Zwangsmedikation beschäftigt Justiz

Patientin muss Medis nehmen: Zugerseeklinik vor Gericht

Für eine Zwangsmediaktion müssen mehrere Kriterien erfüllt sein. (Bild: Adobe Stock)

Eine Zugerin begibt sich zur psychiatrischen Behandlung in die Klinik am Zugersee. Als sich ihr Zustand verschlechtert, geht die Klinik zur Zwangsmedikation über. Dagegen wehrt sich die Patientin vor dem Zuger Verwaltungsgericht.

Dürfen psychiatrische Kliniken Patienten zwingen, Medikamente einzunehmen? Immer wieder wird diese Frage kontrovers diskutiert. Auch am Beispiel der Klinik am Zugersee (zentralplus berichtete).

Jüngst befasste sich das Zuger Verwaltungsgericht erneut mit dem Thema Zwangsmedikation. Dabei ging es um eine Patientin mit Jahrgang 1944, die sich bereits zum zwölften Mal in stationärer, psychiatrischer Behandlung befindet. Sie leidet seit Jahrzehnten an Schizophrenie. Und begab sich im Oktober freiwillig in die Klinik am Zugersee.

Während des Klinikaufenthalts habe die Patientin ihre antipsychotischen Medikamente so unregelmässig eingenommen, dass sich ihr Zustand zusehends verschlechtert habe, heisst es im Gerichtsentscheid. Eine Oberärztin ordnete darum die Zwangsmedikation bei der Patientin an. Ihr wurde das Medikament Zyprexa verschrieben, das in Tablettenform verabreicht wird. Bei Verweigerung solle der Patientin Haloperidol injiziert werden, so die Anordnung der Oberärztin.

Stimmen verbieten Patientin das Schlafen

Ausführlich schildert das Gericht im Entscheid von Anfang Februar den «erheblichen Leidensdruck» der Patientin. Autonomie und Bewegungsradius der Patientin seien massiv eingeschränkt. Sie sei sozial derart isoliert, dass sie selbst zu ihren engsten Bezugspersonen keinen Kontakt mehr pflegen könne.

Sie höre Stimmen, die ihr verböten zu sprechen, zu liegen oder zu sitzen – und nachts zu schlafen. Dies habe dazu geführt, dass sie teilweise über Wochen hinweg kaum gesprochen habe, stundenlang nur habe stehen können und aufgrund der durchwachten Nächte immer erschöpfter gewesen sei.

Einladung zur Verhandlung ausgeschlagen

Ende Januar wandte sich die beschwerdeführende Patientin mit einem Schreiben ans Zuger Verwaltungsgericht. Sie wolle die Zwangsmedikation «vor Gericht ziehen». Das Gericht beschloss, die Patientin als Beschwerdeführerin anzuerkennen und von einem externen gerichtlichen Gutachter untersuchen zu lassen.

Durch Entscheide des Zuger Verwaltungsgerichts wurde publik, dass die Klinik am Zugersee in zwei Fällen die formellen Vorgaben für eine Zwangsmedikation nicht einhielt.
Die Klinik am Zugersee war bereits mehrfach wegen Zwangsmedikation in den Schlagzeilen. (Bild: Andreas Busslinger)

Den Gutachter empfing die Frau aber nicht. Und vor Gericht erschien sie ebenfalls nicht. Stattdessen nahmen seitens der Zugerseeklinik ein Oberarzt und der fallführende Psychologe teil. Zudem war ein Zürcher Facharzt als gerichtlicher Gutachter zugegen.

Schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit

Die Zwangsmedikation stelle einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit und die Menschenwürde der Patientin dar, erklärt das Gericht einleitend im Urteil. Rechtfertigen lasse sich dieser nur, wenn folgende vier Kriterien erfüllt seien:

  1. Die Zwangsmedikation entspricht dem Behandlungsplan, den die Klinik der Patientin vor der Behandlung erklärt und dem die Patientin zugestimmt hat.
  2. Ohne die Zwangsmedikation droht der Patientin ernsthafter gesundheitlicher Schaden.
  3. Die Patientin ist bezüglich ihrer Behandlungsbedürftigkeit urteilsunfähig.
  4. Keine angemessene Massnahme, die weniger einschnei­dend ist, steht zur Verfügung.

Diese Kriterien seien im vorliegenden Fall erfüllt, befindet das Zuger Verwaltungsgericht.

Darum ist Zwangsmedikation rechtens

Erstens entspreche die Behandlung der beschwerdeführenden Patientin mit Zyprexa, alternativ mit injiziertem Haloperidol, dem beim Klinikeintritt erstellten Behandlungsplan. Zweitens sei der Leidensdruck der Patientin erheblich – und würde sich ohne medikamentöse Behandlung nicht verbessern. Vielmehr drohe er sich zu verschlechtern, so schloss das Gericht, basierend auf den Ausführungen der Klinikärzte und des externen Gutachters.

Drittens sei die Patientin offensichtlich nicht in der Lage, Nutzen und Gefahren der angebotenen Medikamente für sich selbst abzuwägen. Sie lehne die Medikamenteneinnahme vor allem deshalb ab, weil ihre wahnhaften Stimmen ihr deren Einnahme verböten.

Und viertens konnte die Klinik am Zugersee den Zustand der Patientin offensichtlich nicht mit alternativen, weniger einschneidenden und doch wirksamen Massnahmen verbessern. Die Zwangsmedikation sei demnach verhältnismässig, erklärt das Zuger Verwaltungsgericht als Begründung.

Klinik am Zugersee wiederholt in der Kritik

Und kommt zum Schluss, dass die Oberärztin der Klinik am Zugersee die Zwangsmedikation der beschwerdeführenden Patientin rechtmässig angeordnet hat. Es weist daher die Beschwerde der Patientin ab.

Der Fall steht exemplarisch für ein heikles Thema. So stand die Zugerseeklinik in der Vergangenheit wegen Zwangsmedikationen immer wieder in der Kritik. Das Zuger Verwaltungsgericht behandelte rund 20 Fälle, in denen sich Personen gegen die unfreiwillige Einnahme von Medikamenten wehrten. Wobei das Gericht beschwerdeführenden Patienten auch schon recht gab (zentralplus berichtete).

Darum befasste sich die Politik auf Initiative mehrerer Kantonsräte mit der offenbar nicht unüblichen Vorgehensweise in der Klinik am Zugersee. Die Regierung stärkte dieser im Herbst den Rücken (zentralplus berichtete).

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Pille 07
    Pille 07, 07.04.2024, 12:46 Uhr

    Für solche Sachen haben die Zeit und Geld, andere Sachen, die dringender wären, zögern sie hinaus. Es war ja klar.

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  • Profilfoto von Daniela Baumann
    Daniela Baumann, 06.04.2024, 09:32 Uhr

    Die Triaplus hat allgemein einen sehr schlechtem Ruf.
    Diese Klinik sollten die Verantwortlichen von den Kantonen Zug , Schwyz und Uri mal kritisch untersuchen.

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    • Profilfoto von Baldo
      Baldo, 06.04.2024, 13:17 Uhr

      Es wurde gemacht.
      In diesem Fall war alles in Ordnung.
      Vor allem verstehe ich nicht , wieso man sich freiwillig einweisen lässt und doch keine Hilfe will.
      Dieser Person kann man nur mit Medis helfen, es ist ja zu ihrem Wohle.
      Freiwillig eingelieferte Patienten, können jederzeit wieder gehen, außer sie sind für sich oder andere eine Gefahr. Diese Frau scheint mir schon durcheinander zu sein und hoffe sie bekommt die richtige Hilfe.

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