Luzerns ikonischstes Haus wird 25-jährig

«Die Entstehung des KKL hing oft am seidenen Faden»

Thomas Held hat das KKL massgeblich mitgeprägt. (Bild: zvg/Urs Wyss)

An diesem Wochenende wird das 25-Jahr-Jubiläum des KKL gefeiert. Der damalige Projektleiter Thomas Held (77) spricht im Interview über die kritischste Situation bei der Planung, über die Wahrnehmung des Hauses und was man heute anders machen würde.

zentralplus: Sie waren in den 90er-Jahren Geschäftsführer der KKL-Projektierungsgesellschaft und waren somit an vorderster Front mit dabei, als das KKL geplant, gebaut und fertiggestellt wurde. Wie oft sind Sie nun, 25 Jahre nach der Eröffnung des Hauses, noch im KKL anzutreffen?

Thomas Held: Bis vor etwa fünf Jahren besuchte ich das Lucerne Festival im KKL regelmässig. Seither war ich nur noch sehr selten hier, da ich kaum noch an die Konzerte gehe. Dieses Jahr hingegen bin ich wegen der Veranstaltungen rund um das Jubiläum wieder öfter vor Ort.

zentralplus: Wenn Sie das KKL heute besuchen und es sich zu Gemüte führen: Was geniessen Sie am Haus?

Held: Es scheint nach wie vor sehr gut zu funktionieren. Und es ist schön zu sehen, dass der Konzertsaal immer noch so aussieht und so funktionstüchtig ist, wie er sollte. Das ist bei anderen Gebäuden nach mehr als zwei Jahrzehnten oft nicht der Fall. Auch die Auslastung ist sehr hoch. Das Haus wird intensiv genutzt. Das hat aber auch Nachteile. Man kann beispielsweise kaum kurz in einen Raum gehen, um etwas zu proben, da immer schon jemand da ist.

Der Konzertsaal des KKL. (Bild: KKL)

zentralplus: Wie blicken Sie heute auf Ihre damalige Rolle zurück?

Held: Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich die Rolle hatte. Sie war ein entscheidender Punkt meines Lebens. Gleichzeitig wird mir wieder bewusst, wie oft die Entstehung des KKL am seidenen Faden hing. Es war manchmal Zufall, dass die Entstehung eine gute Wendung nahm und das KKL so gebaut wurde, wie es heute steht.

zentralplus: Ein Beispiel, bitte.

Held: Die kritischste Situation war der Architektenwechsel 1992. Es war so, dass es innerhalb der Projektierungsgesellschaft unterschiedliche Meinungen gab, ob man nicht doch das Architekturbüro von Jean Nouvel mit der Neuplanung beauftragen sollte. (Anm. d. Red.: Sein Büro hatte schon 1989 im Wettbewerb den ersten Rang gewonnen, aber der Stadtrat verfolgte für die Realisierung das Projekt des drittplatzierten Westschweizer Architekten Rodolphe Luscher). Im März 1992 fanden mehrere Sitzungen der Leitungsdelegation statt, in der Stadträte, Regierungsräte sowie die Vertreter der privaten Donatoren und der Luzerner Wirtschaft mitwirkten. Der Entscheid zum Architektenwechsel hätte beispielsweise durch eine andere Stimmungslage bei nur einem gewichtigen Sitzungsteilnehmer sehr einfach in eine andere Richtung gehen können. Wenn jemand auch nur gezaudert hätte, wäre das KKL so, wie es jetzt ist, möglicherweise nicht zustande gekommen. Wenn ich heute die Protokolle lese, realisiere ich, wie stark der Zufall mitgespielt hat. Das gibt mir Hühnerhaut.

«Ich finde, das KKL hat den Test der Zeit sehr gut überstanden. Es ist ein Teil Luzerns, der nicht mehr wegzudenken ist.»

zentralplus: Eigentlich hätte Rodolphe Luschers Projekt gebaut werden sollen. Es kam anders. Sie setzten sich für Nouvels Version ein. Weshalb?

