Verhandlung am Kriminalgericht Luzern

Für einmal als Beschuldigter: Anwalt vor Gericht

Ein Luzerner Anwalt und Notar soll gefälschte Protokolle beim Handelsregisteramt eingereicht haben. (Bild: Symbolbild Adobe Stock)

Zwei Brüder bauen eine Firma auf, arbeiten jahrelang zusammen, dann kommt es zum Bruch. Im Streit soll einer dem anderen eine Falle gestellt haben. Das sagt die Luzerner Staatsanwaltschaft – und wirft einem Luzerner Notar und Anwalt vor, er habe mitgeholfen.

«Die Beschuldigten haben die Protokolle eigenmächtig eingereicht. Hinter dem Rücken des Privatklägers. Das deutet klar darauf hin, dass sie ihr Tun mindestens als sehr fragwürdig erachteten.»

Während der Staatsanwalt den Richter von seinen Argumenten zu überzeugen versucht, sitzen die Beschuldigten in einer Reihe und sehen von hinten aus wie Zwillinge. Haarschnitt und -farbe sind fast gleich, die Hemden sind blau-grau, die Haltung ist identisch: im Stuhl zurückgelehnt, die Schultern gerade, der Kopf ebenso.

Urkundenfälschung und Erschleichen einer falschen Beurkundung?

Die Männer sind nicht verwandt. Und doch spielen sie eine Rolle in einem Fall, der die Geschichte zweier zerstrittener Brüder erzählt und über den das Luzerner Kriminalgericht brütet, seit am Freitagmittag eine dreieinhalbstündige Verhandlung geendet hat. Dabei mussten sich zwei Männer verantworten: ein ehemaliger Unternehmer und ein Anwalt und Notar, der seit Jahren auf dem Platz Luzern arbeitet.

Mehrfache Urkundenfälschung und Erschleichen einer falschen Beurkundung hatte ihnen die Staatsanwaltschaft vorgeworfen. Gegen die Strafbefehle vom Februar 2022 zogen die Männer vor Gericht. Und so muss sich jetzt das Kriminalgericht mit der Angelegenheit befassen, die in den Augen der Luzerner Strafverfolger das Resultat einer Intrige des einen gegen den anderen Bruder ist.

Verwaltungsratssitzung oder informelles Treffen?

Im Zentrum steht dabei die Frage: Was hat im November 2017 in einer Luzerner Anwaltskanzlei stattgefunden? Eine formlose Besprechung zweier Brüder, denen zwei Firmen mit mehreren Dutzend Mitarbeitern gehörten und in der es darum ging, wie gross der Wert der Gesellschaften ist? Oder Sitzungen des Verwaltungsrats der beiden Unternehmen, in denen die Brüder den Posten des Präsidenten für sich beanspruchten? Und die ohne Einigung endeten, wodurch die Firmen keinen Verwaltungsratspräsidenten mehr aufweisen konnten?

«Ich weiss nicht, warum ich hier bin. Ich weiss nicht, warum er mich so quälen will.»

Beschuldigter Bruder

Das jedenfalls hielt der Anwalt und Notar von Bruder 1 in zwei Protokollen fest, die er dem Luzerner Handelsregister zur Eintragung einreichte. Bruder 2 – und mit ihm die Luzerner Staatsanwaltschaft – halten dem entgegen: Die Protokolle seien gefälscht gewesen, die Verwaltungsratssitzungen habe es nie gegeben. Bruder 1 habe eine Situation schaffen wollen, in der die Firma keinen Verwaltungsratspräsidenten mehr hat – und damit an einem Organisationsmangel leide. Diesen wiederum habe Bruder 1 nutzen wollen, um für den Verkauf seines Aktienpakets an Bruder 2 eine bessere Ausgangslage zu haben.

Bruder 1 versagte mehrmals die Stimme

So viel zur Auslegeordnung vor der Verhandlung, in der deutlich klar wurde: Das Tuch zwischen den Brüdern ist zerschnitten. Bruder 2 trat zwar als Privatkläger in Erscheinung, kam aber gar nicht erst zur Verhandlung. Bruder 1 versagte mehrmals die Stimme, als er die Fragen des Richters beantwortete: «Ich bin überzeugt, nichts falsch gemacht zu haben. Ich weiss nicht, warum ich hier bin. Ich weiss nicht, warum er mich so quälen will.»

«Was wäre ich für ein Mensch, wenn ich einen solchen Blödsinn machen und gefälschte Protokolle eingeben würde, die jedermann einsehen kann. Dann müsste man mir meine Zulassung wirklich entziehen.»

Beschuldigter Anwalt und Notar

Während die Staatsanwaltschaft für Bruder 1 eine bedingte Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu 180 Franken und 3600 Franken Busse forderte, verlangte dessen Verteidiger einen Freispruch. Unter anderem führte er aus, sein Mandant habe nicht wissen können, dass er etwas möglicherweise Verbotenes tut, als er die Sitzungsprotokolle unterzeichnete: «Mein Mandant durfte sich auf den Rat seines Anwalts verlassen, der die Protokolle seinerseits auch unterschrieben hat. Das hätte er sicher nicht getan, wenn er nur ansatzweise den Verdacht gehabt hätte, etwas Unrechtes zu tun.»

