Wegen Urkundenfälschung verurteilt

«Listig und perfide»: Das sagt Gericht über Luzerner Notar

Ein Luzerner Anwalt und Notar soll laut dem Kriminalgericht gefälschte Protokolle beim Handelsregister eingegeben haben. (Bild: Symbolbild Adobe Stock)

Der Fall eines wegen Urkundenfälschung verurteilten Luzerner Anwalts wird wohl an die nächste Instanz gehen, deshalb liegt jetzt ein ausführliches Urteil vor. Die Richter lassen kein gutes Haar an der Arbeit des Juristen. Nach wie vor steht dessen Zukunft auf dem Spiel.

An einem Mittwoch im Mai 2021 sitzt Rolf Kiser* bei der Luzerner Polizei und berichtet von einem Moment, der ihm «effektiv den Boden unter den Füssen weggerissen» habe. Etwa drei Jahre müssen vergangen sein, seit er von seinem Vater erfuhr: Er ist nicht mehr Verwaltungsratspräsident der Firma, die er jahrelang mit seinem Bruder geführt hat. Das stehe so im Handelsregister, sagt der Vater; der Sohn fällt aus allen Wolken. Denn: Niemals hatte er den Chefposten abgeben wollen. Und noch schlimmer: Er wusste nicht einmal, dass er das hätte tun sollen.

Eine Geschichte von Neid und Missgunst

Was klingen mag wie ein Abstecher in das Wüstengebiet des Handelsregisterwesens, ist in Wahrheit die tragische Wende in einer Geschichte, in der sich zwei Brüder gegenüberstehen. Einer Geschichte, gezeichnet von Neid und Missgunst, in der der eine den anderen Bruder hintergehen soll. Und einer Geschichte, die ihren Anfang im November 2017 nimmt, die Luzerner Justizbehörden bis heute beschäftigt. Und: Noch länger beschäftigen dürfte.

«Das Handeln hinter dem Rücken der Gegenparteien ist als listig und perfide zu bezeichnen.»

Aus dem Urteil des Luzerner Kriminalgerichts

Seit heute liegt das begründete Urteil gegen den Bruder des ehemaligen Firmenchefs und gegen einen Luzerner Anwalt und Notar vor. Diesen August hatte das Gericht Damian Kiser* und den Juristen wegen mehrerer Urkundendelikte zu bedingten Geldstrafen verurteilt (zentralplus berichtete). Da gegen das Urteil Berufung angemeldet wurde, wird der Fall aller Voraussicht nach an die nächste Instanz gehen.

Gericht: Bruder und Anwalt handelten hinter dem Rücken der anderen

Das 55-seitige begründete Urteil des Kriminalgerichts gibt nun einen Einblick, wieso die Richter der Darstellung von Damian Kiser und dessen Anwalt nicht geglaubt haben. Und was sie von ihrem Verhalten halten: «Das Handeln hinter dem Rücken der Gegenparteien ist als listig und perfide zu bezeichnen.»

«Listig» und «perfide» sei es also gewesen, dass der Anwalt beim Luzerner Handelsregister Unterlagen eingereicht hat, die hätten zeigen sollen, dass zwei Firmen der Brüder keinen richtigen Verwaltungsrat mehr stellen konnten. Dadurch hätte die Firma an einem Mangel in der Organisation gelitten, stand also im Risiko, dass der Staat die Gesellschaft auflöst.

Dem Gericht zufolge hätten das Damian Kiser und sein Anwalt so geplant. Mit dem Ziel, Kisers Verhandlungsposition zu verbessern, der seine Aktien am gemeinsamen Unternehmen seinem Bruder Rolf verkaufen wollte. Sprich: Damian Kiser soll seinen Bruder mit einem juristischen Trick unter Druck gesetzt und so auf illegalem Weg versucht haben, den Preis für seine Aktien hochzutreiben.

Gericht: Sitzungen haben nie stattgefunden

Zu diesem Zweck, so das Gericht, hat Damian Kisers Anwalt, der auch als Notar fungiert, beim Handelsregister zwei Protokolle von Verwaltungsratssitzungen eingereicht. Diese hatten gezeigt, dass sich die Brüder nicht auf einen neuen Verwaltungsratspräsidenten einigen konnten, die Firmen daher keinen Präsidenten mehr hatten und so an einem Organisationsmangel litten.

Laut dem Beschuldigten und dessen Anwalt hätten die Verwaltungsratssitzungen im November 2017 in der Kanzlei des Juristen stattgefunden. Dem hielt der Bruder entgegen, es sei nie eine Verwaltungsratssitzung gewesen, sondern lediglich ein informelles Gespräch, in dem es um die Bewertung des gemeinsamen Unternehmens ging.

Dieser Darstellung glaubt das Gericht. Nur schon, dass Rolf Kiser zwei Klagen eingegeben habe, um den Organisationsmangel zu beseitigen, spreche dafür, dass keine Verwaltungsratssitzungen stattgefunden hätten. Das Gericht bewertet die Aussagen von Rolf Kiser als glaubhaft, jene der Beschuldigten derweil als widersprüchlich, «nachgeschoben» und «konstruiert». Und letztlich hätten Damian Kiser und sein Anwalt die Protokolle seinem Bruder nicht zur Kenntnisnahme vorgelegt, obwohl sie das hätten tun müssen. Auch das spreche dafür, so das Gericht, dass die beiden bewusst falsche Protokolle erstellt und zur Beurkundung eingereicht hätten.

Aufsichtsbehörden beschäftigen sich mit dem Anwalt und Notar

Indes ist das Urteil nicht rechtskräftig, gleich beide Beschuldigten haben Berufung angemeldet. Anders als für Damian Kiser hat die Verurteilung für den Juristen eine zusätzliche Dimension: Im Zusammenhang mit dem Strafverfahren wegen Urkundenfälschung führen sowohl die kantonale Anwalts- als auch die Notariatsaufsicht ein Verfahren gegen den Anwalt und Notar. Im äussersten Fall droht diesem ein Berufsverbot als Anwalt und ein Entzug seiner Beurkundungsbefugnis.

Ob es so weit kommt, ist ebenso offen. Auf Anfrage teilen die Luzerner Gerichte mit, die beiden Verfahren würden nach wie vor laufen. Mehr könne man aktuell noch nicht sagen. Der Anwalt und Notar derweil reagierte nicht auf eine Kontaktaufnahme von zentralplus.

Im Verfahren vor Kriminalgericht hatten die Verteidiger beider Beschuldigten Freisprüche gefordert. Der Verteidiger von Damian Kiser hatte etwa argumentiert, sein Mandant habe darauf Vertrauen können, dass sein Anwalt die Protokollführung und die Eingaben beim Handelsregister korrekt abwickle. Und dieser hatte vor Gericht gesagt: «Die Protokolle waren in jeder Hinsicht korrekt. Was wäre ich für ein Mensch, wenn ich einen solchen Blödsinn machen und gefälschte Protokolle eingeben würde, die jedermann einsehen kann. Dann müsste man mir meine Zulassung wirklich entziehen.»

*Name geändert

Verwendete Quellen
  • Urteil 1Q6 22 79 + 80 des Luzerner Kriminalgerichts
  • Schriftliche Anfrage an die Luzerner Staatsanwaltschaft
  • Schriftliche Anfrage an den Anwalt und Notar
  • Schriftlicher Austausch mit den Luzerner Gerichten
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