Held: Die Projektierungsgesellschaft verglich nie zwei «Versionen». 1991 fand eine grossangelegte Auslegeordnung und Abwägung der Interessen und Bedürfnisse statt: die Koordinationskonferenz Kulturraum. Daraus entstand das «Gesamtkonzept Kultur- und Kongresszentrum am See» mit einem fundamental neuen Raumprogramm und dem Entscheid für einen Gesamtneubau. Rodolphe Luscher weigerte sich jedoch, das neue Programm umzusetzen und lehnte auch die Beauftragung eines Generalplaners ab. Luscher stieg nicht auf die neuen Vorgaben und Bedingungen ein, was uns zum Entschluss führte, eine andere Lösung zu suchen. Es gab Ideen, einen Luzerner Architekten zu nehmen oder ein anderes Schweizer Büro. Eine solche Wahl wäre aber ohne jegliche architektonische Legitimation gewesen und hätte ein Desaster gegeben. Die einzige Lösung war, jemanden zu engagieren, der durch den Architekturwettbewerb legitimiert war. Das war Jean Nouvel.

zentralplus: Was halten Sie heute vom KKL?

Held: Ich finde, es hat den Test der Zeit sehr gut überstanden. Es ist ein Teil Luzerns, der nicht mehr wegzudenken ist. Es ist der Genialität des Architekten zu verdanken, einen solchen Raum begreifen zu können und etwas zu kreieren, das den Test der Zeit besteht. So etwas gibt es zwar an anderen Orten auch. Aber viele architektonische Ikonen bleiben ein Fremdkörper in der Umgebung. Jean Nouvel dachte das KKL von Anfang an nicht als Fremdkörper, sondern wollte das Gebäude in die Umgebung integrieren.

Immer wieder mit Luzern zu tun

Der Soziologe, Germanist, Publizist und Unternehmensberater Thomas Held war lange Zeit mit Luzern verbunden: 1987 war er Co-Autor des Hayek-Berichts zur Luzerner Kulturraumplanung. Von 1992 bis 2000 war er Projektleiter beim Bau des KKL in Luzern. Er weibelte an vorderster Front für das Grossprojekt und brachte es schliesslich erfolgreich zu Ende. Von 2001 bis 2010 war er Direktor der Denkfabrik Avenir Suisse, von 2010 bis 2014 war er Geschäftsführer der Stiftung Schweizer Musikinsel Rheinau. In dieser Rolle war der heute 77-Jährige auch für den Aufbau eines Musikzentrums auf der Insel Rheinau verantwortlich.

zentralplus: Verglichen mit den grossen Konzerthäusern der Welt, beispielsweise der Elbphilharmonie in Hamburg oder dem Opernhaus in Sydney: Wo reiht sich das KKL ein?

Held: Ich bin nicht Architekturkritiker, deswegen halte ich mich zurück. Aber das Ikonische ist auch in Luzern gegeben. Die Elbphilharmonie ist ein grossartiges Gebäude, aber man hört manche Stimmen von Musikern, die sagen, der Konzertsaal des KKL sei demjenigen der Elbphilharmonie überlegen. Das KKL schafft es, mit seinen fast opernhaften Balkonen trotz der Grösse eine Intimität herzustellen. In der Elbphilharmonie fühlte ich mich fast ein wenig verloren.

zentralplus: Wenn Sie das KKL neu bauen könnten. Was würden Sie anders machen?

Held: Als Erstes gilt es, sich zu überlegen, wie der zukünftige Bedarf des Musikbetriebs, insbesondere der klassischen Musik, aussieht. Ist ein Konzertsaal für 1800 Personen nötig? Ein Streitpunkt bei der Planung Anfang der 90er-Jahre war, wie gross der Konzertsaal ausfallen soll. Platz für 2400 Besucher war für manche das absolute Minimum. Auf dringlichen Rat des Akustikers einigte man sich auf knapp 1900, sehr zum Leidwesen der Buchhalter des Festivals. Heute ist die Wahrnehmung eine andere: Die Leute, die damals einen grösseren Saal wollten, fragen heute, wer denn den Konzertsaal so gross habe bauen wollen. Doch zurück zu Ihrer Frage: In New York wurde vor wenigen Tagen ein neues Kulturzentrum, das «Perelman Performing Arts Center», eröffnet. Darin gibt es drei Theatersäle, die miteinander kombiniert werden können. Heute würde man auch bei uns mehr an solche flexible Räumen denken, da sie unterschiedliche Bedürfnisse aufnehmen können.

