines Kantons elektronisch abstimmen können.

Welches System erfüllt Auflagen?

«Es ist positiv, dass der Bund erkannt hat, dass die Sicherheitshürden nicht genügen und er nun strengere Auflagen macht», sagt der Luzerner Nationalrat Franz Grüter auf Anfrage. «Schliesslich geht es um das Vertrauen in unsere Demokratie.» 

Gleichwohl bleibt der Luzerner skeptisch, was die effektive Umsetzung betrifft. «Das grosse Fragezeichen ist, ob ein System diese Anforderung tatsächlich erfüllen kann», so Grüter. Nach dem Rückzug des Genfer Systems im Juni 2019, das auch der Kanton Luzern nutzte, blieb die Post die einzige Anbieterin in der Schweiz (zentralplus berichtete). Doch die spanische Firma, mit welcher die Post zusammenarbeitete, ist letzten Frühling konkurs gegangen. Das hat grosse Verunsicherung und viele Fragen aufgeworfen.

«Die Post wird beweisen müssen, dass ihr System sicher ist.»

Für den 57-Jährigen steht das «weltweit in Verruf geratene System» nach wie vor im Zentrum der Kritik. «Die Post wird beweisen müssen, dass ihr System sicher ist.» Wie Walter Thurnherr am Montag sagte, gibt es mit der Post aktuell einen potenziellen Anbieter, mit dem die Bundeskanzlei im Gespräch stehe. Vonseiten der Behörden würde man es indes begrüssen, wenn mehrere Anbieter Systeme entwickeln würden.

Eklat wie bei US-Wahlen wäre «fatal»

Die Initianten des E-Voting-Moratoriums mussten im Frühsommer die Segel streichen, nachdem sie wegen des Lockdowns nicht genügend Unterschriften sammeln konnten. Sie behielten sich aber explizit vor, ihre Initiative neu zu lancieren, falls es weiterhin Sicherheitsbedenken gibt.

Das scheint momentan keine ernsthafte Option zu sein. Dennoch versichert Franz Grüter: «Wir werden das Projekt sicher weiterhin kritisch begleiten.» Gerade auch die Präsidentschaftswahlen in den USA zeigten, was passiere, wenn das Vertrauen in das Prozedere schwinde. «Das wäre für unsere Demokratie fatal.»

Wann es in der Schweiz wieder E-Voting-Versuche gibt, steht noch nicht definitiv fest. Zunächst werden nun die rechtlichen Grundlagen angepasst. Erste Kantone wollen im Frühling 2022 loslegen, hiess es am Montag in Bern.

Mehr Selbstbestimmung für Blinde

Positiv äussert sich der schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV) zur Weiterführung des E-Voting-Tests. Für die rund 380'000 Menschen mit Sehbehinderung in der Schweiz bedeute dies Hoffnung auf eine baldige autonome Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen, schreibt der Verband in einer Mitteilung. Heute sei ihnen die autonome Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen verwehrt – seit der Einstellung des Versuchsbetriebs seien sie bei der Ausübung ihrer politischen Rechte wieder auf fremde Hilfe angewiesen.

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