Umstrittene Höchstzahlen für Ärzte in Zug

«Positives Signal an den ärztlichen Nachwuchs»

Die Höchstzahlen können schnell angepasst werden, schreibt der Kanton Zug. (Bild: Adobe Stock)

Zug beschränkt seit Juli die Anzahl an Ärzten in elf Fachbereichen. Während das Gesundheitswesen einen Ärztemangel fürchtet, bricht der Kanton Zug eine Lanze für die Grundversorgung statt für die Spezialisierung.

Die Kosten im Gesundheitswesen wachsen ungebremst. Allein im ersten Quartal 2023 stiegen sie um sieben Prozent. Das ist eine schlechte Neuigkeit für Prämienzahler, denn ein Teil der Kosten wird auf sie abgewälzt. Für das Jahr 2024 rechnet der Dienst Comparis mit einem durchschnittlichen Prämien-Anstieg von 6 Prozent für die Grundversicherung. Bereits dieses Jahr war der Anstieg ähnlich hoch.

Um die steigenden Kosten in den Griff zu kriegen, hat Bern die Kantone verdonnert, gegen die Überversorgung im Gesundheitswesen vorzugehen (zentralplus berichtete). Jeder Kanton muss seit dem 1. Juli die Höchstzahl der Ärztinnen auf seinem Gebiet selbst regeln. Mindestens in einem Fachgebiet müssen die Regierungen eine Höchstzahl festlegen, lautete die Auflage.

Kanton Zug limitiert elf Fachbereiche und erntet Kritik

Gewisse Kantone wie Luzern oder Freiburg haben sich daher entschieden, nur einer Fachrichtung eine Höchstzahl zu verpassen. Genf dagegen hat gleich alle Fachrichtungen limitiert, schreibt die «NZZ». Seither gäbe es im Kanton eine Warteliste für Ärzte, die praktizieren wollen.

Einen Mittelweg hat dagegen der Kanton Zug gewählt. In genau elf Facharztrichtungen hat die Regierung Höchstzahlen vergeben: von der Gynäkologie bis zur Rheumatologie. Keine Limitierungen gibt es in der Grundversorgung. Ein Beispiel: Künftig dürfen genau 27 Frauenärztinnen in Vollzeit in Zug tätig sein.

Auch die Orthopädische Chirurgie ist von den neuen Höchstzahlen betroffen. (Bild: Adobe Stock)

Gedeckelt werden «jene Disziplinen, in denen eine im landesweiten Vergleich überdurchschnittliche Versorgung besteht», schreibt der Kanton. Es geht dabei um den sogenannten Versorgungsgrad. Liegt dieser in einer Fachrichtung über 100 Prozent, wurden mehr Leistungen genutzt als gemäss landesweitem Durchschnitt erwartet. Das kann auf eine Überversorgung hindeuten.

Wegen der neuen Höchstzahlen ist die Zuger Regierung enorm unter Druck geraten. Der Entwurf habe das Potenzial, «die Gesundheitsversorgung nachhaltig zu beschädigen», sagte der Präsident der Zuger Ärztegesellschaft Urs Hasse gegenüber zentralplus. Der Zuger Spitaldirektor Matthias Winistörfer prognostizierte ein «ungenügendes Angebot mit Wartefristen für die Patientinnen» (zentralplus berichtete).

Kritiker bezweifeln die Datenlage

Die Kritik stösst beim Kanton auf Gehör. Er könne den Widerstand nachvollziehen, erklärte der Zuger Gesundheitsdirektor Martin Pfister kürzlich gegenüber der «NZZ». Er selbst habe sich eine einheitliche Bundesbestimmung gewünscht.

Dass Zug auf einen Ärztemangel zusteuert, glaubt der Kanton aber nicht. Von den Höchstzahlen seien nur Spezialgebiete betroffen, deren Versorgungsgrad über dem Schweizer Durchschnitt läge, schreibt Olivier Burger von der Gesundheitsdirektion auf Anfrage. Zudem werde Zug die Höchstzahlen «in regelmässigen Abständen» überprüfen und falls nötig anpassen.

«Der Kanton ist nicht zuverlässig in der Lage, das Angebot einzuschätzen.»

Urs Hasse, Präsident der Zuger Ärztegesellschaft

Urs Hasse von der Zuger Ärztegesellschaft kann er damit nicht überzeugen. Viele Ärzte seien nur mit kleinen Pensen im Kanton tätig, andere würden nicht in der Patientenversorgung, sondern in der Forschung und Industrie arbeiten. Nicht alles werde bei der Berechnung der Höchstzahlen einberechnet – das führe zu einer «systematischen Überschätzung» des Angebots. Für den Arzt ist daher klar: «Der Kanton ist nicht zuverlässig in der Lage, das Angebot einzuschätzen.»

