Eurochem unterstützt Zuger Fasnachtsanlass

Chesslete 2023: von umstrittenem Düngerkonzern gesponsert

Die Zuger Fasnacht: Wo sich zuweilen Unheimliches tummelt. Auch unter den Sponsoren. (Bild: Andreas Busslinger)

Der Düngerkonzern Eurochem gehört zum Teil sanktionierten russischen Oligarchen. Nun steht das Unternehmen auf der Liste der Hauptsponsoren der Zuger Chesslete. Gerade in diesen politisch heissen Zeiten wirft ein solches Engagement Fragen auf. Auch bei Fasnächtlern.

In zwei Wochen lassen es die Zugerinnen an der Zuger Chesslete auf dem Landsgemeindeplatz gewaltig krachen. Gespenster geistern durch die Strassen, Guggenmusigen hauen auf die Pauken, man trinkt Kafischnaps, Konfetti überall, bis in die Unterhosen.

Damit der Anlass durchgeführt werden kann, sind die Veranstalter auf Unterstützung von Sponsoren angewiesen. Wer aktuell auf die Website der Zuger Chesslete klickt, um zu sehen, wer den traditionellen Anlass heuer unterstützt, staunt nicht schlecht. Neben der Stadt Zug, der Zuger Kantonalbank und dem Rohstoffkonzern Glencore ist auch die Firma Eurochem als Hauptsponsorin aufgelistet.

Die Zuger Chesslete: Sponsored by Düngerkonzern mit Verbindung zu Russland. (Bild: Screenshot Website Chesslete)

Was sanktionierte Oligarchen mit der Zuger Fasnacht zu tun haben

Das ist befremdlich. Der Konzern Eurochem ist einer der grössten Düngemittel-Hersteller der Welt. Dessen Gründer Andrei Melnitschenko geriet im März, nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, auf die Sanktionsliste der EU und der Schweiz.

Melnitschenko trat einen Tag später zwar als Begünstigter des Trusts zurück, dafür rückte seine Frau Alexandra nach, und zwar als alleinige Begünstigte. Auch sie steht auf der Sanktionsliste. Der Konzern hat jedoch ein Schlupfloch gefunden. Bis dato unterliegt das Unternehmen selber mit Sitz in Zug keinen Sanktionen (zentralplus berichtete).

Involviert in den Eurochem-Fall ist überdies auch die Zuger Regierung. Trotz Umgehung der Sanktionen ist die Firma kurzfristig in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Woraufhin der Zuger Regierungsrat Heinz Tännler (SVP) einen Kontakt zur Zuger Kantonalbank vermittelt hat. Weil die Medien im Fall kritisch berichtet haben, nimmt sich Tännler einen Anwalt, dessen Honorar der Kanton respektive der Steuerzahler begleichen soll (zentralplus berichtete).

Zur Veranschaulichung der politischen Brisanz: Ein Teil des Fasnachtstreibens wird mit Geldern finanziert, hinter denen sanktionierte russische Oligarchen stecken. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass an der Kinderfasnacht dieses Jahr auch geflüchtete ukrainische Schulkinder teilnehmen, die im letzten Jahr ihre Heimat aufgrund des Krieges verlassen mussten.

Eurochem spendete 2'200 Franken

Gemäss Jascha Hager, dem Präsidenten des Vereins Zuger Chesslete, war Eurochem bereits im letzten Jahr Sponsor des Fasnachts-Anlasses. «Der Sponsoringbeitrag bei der Zuger Chesslete beträgt 2'200 Franken. Unser Budget beträgt rund 75'000 Franken.» Der Verein finanziere sich über viele private Gönner, einige Sponsoren, Inserenten im Heft, einen Beitrag der Stadt Zug und eigene Einnahmen im Festzelt an der Chesslete, so Hager weiter.

«Wäre die Firma auf den Sanktionslisten gelandet, wäre ein Sponsoring für uns nicht mehr möglich gewesen.»

Jascha Hager, Präsident Verein Zuger Chesslete

«Die Suche nach Sponsoren ist bei uns im OK Sache der Sponsoringverantwortlichen. Wir sind froh, dass uns jemand diese Arbeit abnimmt und wir anderen uns auf die Organisation des Anlasses konzentrieren können», so der Vereinspräsident weiter.

«Wir haben die schweizweiten Diskussionen um Eurochem verfolgt. Wäre die Firma auf den Sanktionslisten gelandet, wäre ein Sponsoring für uns nicht mehr möglich gewesen.» Über ethische Leitlinien bezüglich des Sponsorings verfüge man im OK nicht, «zumal wir letztlich ein unpolitischer Verein sind mit ganz unterschiedlichen Menschen im Vorstand und Mitgliedern, welche alle ehrenamtlich tätig sind». Und weiter: «Unsere Aufgabe besteht darin, den Anlass der Chesslete zu organisieren und wir positionieren uns nicht zu übergeordneten Themen.»

