Es braucht 588 neue Plätze

Mehr Betten, jetzt! Zug erwartet «eine Welle» von Pflegebedürftigen

Pflegeheime unter Druck: Während der Pandemie haben Zivilschützer ausgeholfen. (Bild: Symbolbild aus Bern: Samuel Boosarg VBS/DDPS)

Zuger Altersheime bewerben sich wieder um einen Platz auf der kantonalen Pflegeheimliste. Gleichzeitig plant die Regierung hunderte neue Betten, denn die Lage spitzt sich zu.

Genau 1076 Personen leben im Kanton Zug im Pflegeheim, rund 800 davon sind älter als 80 Jahre. Klingt nach wenig, bei einer Einwohnerzahl von 125’000. Doch die ältere Bevölkerung wächst «schnell und stark», schreibt das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan).

Die Organisation aus Neuenburg hat im Auftrag der Zuger Regierung berechnet, wie viele Pflegebetten in der Alters- und Langzeitpflege der Kanton braucht. Das Ergebnis? Bis zum Jahr 2030 müssen hunderte von zusätzlichen Pflegebetten geschaffen werden (zentralplus berichtete).

Die über 80-Jährigen nehmen stark zu

Der Grund: In den kommenden sieben Jahren wird die Anzahl über 80-Jähriger in Zug um drei Viertel ansteigen. Bis zum Jahr 2045 soll sich ihre Anzahl verdreifachen. «Es ist mit einer Welle an pflege- und betreuungsbedürftigen Personen zu rechnen», schreibt Obsan in seiner Studie.

«Nach Wissen der Gesundheitsdirektion finden alle Personen ein Pflegebett, die eines suchen.»

Martin Pfister, Zuger Gesundheitsdirektor

Es handelt sich dabei um die Generation der Babyboomer nach dem Zweiten Weltkrieg. Schon bei den 65- bis 79-Jährigen, also der nächstjüngeren Generation, zeigt sich ein weniger starker Anstieg. Für die nächsten 20 Jahre wird die Alterspflege trotzdem zur Herausforderung, so das Resümee.

So viel mehr Pflege braucht es

Die Forschenden haben für Zug ausgerechnet, dass die Nachfrage nach Alters- und Langzeitpflege bis 2030 rund 50 Prozent zunehmen wird. Die Pflegeheime benötigen dafür 588 zusätzliche Pflegebetten. Nach 2030 wird der Bedarf weiter steigen.

Der Bedarf an Pflegebetten im Kanton Zug steigt. (Bild: Obsan)

Dafür haben die Forschenden drei Szenarien ausgerechnet und berücksichtigt, wie viele Menschen künftig Pflege zu Hause erhalten. Denn je mehr Menschen zu Hause gepflegt werden, desto weniger Betten braucht es in den Pflegeheimen. Es zeigt sich, dass in jedem der drei Szenarien der Bedarf an zusätzlichen Betten deutlich steigen wird.

Kanton erneuert Pflegeheimliste

Es muss also gehandelt werden. Doch wer? Im Kanton Zug sind die Gemeinden dazu verpflichtet, ihren Einwohnern ausreichend Pflegeheimplätze anzubieten. Sie können dafür selbst Einrichtungen betreiben oder Private beauftragen. Oberaufsicht hat der Kanton.

Jeweils für mehrere Jahre plant dieser die Versorgung der Bevölkerung mit Pflegeplätzen. Dabei greift die Regierung auf die sogenannte Pflegeheimliste zurück: Sie weist jedem Pflegeheim im Kanton eine bestimmte Anzahl an Pflegebetten zu. Hier ein Ausschnitt aus der aktuellen Liste:

Aus der Pflegeheimplanung 2021–2025. (Bild: Kanton Zug)

Die ganze Pflegeheimliste

Zu den Pflegebetten in der Grafik kommen weitere 37 Plätze in der spezialisierten Langzeitpflege. Dies ergibt ein Total von 1178 Betten für die Zuger Bevölkerung gemäss Pflegeheimplanung 2021–2025.

Ebenfalls auf der Pflegeheimliste der Regierung befinden sich 159 Pflegebetten in Ordensgemeinschaften und 16 Betten für ausserkantonale Bewohnende.

Doch wozu eine Liste? Die Einrichtungen auf der Pflegeheimliste dürfen zulasten der sozialen Krankenversicherung abrechnen. Anderen Anbietern von stationärer Pflege ist das nicht erlaubt. Es ist also ein finanzieller Vorteil, auf der Liste aufzutauchen.