Kanton Zug will Grundversorgung fördern

Ausserdem sorgt er sich über den Effekt der Höchstzahlen auf den medizinischen Nachwuchs. «Eine Facharztausbildung in einem Spezialarztfach dauert heute real 7–10 Jahre. Für eine junge Ärztin zu Beginn ihrer Laufbahn ist die Entscheidung für eine so lange und aufwendige Ausbildung ohne gesicherte langfristige Perspektive schwierig», erklärt Urs Hasse.

Er fürchtet, dass wenn weniger Ärzte eine solche Ausbildung beginnen, langfristig die Versorgung in Gefahr gerät. Schon heute sei die Schweiz auf den «Import» von Spezialärzten aus dem Ausland angewiesen.

Gänzlich anders sieht das der Kanton. Für eine gute medizinische Versorgung sei eine zuverlässige Grundversorgung wichtig, schreibt Olivier Burger. Da die Grundversorgung von den Höchstzahlen nicht betroffen sei, sende die Entscheidung «ein positives Signal an den ärztlichen Nachwuchs», sich für die Grundversorgung zu entscheiden. Auch eine Ausbildung in einem Spezialfach werde weiterhin attraktiv bleiben.

Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig

Warum genau sich junge Ärzte künftig für ein Spezialfach entscheiden sollen, lässt die Gesundheits­direk­tion offen. Klar ist aber, dass die Schweiz darauf angewiesen ist. Denn das Gesundheitswesen wäre ohne die 11’000 Ärzte, die aus den Nachbarländern stammen, nicht mehr funktionsfähig, schrieb die «NZZ» kürzlich. Fast 8000 aus Deutschland, 1400 aus Italien, 1100 aus Frankreich und 900 aus Österreich arbeiten hierzulande. Hinzu kommen noch rund 4000 Mediziner aus weiteren Staaten.

So sieht es auch das Zuger Kantonsspital. «Der Fachkräftemangel ist bereits heute spürbar, auch bei den ambulant tätigen Ärzten», schreibt Claudia Trautvetter, Leiterin des Bereichs Marketing. Die neuen Höchstzahlen seien ein «unerwünschtes Signal» an angehende Ärzte. Das Spital rechne damit, dass die Wartezeiten in Zug wegen der Höchstzahlen künftig zunehmen werden. Ausserdem könnte es sein, dass sich Zuger in Zukunft in anderen Kantonen nach Fachärzten umschauen.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Claudia Trautvetter, Leiterin Marketing Zuger Kantonsspital
  • Schriftlicher Austausch mit Urs Hasse, Präsident Zuger Ärztegesellschaft
  • Artikel in der «NZZ» zum Ärztemangel
  • Artikel in der «NZZ» zu den Höchstzahlen
  • Artikel im «Watson» zu den steigenden Kosten im Gesundheitswesen
  • Artikel im «SRF» zu steigenden Prämien 2024
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Franz
    Franz, 14.07.2023, 09:46 Uhr

    Die Zahl der ausländischen Ärzte korreliert sehr stark mit dem Bevölkerungswachstum durch die Einwanderung in den letzten Jahrzehnten. Wie der Fachkräftemangel. Als die Schweiz noch 5 Mio. Einwohner hatte, waren genügend Schweizer Ärzte da. Die Hausärzte machten sogar noch Hausbesuche, auch am Wochenende, und Teilzeit gab es für sie sowieso nicht. Die KK-Prämien machten einen Bruchteil der heutigen aus, sodass niemand auf Prämienverbilligungen angewiesen war. Wer den Fortschritt findet, darf ihn behalten.

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    • Profilfoto von martin.vonrotz
      martin.vonrotz, 14.07.2023, 13:34 Uhr

      Ich behalten den Fortschritt auch. die 5 Mio. Grenze wurde schon Ende der 50er Jahre überschritten. Im Jahr 1960 waren es laut Statistik schon 5.3 Mio. In den vergangenen über 60 Jahren hat sich mit der von Ihnen angeprangerten Verschlechterung der Arztversorgung die durchschnittliche Lebensdauer von Männern von knapp 69 Jahren auf fast 82 Jahre erhöht. Diesen Fortschritt behalte ich gerne. Und nebenbei hat dieses länger leben auch massiv zum Bevölkerungswachstum beigetragen.

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