Der Wirtschaft fehlt's an grossen Büroflächen

Kein Platz – grosse Firmen meiden Luzern

Die Riesenüberbauung Rösslimatt der SBB direkt hinter dem Bahnhof Luzern (dort wo die Bäumchen eingezeichnet sind) ist die letzte grosse Bauparzelle im Zentrum.

Fehlts der Stadt wirklich an grossen Büroflächen oder ist alles halb so wild? Das wollte die SP wissen. Die Antwort des Stadtrates ist klar wie Klossbrühe: Grosse Firmen möchten zwar in Luzern andocken oder ausbauen, finden aber keinen Platz. Die Folgen sind weniger Arbeitsplätze und mitunter weniger Steuereinnahmen.

Eine florierende Wirtschaft ist für Kanton und Stadt Luzern von immenser Bedeutung. Läuft das Geschäft, schaffen Firmen neue Arbeitsplätze und zahlen mehr Steuern. Für die Stadt Luzern ist diesbezüglich speziell das Angebot an grossen, zusammenhängenden Büroräumen wichtig, wie sie immer wieder betont. Denn nur dort können sich grosse, potente Firmen ansiedeln, die steuerlich besonders attraktiv sind. Doch an solchen Angeboten mit über 1500 Quadratmetern mangelt es laut Stadtrat und Wirtschaftsförderung sehr. Man müsse, so die seit Längerem erhobene Forderung, viel mehr tun, um diesen Mangel zu beheben. Aktuell arbeiten in der Stadt etwa gleich viel Leute, wie darin wohnen: Rund 80’000.

Irreführende Aussagen?

Doch die städtische SP hat diesbezüglich Zweifel. In einer Interpellation stellt sie Fragen zum tatsächlichen Bedarf an grossräumigen Büroflächen. Grund 1: Gemäss dem Büromarktbericht der CSL Immobilien AG von diesem Februar gabs letztes Jahr in der Luzerner Agglomeration, inklusive Stadt, immerhin stolze 70’000 Quadratmeter freie Büroflächen. Diese Zahl wurde von Luzerner Wirtschaftsvertretern jedoch verärgert als irreführend bezeichnet (hier geht’s zum Artikel). Grund 2: Die SP setzt sich bekanntlich für mehr günstigen Wohnraum ein. Dieses Anliegen steht teilweise in Konkurrenz zum Bemühen der Stadt, mehr grosse Büroflächen zur Verfügung zu stellen.

Kaum Büros mit über 1500 Quadratmetern

Der Stadtrat führt in seiner Antwort auf die Interpellation detailliert auf, wie hoch der aktuelle Büroflächen-Leerbestand in der Stadt derzeit ist. Er hat diesbezüglich Daten vom Immobilienportal homegate.ch analysiert. Demnach waren an zwei Stichtagen diesen Oktober einmal 61 und einmal 75 Büros mit jeweils insgesamt etwa 40’000 Quadratmetern Fläche zur Miete ausgeschrieben. Unter all den Angeboten waren jedoch nur sechs respektive sieben dabei, die eine Fläche von über 500 Quadratmetern umfassten.

Immerhin, könnte man denken, gibt’s etwa am 27. Oktober fast 32’000 Quadratmeter freistehende, grössere Büroflächen. Genügt das nicht? Nein. Denn betrachtet man die Zahlen genauer, wird klar, dass der grösste Teil davon noch gar nicht realisiert ist respektive nicht auf Stadtluzerner Boden liegt: Zwei Angebote im Umfang von fast 21’000 Quadratmeter betreffen das Projekt Rösslimatt der SBB, das nicht vor 2020 bezugsbereit sein wird. Und ein drittes betrifft 4000 Quadratmeter des Projekts Mattenhof in Kriens, das nicht vor 2018 fertig gebaut sein wird. Bleiben unter dem Strich also nur noch knapp 6000 Quadratmeter.

Laut Stadtrat ist der Bedarf an grösseren, zusammenhängenden Büroflächen auch durch eine Studie von Wüest & Partner aus dem Jahr 2013 unbestritten hoch. Darin zeigt sich, dass in Luzern im Vergleich zu anderen Städten viele Kleinflächen unter 200 Quadratmetern auf dem Markt sind. Grösse Angebote von über 1500 Quadratmetern aber werden kaum ausgeschrieben – sie machen lediglich drei Prozent der Angebote aus.

Firmen werden nicht fündig

Dass ein gutes Angebot an grossen, zusammenhängenden freien Büroflächen für die Stadt extrem wichtig ist, zeigt eine Auflistung der kantonalen Stiftung Wirtschaftsförderung. Demnach haben in den letzten Monaten gleich sieben Unternehmen Bedarf an grossen Büroflächen angemeldet. Diese Firmen benötigen neue oder zusätzliche Flächen zwischen 500 und 10’000 Quadratmetern.

Diese Anfragen stammen laut Stadtrat von bereits in der Stadt oder im Kanton Luzern ansässigen Firmen, die ihre Standorte vergrössern möchten. «Die öffentliche Hand hat ein grosses Interesse, diesen Unternehmen Erweiterungsmöglichkeiten anzubieten», schreibt der Stadtrat. Den Namen dieser Firmen werden aus Diskretionsgründen nicht bekannt gegeben. Beim «Internationalen Dienstleistungsanbieter» mit Anspruch auf 10’000 Quadratmetern Bürofläche dürfte es sich jedoch um die internationale Sprachschule EF Education First aus Luzern handeln. Denn EF gab Ende November bekannt, dass man nach längerer Suche in die neue Börse an der Zürcher Selnauerstrasse einziehen werde. Und dies mit 1000 Mitarbeitern. Der Hauptsitz verbleibe aber beim Hotel National in Luzern.

Peter Bucher, städtischer Wirtschaftsförderer.

Peter Bucher, städtischer Wirtschaftsförderer.

Der städtische Wirtschaftsförderer Peter Bucher bestätigt dies. «Wir hätten der Firma sehr gerne in Luzern entsprechende Räume angeboten, wir konnten aber nichts finden.» Dieses Beispiel spiegle die Realität gut: «Wir sind regelmässig mit Anfragen nach grösseren Büroflächen konfrontiert, die wir nicht erfüllen können. Grössere Player zu haben aber ist wichtig, weil davon auch die vielen KMUs in der Stadt als Zulieferer profitieren. Zudem ist es gut fürs Image der Stadt sowie aus steuerlichen Gründen.» Einen ausführlichen Bericht über die Pläne der EF lesen Sie hier.

Viele Knacknüsse

Ein weiterer Stolperstein: Die wichtigsten Anforderungen an Arbeitsflächen nebst der zentralen Lage und der Erschliessung mit dem Verkehr sind der bauliche Zustand, die zeitliche Verfügbarkeit sowie die Möglichkeit zum Kauf der Immobilie. «Die Erfahrungen zeigen, dass insbesondere geeignete Kaufobjekte fehlen», schreibt dazu der Stadtrat. Für die Wirtschaftsförderung ist zudem die Verfügbarkeit ein Hauptproblem. «In Zug und Zürich gibt es ausreichend fertiggestellte, bezugsbereite Büros zu attraktiven Preisen. Die Gefahr besteht, dass Firmen auf diese oder andere Standorte ausweichen», wird die Wirtschaftsförderung in der Antwort des Stadtrates zitiert. Als Beispiel nennt sie das Forschungsinstitut GFK, welches von Hergiswil weg wollte, gern in die Stadt Luzern gezügelt hätte, dort aber keinen Sitz mit Platz für 200 Mitarbeiter finden konnte, und nun in Rotkreuz fündig geworden ist.

«Problematik wird überschätzt»

Bis ins Jahr 2025 liegt der Bedarf an zusätzlichen Dienstleistungsflächen auf Stadtgebiet bei rund 100’000 Quadratmeter. Dies ergab eine Studie von Wüest & Partner aus dem Jahr 2013. Dieser Bedarf kann die Stadt fast nur noch in Littau zur Verfügung stellen, im Stadtzentrum hats so gut wie keinen Platz mehr. Das macht auch Sinn, denn in Littau sollen in den nächsten Jahren Hunderte neuer Wohnungen entstehen. Um das Wachstum im 2010 eingemeindeten Ortsteil Littau zu ermöglichen, wird nun deren Bau- und Zonenordnung revidiert.

Und was sagt man bei der SP zur Stadtratsantwort? Grossstadtrat Simon Roth: «Die frei verfügbare Bürofläche lag an den beiden Erhebungsdaten um fünf Prozent. Damit ist der Leerstand bei den Büroflächen bedeutend höher als beim Wohnraum, der unter ein Prozent liegt. Die Antworten geben mir auch deshalb den starken Eindruck, dass die Problematik der grossräumigen zusammenhängenden Büroflächen vom Stadtrat stark überschätzt wird.»

Kanton könnte 27’000 Quadratmeter Platz frei machen

Auch auf eine zweite Interpellation der SP zum Thema Büroflächen hat der Stadtrat spannende Antworten gegeben. Die SP wollte wissen, was der mögliche Umzug der Kantonsverwaltung auf den Seetalplatz für Auswirkungen auf die Büroflächen in der Stadt haben könnte. Dieser Umzug ist jedoch bei weitem noch nicht besiegelt und wäre kaum vor 2023 realisierbar. Deshalb sind die nun aufgeführten, vom Kanton Luzern gelieferten Zahlen, mit Vorsicht zu geniessen.

Trotzdem: Würde der Kanton all seine Verwaltungsbüros in der Stadt Luzern räumen und nach Emmenbrücke zügeln, würden kantonsweit rund 31’000 Quadratmeter Fläche frei. Etwas mehr als 27’000 Quadratmeter davon liegen auf Stadtboden. Diese Fläche könnte also auf den Markt kommen. Immerhin 6000 Quadratmeter davon gehören bereits der Stadt Luzern.

«Der Markt wird das rasch absorbieren, der Effekt wird eher klein sein.»

Peter Bucher, Wirtschaftsförderer Stadt Luzern

Die vielen, ab 2023 frei werdenden Büros würden den Luzerner Immobilienmarkt laut dem städtischen Wirtschaftsförderer Peter Bucher nicht aus den Fugen werfen. Denn die Angebote kämen erstens voraussichtlich etappiert auf den Markt und zweitens würden sie bloss 3,5 Prozent der gesamten städtischen Bürofläche von rund 800’000 Quadratmetern ausmachen. «Der Markt wird das rasch absorbieren, der Effekt wird eher klein sein», dämpft Bucher allzu hohe Erwartungen.

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