«Das neue Luzerner Theater bräuchte eine Figur wie den früheren Stadtpräsidenten Franz Kurzmeyer, die deutlich sagen würde: ‹Wir machen das jetzt.›»

zentralplus: In Luzern soll demnächst ein neues grosses Kulturhaus entstehen – das neue Luzerner Theater. Hier zeichnet sich eine Zangengeburt ab (zentralplus berichtete). Auch das KKL war eine solche. Lassen sich grosse Probleme bei Projekten dieser Grössenordnung gar nicht vermeiden?

Held: Zangengeburten gibt es immer wieder. Dies hat aber weniger mit der Grösse zu tun, sondern mehr damit, dass diese Projekte öffentlichen Charakter haben. Ich glaube, solche Vorhaben sind heute nur noch möglich, wenn Politiker sich dafür engagieren. Das gab es damals beim KKL: Die Regierungsräte und Stadträte weibelten für das neue Gebäude. Heute sieht sich die Politik oft als Vermittlerin. Oft hört man Politiker sagen, sie seien sehr dafür, sie könnten aber unmöglich vorangehen. Und wenn sich die Politiker zurückhalten, schlägt die Stunde der Verwaltungen. Das führt oft zum Aus. Das neue Luzerner Theater bräuchte eine Figur wie den früheren Stadtpräsidenten Franz Kurzmeyer, die deutlich sagen würde: «Wir machen das jetzt.»

Thomas Held (v.l.), der damalige Stadtpräsident Franz Kurzmeyer und KKL-Architekt Jean Nouvel vor dem Kunst- und Kongresshaus im Jahre 1994. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

zentralplus: Das KKL ist mittlerweile nicht mehr wegzudenken, hatte aber wie erwähnt Startschwierigkeiten. Sehen Sie eine ähnliche Entwicklungsmöglichkeit für das neue Luzerner Theater?

Held: Man muss die Proportionen im Blick behalten. Das KKL gäbe es ohne die damaligen internationalen Musikfestwochen und das heutige Lucerne Festival nicht. Das Luzerner Theater mit seinen vielen Sparten ist ein super Theater mit einem spannenden Programm. Aber man muss auch an die Dichte solcher Institutionen denken. 50 Minuten entfernt stehen in Zürich das Schauspielhaus und das Opernhaus, auch Basel ist nicht weit entfernt. Es gibt also eine wahnsinnige Dichte und das Publikum nimmt tendenziell ab. Meine Vorschlag für Luzern wäre: Neu, modern, multifunktional. Das neue Kulturzentrum von New York übernehmen und auf Luzerner Verhältnisse runterskalieren.

zentralplus: Das KKL wird manchmal kritisiert, es sei zu elitär. Was sagen Sie dazu?

Held: Dafür sehe ich nicht den kleinsten Ansatz. Man muss lediglich beobachten, wer das Haus benutzt. Mich überrascht, wie breit das Haus aufgestellt ist. Manchmal finde ich, es finden fast zu populäre Anlässe statt.

«So, wie das KKL jetzt ist, finde ich immer noch einen Zugang zum Haus, vor allem auch zum Konzertsaal. Gleichzeitig muss ich aber auch Abschied nehmen.»

zentralplus: Was haben Sie heute für Gefühle für «Ihr» KKL?

Held: Ich habe sehr schöne Erinnerungen an die Zeit damals und Freude am Haus. Aber seit der Eröffnung ist es 25 Jahre her. Da ändert sich die Geschichte, Dinge am Haus müssen erneuert werden. Damit ändert sich auch das Gebäude. So, wie das KKL jetzt ist, finde ich immer noch einen Zugang zum Haus, vor allem auch zum Konzertsaal. Gleichzeitig muss ich aber auch Abschied nehmen. Denn bald gibt es keine Zeitzeugen mehr.

zentralplus: Steckt da eine Sentimentalität dahinter?