Anwalt fürchtet um seine Zulassung

Genau das Gleiche sagte der Anwalt und Notar zum Richter, allerdings in gesetztem Hochdeutsch und um einiges pointierter: «Die Protokolle waren in jeder Hinsicht korrekt. Was wäre ich für ein Mensch, wenn ich einen solchen Blödsinn machen und gefälschte Protokolle eingeben würde, die jedermann einsehen kann. Dann müsste man mir meine Zulassung wirklich entziehen.»

Im Prozess wurde deutlich: Mehr als die 150 Tagessätze bedingter Geldstrafe (à 530 Franken) und die 15'000 Franken Busse, welche die Strafverfolger beantragt hatten, fürchtete der Mann die weiteren Konsequenzen einer rechtskräftigen Verurteilung: die Löschung im Anwaltsregister und den Verlust der Beurkundungsbefugnis.

Verteidiger: Die Sitzung habe stattgefunden, die Protokolle seien echt

Doch laut seinem Verteidiger besteht dafür nicht der geringste Anlass. Dem Gericht erklärte er, was bereits die Beschuldigten ausgesagt hatten: Dass die Besprechung im November 2017 auszuarten begann. Dass Bruder 1 Bruder 2 vorwarf, es sei ungerecht, dass er immer Verwaltungsratspräsident gewesen sei und damit jahrelang das letzte Wort gehabt habe. Dass sein Mandant erklärt habe, das könne man sofort ändern, die Voraussetzungen für eine Verwaltungsratssitzung seien gegeben. Und dass Bruder 2 sich nicht dagegen gewehrt habe, dass eine Ad-hoc-Verwaltungsratssitzung abgehalten werde, die nur ein Traktandum habe: die Frage des Verwaltungsratspräsidenten.

Das wiederum habe laut dem Anwalt zu bedeuten: Die Protokolle waren echt und keine Fälschung. Die angeklagten Tatbestände seien nicht erfüllt, sein Mandant sei freizusprechen. Dem hielt der Staatsanwalt entgegen, die Aussagen des Beschuldigten seien «völlig unglaubhaft». Er habe in den Vernehmungen eine vorgefasste Stellungnahme vorgetragen und ansonsten meist geschwiegen, der Bericht habe schematisch gewirkt und «keinerlei Realkennzeichen» aufgewiesen.

Zudem sei es nicht vorstellbar, dass Bruder 2 und dessen Anwalt die Geschehnisse einfach so hingenommen und sich nicht gewehrt hätten. Was die Beschuldigten dem Gericht erzählten, so der Staatsanwalt, sei «völlig konstruiert und ausgedacht».

Ob das Gericht das auch so sieht? Das weiss man nicht, ein Urteil ist noch nicht ergangen. Das Gericht eröffnet dieses schriftlich. So könnte sich schon dann entscheiden, ob wahr wird, was der beschuldigte Notar hofft. Auf die Frage des Richters, wie er seine Zukunft sieht, entgegnete dieser: «Das hängt von Ihnen ab. Ich hoffe als Anwalt und Notar.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Rudolf Schweizer
    Rudolf Schweizer, 11.08.2023, 17:09 Uhr

    Einmal habe ich einem Bezirksrichter erklärt das die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern in einem Betrugsfall, Datenmissbrauch beginn und ich daraus massive Wirtschaftliche Verluste eingefahren habe der Gesamtschaden rund CHF 250’000.00. Zudem habe ich den Richter über meinen Langzeitgesundheitsschaden aufgeklärt der Bleiindoxikation aufgeklärt, dass führe dazu dass ich mehrere Operationen machen musste und meine erste Krankentaggeldvesicherung die National Suisse mir die Krankentaggelder nur Mangelhaft zu kommen liess. Der Richter hat nie Regresshaftpflicht gegenüber den Verursachern gelten gemacht, sondern hat die Machenschaften der Vetterliwirtschaft des Kanons Luzern einen Persil Schein ausgestellt und meine zweite Krankentaggeldversicherung die Concordia zur Nachzahlung genötigt obwohl ich nach einem Hirnschlag vier Tage danach meine Arbeit wieder aufgenommen habe. Später hat dann die Concordia sich von der Krankentaggeldversicherung verabschiedet und mir für meine Folgenden Operationen von der versicherten Leistungen rund CHF 48’000.00 Unterschlagen, da ich dann noch eine IV Anmeldung machen musste kürzte mir die IV die Leistungen auch noch um CHF 6’000.00. Seit sieben Jahren kann ich mir keine Wohnung leisten und Lebe in Untermiete. Der Staat versagt der Bürger zahlt.

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