Zusätzlich hunderte Pflegebetten

Nun will die Regierung die Pflegeheimliste für die Jahre 2026–2030 erneuern. Dafür können sich die Heime in den kommenden Wochen und Monaten bewerben. Das Bewerbungsverfahren geht noch bis April 2024, Anfang 2026 soll die neue Liste in Kraft treten.

Bei der Auswahl der Heime richtet sich die Regierung nach eigens definierten Kriterien. Beispielsweise will Zug zusätzliche 289 bis 429 Betten ermöglichen, schreibt Martin Pfister, Gesundheitsdirektor von Zug, auf Anfrage. Das ist weniger als die Forschenden in ihrem Basis-Szenario berechnet hatten – sie sprachen von 588 zusätzlichen Betten.

Der Grund? Die Regierung berücksichtige, dass pflegebedürftige Personen länger zu Hause leben wollen, erklärt Pfister. Und geht damit von einem der eher optimistischen Szenarios aus, welche die Forscher berechnet haben. Bei der Auswahl ausserdem berücksichtigen will der Regierungsrat, wie teurer die Pflegebetten sind.

Pflege geht ins Geld

Denn Angehörige in die Pflege im Kanton Zug zu geben, ist eine teure Angelegenheit. Die Kosten für ein Pflegebett basieren auf drei Säulen: der Betreuungstaxe, der Pensionstaxe und der Pflegetaxe. Bei der letzteren beteiligen sich die Krankenkassen und die Wohnsitzgemeinde. Die beiden anderen Positionen werden privat bezahlt.

Für die allgemeine Langzeitpflege ergeben sich folgende Kosten:

  • Betreuungstaxe: 36 Franken pro Tag (egal in welcher Pflegestufe)
  • Pensionstaxe: 1er-Zimmer kostet 181 Franken pro Tag; 2er-Zimmer kostet 160 Franken pro Tag
  • Pflegetaxe: Je nach Pflegestufe zwischen 24 und 369 Franken pro Tag. Davon muss der Betroffene maximal 23 Franken pro Tag beisteuern

Eine Beispielrechnung pro Monat: 1080 Franken für die Betreuungstaxe plus 4800 Franken im 2er-Zimmer plus 690 Franken Anteil an der Pflegetaxe ab Pflegestufe 5 (von 12 Pflegestufen). Das zeigt: Ein Pflegebett im Kanton Zug kostet rund 6500 Franken pro Monat aus eigener Tasche.

Ob sich manch einer ein so teures Pflegebett nicht leisten kann? Gesundheitsdirektor Martin Pfister verneint: «Nach Wissen der Gesundheitsdirektion finden alle Personen ein Pflegebett, die eines suchen.» Ausserdem plant die Regierung, dass ein gewisser Anteil Betten mit Ergänzungsleistungen finanzierbar ist.

Ergänzungsleistungen

Das Grundprinzip hinter Ergänzungsleistungen ist einfach: Reichen die Einnahmen einer Person nicht aus, um die Grundbedürfnisse zu decken, übernehmen Ergänzungsleistungen die Differenz. Die Kosten werden vom Bund und von den Kantonen mit Steuereinnahmen finanziert.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Tanja
    Tanja, 05.10.2023, 00:10 Uhr

    Ich teile mit Cornelia Frei die Frage nach dem Pflegepersonal.

    Aus jüngster Vergangenheit wissen wir, dass Pflegebetten alleine nicht ausreichen. Der Pflegemangel ist auch im Kanton Zug spürbar und Realität. Wir brauchen jetzt eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die konsequent umgesetzt Pflegeinitiative und eine angemessene Pflegefinanzierung.
    Es sind Menschen die ein Pflegebett brauchen. Menschen die auf motivierte und gesunde Pflegende angewiesen sind. Pflegende in allen Funktionen und Ausbildungsstufen, die sie im letzten Lebensabschnitt begleiten und ihnen durch Vertrauen und Beziehung Sicherheit geben.
    Ein Pflegebett alleine reicht da nicht aus!

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  • Profilfoto von Cornelia Frei
    Cornelia Frei, 02.10.2023, 20:16 Uhr

    Eine sehr kurze Zeitspanne für so viele Betten, sehr unrealistisch. Jedoch absolut richtig es endlich einzusehen, es finden aktuell längst nicht alle die wollen (oder müssen) ein Pflegebett! Aber viel wichtiger: Wo will der Kanton die notwendigen Pflegenden finden um die zusätzlichen Betten zu betreuen???

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