Held: Ja, absolut. Das ist emotional, das ist klar.

Hinweis: Am Samstag, 16., und Sonntag, 17. September, finden im KKL diverse Veranstaltungen zum 25-Jahr-Jubiläum statt. Am Samstag gibt Architekt Jean Nouvel ab 14.30 Uhr im Auditorium Einblick in die Entstehung des Gebäudes, ab 16.30 Uhr sprechen weitere Zeitzeugen über die Entwicklungen damals – auch Thomas Held wird mitdiskutieren. Hier finden sich weitere Informationen.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Thomas Held, Geschäftsführer der damaligen KKL-Projektierungsgesellschaft
  • KKL-Website
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6 Kommentare
  • Profilfoto von Regula Sauter
    Regula Sauter, 17.09.2023, 00:33 Uhr

    Beim KKL gelang Luzern eine Institution von Weltruf. Beim Luzerner Theater interessiert es nunmal die lokale Theater-Bubble. Eine richtige Provinzposse.

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    • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
      Marie-Françoise Arouet, 17.09.2023, 10:39 Uhr

      Sie vergessen das Musiktheater und damit das legitime Interesse des Sinfonieorchesters. Es ist das Hausorchester des KKL. Und als solches will und muss es sich vergrössern, wenn Anspruch und Wirklichkeit nicht lächerlich auseinanderklaffen sollen. Da es auch das Theaterorchester ist, sogar die meisten Dienste im Theater absolviert, will und muss es auch grösser besetzte Opern spielen können. Das ist im heutigen Theater wegen des kleinen Orchestergrabens unmöglich.
      Sie sehen, es gibt durchaus Gründe für ein neues Haus und Anspruchsgruppen, die über die Provinz hinausgreifen.
      Ginge es nur nach meinen Vorlieben, so könnte man das Sprechtheäterlen mit seinen arrangierten Moderomanen und Filmen in Politkorrekt- und Gendersprache, wo einem immer die Schauspieler leid tun, wirklich rauchen.

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  • Profilfoto von LD
    LD, 16.09.2023, 19:22 Uhr

    Für das aktuelle überdimensionierte schreckliche Schuhschachtelprojekt wird sich niemand engagieren. Ausser Herr Züsli und seine grüne Entourage. Das Projekt Stadttheater wurde von Anfang als Fremdkörper in der Umgebung gedacht – das Haus würde schon allein deshalb den Test der Zeit nicht bestehen.
    Es genügt eben nicht ein Kurzmeyer sein zu wollen…

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    • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
      Marie-Françoise Arouet, 17.09.2023, 09:11 Uhr

      Ja, bleiben wir einen Moment beim Luzerner Theater:
      Dieses selber tut derzeit alles, um Negativpropaganda gegen einen Neubau zu machen. Mit einer der teuersten Sprechtheaterproduktionen der letzten Jahrzehnte spielt es derzeit das Haus leer. Nahezu niemand will die angebliche „Orestie“ in einer aufwendig im Theater nachgebauten Mosterei und in der lausigen, anbiedernden Übersetzung von Raoul Schrott sehen. Ein verdientes Debakel für die inszenierende Schauspielleitung, ein unverdientes für die Schauspieler.
      Dafür ist das Programmheft jetzt durchgegendert, was sicher massiv Publikum anzieht.

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      • Profilfoto von LD
        LD, 17.09.2023, 17:30 Uhr

        Ihre Aussagen stimmen messerscharf!
        Dieses Mal gings bei mir ohne Davos & Co. Ist mir dazu nichts eingefallen. Dumm gelaufen.
        Und Zack, wird «es» mich auf 1560 M.ü.M. wieder ereilen.
        Noch was: Seien Sie versichert, LGBTQ+ hat was mit diesen Höhenmetern zu tun.

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        • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
          Marie-Françoise Arouet, 17.09.2023, 20:25 Uhr

          Und ich rate Ihnen noch einmal zu „Hanlon‘s Razor“: Hinter einem Sachverhalt muss kein Plan und kein Mastermind vermutet werden, wenn Dummheit als Erklärung ausreicht.

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