Schiissigässlizunft hat wenig Verständnis

Bei der Schiissigässlizunft Zug kommt weder das Sponsoring von Eurochem noch das Engagement von Glencore gut an. Zunftvater Remo Hegglin betont zwar auf Anfrage, dass die Schiissigässlizunft die Vereinsarbeit der Zuger Chesslete sehr schätze. «Doch ebenso fühlt sie sich ethisch-moralischen Grundsätzen und bestimmten Werten verpflichtet – die Sponsoring-Aktivitäten stehen im Widerspruch dazu.»

«Die Schiissigässlizunft Zug möchte mit diesen beiden Unternehmen nicht in Verbindung gebracht werden.»

Remo Hegglin, Zunftvater Schiissigässlizunft Zug

Und weiter: «Aus diesem Grund möchte die Schiissigässlizunft Zug mit diesen beiden Unternehmen nicht in Verbindung gebracht werden. Sie würde es begrüssen, wenn die Zuger Chesslete auf diese Sponsoring-Gelder nicht angewiesen wäre.» Als Zeichen der Wertschätzung für die jahrzehntelange ehrenamtliche Arbeit der Zuger Chesslete zugunsten der Zuger Bevölkerung sähe die Zunft die Möglichkeit, dass die öffentliche Hand in die Bresche springen und dadurch ein starkes Zeichen setzen könnte.

Ein Archivbild aus der Fasnacht 2021 in Corona-Edition: Schiissigässli-Zunftmeister Remo Hegglin interviewt mit Klobürste Jascha Hager von der Zuger Chesslete. (Bild: Rico Furter / Schiissigässlizunft Zug)

Keine Firma wie jede andere

Eine Partei, der die Russland-nahen Rohstofffirmen und insbesondere Eurochem schon länger ein Dorn im Auge sind, ist die ALG. Erst kürzlich hat sie eine kritische Anfrage zur Causa Eurochem im Zuger Kantonsrat eingereicht. Der Zuger ALG-Co-Präsident Luzian Franzini äussert sich zu besagtem Sponsoring wie folgt: «Grundsätzlich bin ich selbst ein begeisterter Fasnächtler und verstehe, dass sich ein Anlass wie die Chesslete nur mit externen Geldgebern realisieren lässt.»

«Ein erheblicher Teil des Aktienpakets ist immer noch in den Händen einer Putin-nahen Oligarchenfamilie.»

Luzian Franzini, ALG-Kantonsrat

Es folgt ein grosses Aber: «Eurochem ist jedoch nicht eine Unternehmung wie jede andere.» Ein erheblicher Teil des Aktienpakets sei immer noch in den Händen einer Oligarchenfamilie, der eine Nähe zu Putin nachgesagt werde. «In Italien wurden auch Konten einer Eurochem-Tochterfirma eingefroren.»

Franzini weiter: «Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, wenn Zuger Kulturanlässe von politisch exponierten Firmen unabhängig blieben und das Sponsoring von Zuger KMU kommen würde. Der gute Ruf der Zuger Fasnacht soll nicht unter Sponsorings von heiklen Firmen leiden.»

Es sei zudem eine Strategie von Rohstoffmultis, die in der Kritik stehen, den Zuger Goodwill mit solchen Sponsorings zu erwirken. «So nutzen Glencore – und bis zur Invasion auch Nordstream – Zuger Sportvereine und Anlässe dazu, ihr Image reinzuwaschen», so Franzini abschliessend.

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Verwendete Quellen
  • Website Chesslete 2023
  • Schriftlicher Austausch mit Jascha Hager
  • Schriftlicher Austausch mit Luzian Franzini
  • Artikel des «Tages-Anzeiger» zu Melnitschenko
  • Schriftlicher Austausch mit Remo Hegglin
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 05.02.2023, 15:57 Uhr

    So ein lustiger Zufall! Noch zufälliger war nur das Gazprom-Sponsoring für den EVZ.

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  • Profilfoto von Mirjam
    Mirjam, 05.02.2023, 09:06 Uhr

    Das passt doch wie die Faust aufs Auge: Tännlers Telefonanruf sei Dank, dass sich Eurochem nun revanchiert! Sie hätten ja auch Glünggi-Dünger senden können …

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  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 04.02.2023, 10:00 Uhr

    Können ja die verbissensten Zuger Puritaner und Inquisitoren eine Kollekte veranstalten und die 2‘200.- zurückzahlen. Das gibt ein ganz tolles Gewissen.

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