«Egoistisch» und «rücksichtslos»

Gericht spricht Luzerner der Schändung schuldig

Das Luzerner Kriminalgericht spricht zwei Jahre Gefängnis bedingt aus. (Bild: Symbolbild: Unsplash/Jp Valery)

Nach einer Grillparty vergeht sich ein Mann mittleren Alters an einer jungen Frau, während diese schläft. Das ist Schändung, sagt jetzt das Luzerner Kriminalgericht.

Er ist um die 50, sie keine 20 Jahre alt. Und der Sex, den die beiden hatten, war nicht einvernehmlich. Das sagt nach der Luzerner Staatsanwaltschaft auch das Luzerner Kriminalgericht. Wegen Schändung verurteilt es einen Schweizer mittleren Alters zu zwei Jahren Gefängnis bedingt. Das geht aus einem begründeten Urteil hervor, das seit heute öffentlich, aber nicht rechtskräftig ist, da dagegen Berufung angemeldet wurde.

Als Nächstes wird sich also voraussichtlich das Luzerner Kantonsgericht mit dem Fall auseinandersetzen, der nach einer Grillparty im Sommer 2020 ins Rollen kam.

Die Bewohner eines Hauses mit Garten und Pool hatten zum Grillieren geladen, Freunde und Familie kommen vorbei, es wird gegessen, getrunken, genossen. Mit dabei ist ein langjähriger Freund der Familie, später stösst die junge Nachbarin dazu, die einige Zeit vorher im gleichen Haus, irgendwo im Kanton Luzern, eingezogen ist.

Im Pool gab die Nachbarin noch ihren Standpunkt durch

Gegen Mitternacht endet die Party, die Gastgeber gehen ins Bett. Zuvor erlauben sie den beiden letzten Verbliebenen, den Pool zu benutzen: der Nachbarin und dem späteren Beschuldigten, der bei den Gastgebern übernachtet.

Laut der Anklage soll der Mann bereits im Pool versucht haben, die Frau zu küssen. Diese machte aber klar, dass sie das nicht will. Nach dem Baden teilen sich die beiden ein letztes Bier und eine Zigarette, anschliessend begleitet der Mann die Frau in deren Wohnung. Man habe noch nicht Feierabend machen wollen, wird der spätere Beschuldigte der Staatsanwaltschaft bei einer Einvernahme sagen. Sie sagte im Verfahren aus, sie habe nicht erwartet, dass ihr der Mann, den sie als nett und freundlich beschrieb, nochmal zu nahe kommen würde, nachdem sie im Pool ihren Standpunkt klargemacht hatte.

«[Die Geschädigte] wollte schreien, wollte sich wehren, konnte jedoch nichts machen und sich nicht bewegen. Sie war zum Widerstand unfähig.»

Aus der Anklageschrift der Luzerner Staatsanwaltschaft

In der Wohnung unterhalten sich die beiden, dann bittet die Frau den Besucher zu gehen, da sie ins Bett will. Es ist früher Morgen, die Frau ist leicht angetrunken – und nimmt zwei Schlaftabletten, die ihr Arzt gegen ihre Schlafstörungen verschrieben hat. Diese wirken binnen Minuten, die Frau schläft ein.

Konnte sie sich wegen Alkohol und Tabletten nicht mehr wehren?

Und der Mann, so heisst es in der Anklage, sieht seine Chance. Mehrmals soll er die Frau geküsst haben, diese erwacht, sagt im Halbschlaf, sie wolle das nicht und schläft wieder ein. Gegen die Wirkung aus Alkohol und Tabletten kann sie sich nicht wehren. Drei Mal wird sie erwachen, beim letzten Mal bemerkt sie: Der Mann kniet über ihr, er hat keine Hose an, auch ihre Hose ist weg. Der Mann dringt in sie ein, vergeht sich mehrere Minuten an ihr, ohne zum Höhepunkt zu kommen.

Die Geschädigte, so wird es später in der Anklage heissen, «wollte schreien, wollte sich wehren, konnte jedoch nichts machen und sich nicht bewegen. Sie war zum Widerstand unfähig.»

Beschuldigter weist Vorwürfe von sich, Verteidiger fordert Freispruch

Mit zwei Jahren bedingt geht das Gericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus, die mindestens anderthalb Jahre bedingt gefordert hatte. Demgegenüber hatte der amtliche Verteidiger des Beschuldigten einen Freispruch beantragt. Mitunter hatte er argumentiert, dass gewisse Aussagen der Frau nicht als Beweis verwertbar seien.

«Demgegenüber sind die wenigen Aussagen des Beschuldigten in weiten Teilen nicht überzeugend und von Widersprüchen geprägt.»

Aus dem Urteil des Luzerner Kriminalgerichts

Daneben hatte der Beschuldigte bestritten, sich an der Frau vergangen zu haben. So sagte er im Verfahren aus: Im Pool habe man sich zwar geküsst, aber einvernehmlich. Sie habe ihn anmachen wollen und sei hemmungslos gewesen. In der Wohnung sei sie ansprechbar und wach gewesen. Vor allem aber: Zwischen ihm und ihr sei es niemals zum Sex oder zu etwas Ähnlichem gekommen.

Im Urteil schreibt das dreiköpfige Gericht von einer «klassischen Aussage-gegen-Aussage-Konstellation», wobei es den Aussagen der Geschädigten bedeutend mehr Glauben schenkt. Die Frau habe die Geschehnisse konsistent wiedergegeben und offengelegt, wenn sie etwas nicht mehr gewusst habe. Zudem habe sie «innere Vorgänge und gefühlsbezogene motorische Vorgänge» geschildert, also etwa «eindrücklich» beschrieben, wie sie im Moment des Übergriffs keine Kontrolle mehr über sich gehabt habe.

7000 Franken Genugtuung für seelische Unbill

Demgegenüber bewertete das Gericht die Aussagen des Beschuldigten als «in weiten Teilen nicht überzeugend und von Widersprüchen geprägt». So sagte dieser bei der gleichen Einvernahme einmal aus, er habe nicht gewusst, dass die Frau Schlafmittel nehme. Kurz darauf gab er von sich aus an, er habe gesehen, wie die Frau zwei Tabletten genommen habe. Und wie sich die behauptete Hemmungslosigkeit bei der Frau geäussert habe, habe der Beschuldigte auf Nachfrage nicht erklären können, so das Gericht.

Das Verschulden des Mannes bewertet das Gericht als nicht mehr leicht. Da der Mann aber nicht vorbestraft, also Ersttäter ist, spricht das Gericht die Strafe bedingt aus. Das Gericht geht davon aus, dass die bedingte Strafe ausreicht, um den Mann davon abzuhalten, etwas Ähnliches nochmals zu tun.

Zusätzlich muss er der Geschädigten 7000 Franken Genugtuung zahlen, da sie seit dem verhängnisvollen Grillfest immer wieder mit Flashbacks zu kämpfen hat und zweimal stationär in einer Psychiatrie behandelt werden musste. Die 7000 Franken für die sogenannte erlittene seelische Unbill erweise sich «ohne Weiteres als angemessen», so das Gericht.

Verwendete Quellen
Themen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Markus Grob
    Markus Grob, 06.12.2023, 15:16 Uhr

    Krass, was sind schon 7000 Fr. für ein Leben mit solchen Flashbacks. Dazu wird es wohl für die Frau nie mehr «unbeschwerten Sex» geben und somit auch in einer Beziehung nicht einfach. Wird aber leider nicht das einzige solche Urteil bleiben, bei dem ein Leben quasi zerstört wird und der Täter mit einem «blauen Auge» davonkommt.

    👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon