Zuger Klinik vor Gericht

Patientin wehrt sich erfolgreich gegen Zwangsmedikation

Die Klinik Zugersee in Oberwil ist die grösste psychiatrische Einrichtung im Kanton Zug.

(Bild: mam)

Eine Zuger Klinik hat einer Patientin, die unter paranoider Schizophrenie leidet, gegen deren Willen Medikamente verabreicht. Die Frau wehrte sich vor Gericht – und bekam Recht. Denn der Klinik ist ein folgenschwerer Fehler unterlaufen.

Wenn eine Klinik eine Behandlung ohne die Zustimmung der betroffenen Person macht, gelten klare Regeln. Wird einem Patienten zum Beispiel gegen seinen Willen Medikamente verabreicht, gilt zwingend das Vier-Augen-Prinzip.

Das Zuger Verwaltungsgericht musste sich mit einem Fall von der Psychiatrischen «Triaplus AG Klinik Zugersee» befassen.

Die Vorgeschichte der Patientin

Die Frau mit Jahrgang 1983, kam im Januar 2022 in die Klinik am Zugersee. Die Frau leidet unter paranoider Schizophrenie, Ärzte haben eine fürsorgerische Unterbringung angeordnet. Mit dem Eintritt in die Klinik in Zug wurde auch entschieden, dass bei der Frau medizinische Massnahmen angeordnet werden. Das bedeutet, dass eine Behandlung ohne Zustimmung der Patientin möglich ist. Diese Massnahmen sollten ab Februar für zwei Wochen gelten.

Der Grund für diese einschneidenden Massnahmen: Die Patientin sei laut den Ärzten zunehmend verbal aggressiv, maximal abgewehrt gegen Behandlung. Zudem baue sie das Klinikpersonal zunehmend in ihren Wahn ein. Ohne Hilfe sei davon auszugehen, dass die paranoide Schizophrenie chronisch bleibe und die Frau damit im Alltag stark eingeschränkt sei. Es drohe der Verlust des Sorgerechts für ihre Kinder, langfristig drohe die Invalidität.

Patientin geht wegen Zwangsmedikation vor Gericht

Die Frau ist mit den Massnahmen nicht einverstanden und reagiert. Sie reicht im Februar eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug ein. Die Patientin ist gegen die Anordnung einer medizinischen Behandlung mit Injektion. Die Medikamente will sie nicht, «weil sie sich gesund fühle», wie sie selber begründete.

«Aufgrund unserer Überprüfung und heutigem Kenntnisstand handelt es sich um einen Einzelfall.»

Michael Rufer, Chefarzt

Schon Ende Februar kommt es wegen der Beschwerde zu einer Anhörung in der Klinik am Zugersee. Am Ende bekommt die Patientin recht und die angeordnete medizinische Massnahme wird aufgehoben.

Entscheid wird wegen eines Formfehlers getroffen

Das Zuger Verwaltungsgericht hat sich für das Anliegen der Patientin entscheiden, da es bei der Klinik einen entscheidenden formellen Fehler gegeben hat. Wie beschrieben, gilt bei solch schweren Massnahmen das Vier-Augen-Prinzip. Das Gericht stellt jedoch fest, dass im vorliegenden Fall «sowohl der Behandlungsplan als auch die Anordnung von medizinischen Massnahmen» lediglich vom Oberarzt unterzeichnet wurden.

Hat die Klinik das Vier-Augen-Prinzip nicht eingehalten? Michael Rufer, Chefarzt der Klinik Zugersee, sagt: «Das Gericht hat bestätigt, dass das Vier-Augen-Prinzip eingehalten worden ist. Ebenso, dass die Zwangsmedikation angezeigt war. Das Gericht hat festgehalten, dass die fehlende Unterschrift ein formeller Fehler war.»

Tatsächlich gab der Oberarzt gegenüber dem Gericht zu Protokoll, dass er sich mit seinem Kollegen abgesprochen habe, jedoch nur mündlich. Es existiert daher kein Eintrag in den Akten. Kommt dies oft vor? «Aufgrund unserer Überprüfung und heutigem Kenntnisstand handelt es sich um einen Einzelfall», sagt Rufer.

Fehler mit grosser Wirkung – gibt es personelle Konsequenzen?

Das Gericht anerkennt im Urteil, dass die Ärzte grundsätzlich nur helfen wollten. «Da es sich bei der Zwangsmedikation um einen schweren Grundrechtseingriff handelt, ist die Einhaltung der minimalen formellen gesetzlichen Vorgaben wie das Vieraugenprinzip [...] jedoch unerlässlich.»

Da die Patientin schon seit dem Januar in der Klinik war, gab es auch keinen zeitlichen Notstand für die Klinik. Das Verwaltungsgericht klopft also mit dem Urteil auf die Finger der Klinik. Muss nun der Kopf des betroffenen Oberarztes rollen? Chefarzt Michael Rufer sagt: «Personelle Konsequenzen aufgrund eines einmaligen formellen Fehlers wären auch in unserem Unternehmen absolut unverhältnismässig.»

Gericht stützt trotz negativem Entscheid die Klinik

Die Klinik setzt nun alles daran, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholen kann. «Wir haben den Prozess des Vier-Augen-Prinzips intern wiederholt besprochen und dezidiert auf die Vollständigkeit der Schriftlichkeiten hingewiesen», sagt Michael Rufer, Chefarzt der Klinik Zugersee.

Denn materiell stützt das Gericht den Entscheid der Klinik und ihrer Ärzte. Sie hätten «schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass der Beschwerdeführerin ohne Behandlung ein ernsthafter gesundheitlicher Schaden droht». Die Klinik könne, falls notwendig, eine neue Anordnung erlassen.

Verwendete Quellen
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